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Autos reihen sich auf der Leipziger Straße aneinander. Eine City-Maut könnte den Verkehr womöglich entzerren.
© dpa/Kay Nietfeld

Pro und Contra: Sollte Berlin auch eine City-Maut einführen?

New York hat eine City-Maut für die Innenstadt beschlossen. Wäre so eine Abgabe auch die Lösung für die Berliner Verkehrsprobleme? Ein Für und Wider.

Nach London, Stockholm und Mailand will auch New York eine City-Maut für die Innenstadt einführen. Sollte Berlin das auch machen?

Ja, sagt Felix Wadewitz, eine Maut würde endlich den knappen Raum auf den Straßen mit einem Preisschild versehen. Das Pro zur City-Maut.

Wer es in New York schafft, schafft es überall – ginge es nach Frank Sinatra, dann können alle, die noch an lebenswerte Großstädte und die Gestaltungskraft der Politik glauben, schon mal den Sekt kaltstellen: Big Apple führt eine City-Maut ein, um den Verkehr in Manhattan intelligenter zu lenken.

Es ist ein Paukenschlag, der die andere coole Weltstadt des Planeten unter Zugzwang setzt: Auch Berlin braucht endlich eine zeitgemäße Verkehrssteuerung. Eine City-Maut wäre ein erster Schritt. Die Frage ist nur: Traut sich die Stadt, trauen sich ihre Politiker? Es würde sich lohnen, den Shitstorm auszuhalten. Denn, egal wohin man schaut: Überall, wo es eine City-Maut gibt, fließt der Verkehr wieder, sind die Straßen sicherer, ist die Luftverschmutzung geringer und der Nahverkehr besser. In Stockholm, wo es bei der Einführung viel Streit gab, funktioniert das so gut, dass heute nicht nur eine große Mehrheit der Bewohner die Abgabe gut findet, sondern auch die meisten Autofahrer. Wer täglich auf sein Auto angewiesen ist, freut sich eben, wenn er sein Leben nicht mehr im Dauerstau verbringt.

So spektakulär die Idee daherkommt, so selbstverständlich ist der Ansatz in anderen Lebensbereichen: Wer etwas nutzt, was überwiegend von der Allgemeinheit finanziert wird, zahlt dafür eine Gebühr – S-Bahn, Schwimmbäder, Oper. Das deckt meistens nicht die Kosten, aber einen Teil. Nur für Autos gilt das kaum. Das ist im Jahr 2019 absurd, weil der öffentliche Raum in Berlin längst die wertvollste, weil knappste Ressource überhaupt ist: Immer mehr Menschen teilen sich Berlin, die Stadt wächst, aber es gibt nicht mehr Platz. Immer mehr Autos, immer mehr SUVs, da ist es klar, dass es eng wird. Zu eng.

Eine City-Maut würde nicht nur den knappen Raum auf den Straßen endlich mit einem Preisschild versehen. So eine Abgabe, sagen wir, in der Höhe eines Cappuccinos pro Tag innerhalb des S-Bahn-Rings, wäre nur gerecht. Aktuell fahren Autos – anders als ihre Lobby behauptet – auf Kosten der Allgemeinheit durch die Stadt. Die gerne angeführten Kfz- und Mineralöl-Steuern, die übrigens der Bund kassiert und nicht die Stadt, reichen längst nicht, um die gesellschaftlichen Kosten für den Autoverkehr zu bezahlen, wie Studien wiederholt nachgewiesen haben. Abgase, Lärm, Verschmutzung, Unfälle, es läppert sich. Im Moment subventionieren Fußgänger und Radfahrer die Nutzung der SUVs ihrer Nachbarn – warum eigentlich?

Warum subventionieren Fußgänger und Radfahrer die SUV-Nutzung ihrer Nachbarn?

Anders als etwa das Tempolimit auf Autobahnen wäre die City-Maut auch keine Bevormundung der Autofahrer. Jeder hätte weiterhin die Freiheit so unterwegs zu sein, wie er es will, er müsste nur eben für einen Teil der Kosten aufkommen. Wer genauso gut mit der BVG nach Mitte kommt, fährt dann wegen der City-Maut vielleicht nicht mit dem Auto – ein Fahrzeug weniger, das die Straßen verstopft und die Luft vergiftet. Davon haben alle etwas.

Mit einer City-Maut könnte Berlin auch sozialer werden: Das Geld dürfte dafür nicht im Haushalt versickern, sondern müsste, wie in New York geplant, zweckgebunden in den unterfinanzierten Nahverkehr investiert werden. Von besseren Bussen und Bahnen, die günstiger wären als heute, profitieren alle, vor allem aber die ärmsten Berliner, die sich gar kein Auto leisten können und so mobiler werden. Je länger die City-Maut erhoben wird, desto besser wird dann der Nahverkehr. Auch deshalb wächst in Städten wie Stockholm Jahr für Jahr die Zustimmung für die Abgabe. Klar, für die Einführung braucht es Mumm. Populisten werden alle Register ziehen, um die Idee zu verunglimpfen. Aber: „Wenn man das politische Tal des Todes übersteht, und die positiven Effekte sichtbar werden, dann wächst auch die Unterstützung“, sagt Jonas Eliasson, der in Stockholm die Maut eingeführt hat. Mal sehen, wie viel Weitsicht Berlin aufbringt.

