Schlafen: Nächtliche Vorboten
Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist ein frühes Parkinsonsymptom. Das körpereigene Hormon Melatonin könnte den Krankheitsverlauf verlangsamen, hofft Chronobiologe Dieter Kunz
Es ist der wohl spektakulärste und zugleich tragischste Fall einer ungewöhnlichen Schlafstörung. Eigentlich sollte es eine romantische Reise ans Mittelmeer zum 40. Hochzeitstag werden. Doch an einem Julimorgen im Jahr 2008 erwacht der 59-jährige Brite Brian Thomas neben seiner erwürgten Frau – und er realisiert, dass er seine Frau selbst getötet hat. Thomas leidet unter einer seltenen Form einer Schlafstörung, der sogenannten REM-Schlaf-Verhaltensstörung, oder kurz RBD (vom englischen »Rem sleep behavior disorder«). Menschen, die an einer RBD erkrankt sind, träumen besonders lebhaft, oft sind es gewaltsame oder zumindest negative Träume und vor allem: sie leben ihr nächtliches Kopfkino real aus. Springt der träumende Geist vom Zehn-Meter-Turm, hüpft sein schlafender Körper aus dem Bett. Brian Thomas gab vor Gericht an, von einem Einbrecher geträumt zu haben – als er seine Hände an den Hals seiner neben ihm schlafenden Ehefrau legte. Zwei Jahre später wird ihn ein Gericht vom Vorwurf des Totschlags freisprechen. Brian Thomas war nicht Herr seiner Sinne, ihn trifft keine Schuld. Zum Glück sind solche Todesfälle extreme Ausnahmen. Ernsthafte Verletzungen wie Knochenbrüche oder blaue Augen beim Träumenden oder dessen Bettnachbarn sind allerdings keine Seltenheit. »Bei einer RBD kann es ziemlich rabiat im Bett zugehen«, sagt Dieter Kunz, Chefarzt der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin im St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin Mitte. Eigentlich sollte ein Schutzmechanismus das gefährliche Zwielicht von irrealer und realer Welt trennen. Die Schlafstarre, medizinisch korrekt Schlafparalyse, sorgt normalerweise dafür, dass die Traumwelt weit weg vom Realen ist. In der REM-Schlafphase wird die willkürliche Skelettmuskulatur, die für die Motorik verantwortlich ist, gelähmt – während im Kopf das nächtliche Abenteuer tobt, liegt der Schlafende regungs- und anteilnahmslos auf der Matratze. »Bei einer RBD ist dieser Schutzmechanismus aufgrund eines Defekts einiger Neuronen im Hirnstamm außer Kraft gesetzt«, sagt Schlafmediziner Kunz, der seit 20 Jahren auch Menschen mit Schlafstörungen, im Fachjargon Parasomnien genannt, therapiert.
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