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Im Talk mit Günter Jauch war die Kanzlerin zu Beginn noch etwas unlocker unlocker. Angela Merkel antwortete platt und gestelzt.
© dpa

TV-Kritik: Günter Jauch und die "Schicksalsjahre einer Kanzlerin"

Statt den Papst gab es in Günter Jauchs dritter Sendung in der ARD Angela Merkel. Es ging um Europa. Jauch machte nur einen einzigen Fehler an dem Abend: Er hakte da nicht nach, wo es nötig gewesen wäre.

Eigentlich wollte Günther Jauch über den Papst sprechen, darüber, was von seinem Besuch in Deutschland bleiben könnte und wie das, was er gesagt – und wohl vor allem auch das, was er nicht gesagt hat – einzuordnen ist im Weltgeschehen.

Aber die vergangenen Tage haben auch gezeigt, dass der Papst und das Fernsehen nicht so gut zueinander passen, irgendwie fehlte das Spannende, das Überraschende – das Drama, die Tragik, all das fand woanders statt.

Vielleicht hatte Jauch auch deshalb Thomas Gottschalk zu seiner Papstsendung eingeladen, vielleicht wollte er an seinem dritten Talkabend auch nur endlich mal einen Gast haben, den er gut leiden kann, vielleicht wollte Jauch einfach mal ein bisschen Glamour haben nach Jürgen Klinsmann und Philipp Rösler, aber all das spielt keine Rolle, denn die Kanzlerin kam.

Wenn der Bundeskanzler in eine deutsche Talkshow kommt, dann kann kein anderer Gast daneben sitzen, das ist offensichtlich ein ungeschriebenes Gesetz des Fernsehens, und Günther Jauch hielt sich natürlich daran – den fehlenden Glamour glich er gleich zu Beginn aus, als er Angela Merkel mit Kaiserin Sissi verglich: Jauch sprach von „Schicksalsjahren einer Kanzlerin“, aber davon wollte Merkel nichts wissen, diesen Eindruck widerlegte sie in einer Stunde, sie widerlegte ihn auch gleich zu Beginn, als Jauch auf eine Studie verwies, die den Glückszustand der Deutschen untersucht hat – demnach sind die Hamburger die glücklichsten Deutschen, und da Angela Merkel in Hamburg geboren wurde, fragte er sie zunächst nach ihrem Glücksempfinden. Und während Günther Jauch bereits in seiner dritten Show so souverän wirkt, als habe er die ARD-Talkshow vor vielen Jahren alleine erfunden, wirkte die Kanzlerin zu Beginn ein wenig unlocker, sie antwortete platt, gestelzt, und als Fernsehzuschauer dachte man da: „Eine Stunde? Oh Gott...“

Aber die Redaktion scheint die Stunde Sendung immer besser in den Griff zu kriegen – die vier Einspielfilme waren zwar immer noch ein bisschen langweilig, dafür aber sinnvoll platziert, im ersten wurden Helmut Kohl und Roman Herzog zitiert, ihre Aussagen kann man als Kritik an Merkel werten, so muss sich Jauch nicht die Finger schmutzig machen. Merkel kontert die Kritik, indem sie noch mal daran erinnert, wie „wir“ in der Finanzkrise 2008 reagiert hätten – und mit „wir“ meint sie natürlich die Große Koalition, sich und Steinbrück und Steinmeier, und dabei schienen ihre Augen ein wenig zu glänzen. Und Jauch machte den einzigen Fehler an diesem Abend: Er hakte da nicht nach, er hielt sich an seinem Fragengerüst fest, er wollte, er musste jetzt wohl mit Merkel über die Vertrauensfrage sprechen, darüber, warum die Kanzlerin sie nicht stellt, aber die Kanzlerin dachte ja gar nicht daran, denn im Moment gehe es nur um eine Entscheidung in der Sache (Ausweitung des Euro Rettungsfonds) und dafür brauche sie ja nun mal keine Kanzlermehrheit. Und dafür bekam sie dann tatsächlich Zuschauerapplaus – es wirkte, also sei die Junge Union Zehlendorf vollständig erschienen.

Inhaltlich war es für den Fernsehzuschauer nicht leicht, denn Merkel und Jauch unterhielten sich auf Augenhöhe über den Euro, über Europa, über Griechenland und Stabilitätspakte, deshalb erklärte ein zweiter Einspielfilm in 60 Sekunden (bisschen billiges Stilmittel) worum es am Donnerstag bei der Abstimmung um den Eurorettungsschirm eigentlich geht. Und es mag sein, dass das nicht jeder verstanden hat, man konnte aber verstehen, warum Jauch erneut zu einer blauen Krawatte griff und diese Krawatte mit dem blauen Blazer der Kanzlerin korrespondierte: Blau passt perfekt zu dem rostbraunen Studio – kein zukünftiger Gast kann sich jetzt noch beschweren, dass er das nicht gewusst habe.

Was weiß man sonst noch nach dieser Sendung? Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Was weiß man sonst noch nach dieser Sendung? Zum Beispiel, dass Deutschland die D-Mark nie, nie, nie wiederbekommt – da kann man getrost von einem Machtwort der Kanzlerin sprechen. Man weiß auch, dass Jauch auch in Anwesenheit der Kanzlerin bisschen albern sein kann – sein Berlusconi-Frauen-Gag war nur leider zu schlecht, um Lacher aus dem Junge-Union-Publikum zu bekommen. Und man weiß, dass Angela Merkel in einer Fernsehsendung ungefähr eine halbe Stunde braucht, um die Souveränität zu bekommen, von der alle immer sprechen, die sie mal „im kleinen Kreis“ erlebt haben. Da macht es auch nichts, dass Merkel das berühmte Max-Weber-Zitat nicht draufhat. Der Soziologe sagte einst die Politik sei „ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“. Angela Merkel sagt über die Politik: „Das ist das Bohren dicker Bretter.“ Dick oder hart – schwer ist der Beruf.

Am Ende wollte Jauch aber dann doch noch, dass es emotional wird: Es ging, aber nur ganz kurz, um den Papstbesuch, und Jauch fragte Merkel nach ihrem Glauben – und da stockte die Kanzlerin zum ersten Mal. Jauch fragte weiter, nach der Bedeutung ihres Vaters, der vor drei Wochen gestorben war, und Merkel antwortete sehr ausweichend. Aber dann erzählte sie zum Schluss doch noch wie das damals war, nach der Wende, als sie keine Anstellung beim Bundespresseamt bekam, weil ihr Blutdruck zu hoch war, und Jauch sagt: „Und so hat sich ja am Ende doch noch ein Job für sie gefunden.“

Und zum Schluss wünscht Jauch der Kanzlerin noch eine glückliche Hand „im Interesse Deutschlands.“ Schöner hätte es der Bundespräsident wohl auch nicht formulieren können.

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