Contra City-Maut: Warum soll es immer den Autofahrern ans Portemonnaie gehen?

Vor Regenwolken ist an der Stadtautobahn in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) ein Verkehrsschild zu Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels zu sehen.
Vor Regenwolken ist an der Stadtautobahn in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) ein Verkehrsschild zu Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels zu sehen.
© dpa/Jens Büttner

Sollte Berlin auch eine City-Maut einführen? Nein, sagt Sabine Beikler, eine City-Maut ist auch unter dem sozialen Aspekt ungerecht. Das Contra zur City-Maut.

Wenn die Politik nicht weiter weiß, gründet sie einen Arbeitskreis oder schröpft die Autofahrer. Sie zahlen Kfz-Steuer, Mineralölsteuer, Parkvignetten, Parkgebühren, Knöllchen und tragen viel zur Mehrwertsteuer bei. Wenn die Politik nicht in der Lage ist, den Verkehr durch die Hauptstadt umweltverträglich zu lenken, sind immer die Autofahrer schuld an der verfehlten Verkehrspolitik mit einer unsinnigen und gescheiterten Verkehrslenkung, die in letzter Konsequenz als eigenständige Behörde gottlob aufgelöst wird. Statt den Autofahrern wieder ans Portemonnaie zu gehen, muss Rot-Rot-Grün die Mobilitätswende, für die sich die Regierung gern selbst lobt, endlich sichtbar umsetzen.

Eine Reihe von Städten wie Stockholm oder London haben eine City-Maut eingeführt. Der Name „Congestion Charge“, Staugebühr, weist in London schon genau darauf hin, warum die Maut bezahlt werden muss. Die hat in London eben in erster Linie dazu geführt, Staus in der Innenstadt zu reduzieren. Die Zahl der Fahrzeuge in den Innenstädten kann man jedoch mit anderen Methoden besser reduzieren: weniger Spuren, Pförtnerampeln installieren, die dafür sorgen, dass bei erhöhter Schadstoffbelastung weniger Autos in die Stadt hineinfahren können, und Parkflächen teurer machen: Das könnte besser und einfacher kontrolliert werden.

Alternativ wäre eine Eingemeindung des umliegenden Speckgürtels und damit Erhöhung des Steueraufkommens für Berlin. Das wäre wirksamer als eine City-Maut.

schreibt NutzerIn W.Wang

Apropos saubere Luft: Nach Meinung von Umweltschützern ging in Zentrallondon die Luftverschmutzung zwar zurück, am Gesamtbild der Luft änderte sich nicht viel. London überschreitet regelmäßig die EU-Grenzwerte für Stickoxide in der Luft. Trotz City-Maut. Viele Geschäfte und Betriebe würden durch eine City-Maut aus der Innenstadt gedrängt, die Kaufkraft wäre dem Einzelhandel abgezogen, die Innenstadt würde unattraktiver werden. Freuen würden sich die vielen Outlets und Einkaufszentren auf der grünen Wiese im Umland.

Reiche werden nicht lange überlegen

Eine City-Maut ist auch unter dem sozialen Aspekt ungerecht. Reiche werden nicht lange überlegen, ob sie gegen Gebühr mit dem Auto in die Innenstadt fahren. Wohl aber ärmere Menschen, die sich gerade noch ein Auto leisten können. Und schon jetzt nutzen viele City-Pendler öffentliche Verkehrsmittel. Mit einer City-Maut würde Berlin eine Minderheit abkassieren und nicht einmal große Mehreinnahmen erzielen. Eine Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs ist im Übrigen auch keine Aufgabe der Autofahrer.

Statt Fahrverboten und Maut-Gebühren muss Berlin Anreize bieten für Mobilitätsalternativen. In einer Stadt, in der sich die Verkehrsverwaltung schon schwer tut, die richtige Farbe zu finden, um ein paar Meter Fahrradweg auf den Asphalt zu pinseln, geschweige denn Radwege zu bauen, ist es offenbar eine Sisyphos-Arbeit, intelligente Mobilität anzubieten. Viele Autofahrer sind bereit zum Umdenken. Wo bitte bleiben Park-and-Ride-Angebote am Stadtrand, wann gibt es eine Verknüpfung des ÖPNV mit Bike- und-Car-Sharing-Angeboten? Warum hat Berlin nur 460 E-Ladepunkte, Hamburg aber über 800? Warum kurvt das BVG-Sammeltaxi Berlkönig nur in Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg herum und nicht in den Außenbezirken? Weil es wieder mal Vorbehalte bei Rot-Rot-Grün gibt, das erfolgreiche Ride-Sharing-Modell auszuweiten. Das ging alles zu schnell, hört man, das müsse erst geprüft werden, es drohe gar eine „Kannibalisierung des Nahverkehrs“. Und so weiter. Genau so läuft das mit der Schnelligkeit und Effektivität in Berlin. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller vermisst bei seinen Koalitionspartnern gesunden Menschenverstand. Man kann nur hoffen, dass ihn die SPD hat – zumindest in diesem Punkt. In dem 2017 von Müller und Fraktionschef Saleh veröffentlichten Papier „Wir tragen Verantwortung“ lehnt die SPD eine „Anti-Auto-Politik“ ab und stellt klar: Mit der SPD wird es keine City-Maut in Berlin geben. Das muss gelten.

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