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Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf’m Sonnendeck. Oder im 2000-Quadratmeter-Schwimmbecken.
© Promo

Heiße Nächte in Miami: Luxus, Liebe und Verbrechen im Biltmore Hotel

Hier gab Johnny Weissmüller Schwimmunterricht, Esther Williams sprang ins türkisblaue Wasser - dieses Hotel ist die perfekte Kulisse.

Zwei Kilo Heroin liegen auf dem Tisch in der noblen Hotelsuite. Die Gangster wollen es krachen lassen, hier im „Biltmore“ in Miami. Da ist die Al-Capone-Suite gerade gut genug, mit ihren Designmöbeln, dem stuckverzierten Kamin, dem Himmelbett und den Deckengemälden mit den Everglades-Flamingos darauf. Aber dann kracht es unter den Drogendealern, bevor die Party überhaupt losgeht. In jenen Räumen, die ihren Namen tragen, weil Capone im 13. Stock des Biltmore-Turms ein Speakeasy betrieb und der Gangster Fatty Walsh hier erschossen wurde. So will es jedenfalls die Legende.

Vielleicht stammt das Einschussloch über dem Kaminsims aber auch von einer der vielen Actionszenen, die hier gedreht wurden. Zum Beispiel von Michael Bays „Bad Boys“ mit Will Smith von 1995. Bei besagter Schießerei rund um den Herointisch stapeln sich bald die Leichen in der Suite. Nur die schöne Julie (Téa Leoni) flüchtet über die Galerie auf den Balkon und rettet sich übers Querdach mit einem beherzten Sprung in den Pool.

Unmöglich, lacht Ernesto Aragon, der Concierge. Seit 1994 ist er im Biltmore der König unter den Concierges im altehrwürdigen Haus, er erinnert sich vage an den Dreh. Einen Sprung aus dieser Höhe würde keiner überleben, erklärt er. Der Pool ist flach, kaum zwei Meter tief, seit die Kriegsveteranen nach 1945 hier Wassergymnastik betrieben. Vorher war das Schwimmbad, das bei der Eröffnung 1926 als größter Hotelpool der Welt von sich reden machte, eine Showbühne. Esther Williams sprang bei den Wassershows vor tausenden Zuschauern vom eigens gemauerten Sprungturm ins blaue Nass, Johnny Weissmüller brach Rekorde und jobbte als Schwimmlehrer, bevor er als Tarzan berühmt wurde. Heute stürzen Wasserfälle von den beiden Plattformen, unsereins lässt sich gerne den Rücken vom harten Strahl massieren.

Action, hier? Man reibt sich die Augen ...

Ob die 3000 Soldaten das auch taten, damals in den 40er Jahren, als das Biltmore zum Lazarett umgebaut wurde? In den gut 400 Zimmern (heute sind es 273) standen die Betten dicht an dicht, sogar in der traumhaften Lobby mit ihren hohen Säulen und der mit Fresken bemalten Kassettendecke, selbst auf der Terrasse mit der grandiosen Aussicht über die tropischen Hügel des Golfplatzes bis zum fern schimmernden Atlantik. Jedenfalls wurde der Pool damals flacher gemacht. Heute fassen seine 2000 Quadratmeter „nur noch“ 2,3 Millionen Liter Wasser.

Turmhohe Sprünge? Abwegig. So ist das im Kino: alles Montage, Fiktion, Fake. Und das Biltmore spielt bereitwillig mit. Dabei könnte der Kontrast größer nicht sein. Ausgerechnet diese eher nach Mittelmeer denn nach Miami Beach anmutende Luxusadresse im Reichenviertel Coral Gables war oft Schauplatz für Thriller, Gangster- und Horrorfilme. Und für TV-Serien wie „Miami Vice“, „Burn Notice“ oder zuletzt die Footballer-Serie „Ballers“. Als das Hotel, das noch jeden Hurricane in Florida überdauert hat, in den 70er Jahren leer stand, trieben unter den hohen Gewölben der Loggien und Korridore sogar Zombies ihr Unwesen, im Trash-Film „Shock Waves“.

Action, hier? Man reibt sich die Augen, wenn die Spa-Member-Ladies es sich heute mit Champagner und Lunch-Häppchen nicht nur am, sondern dank Schwimmtabletts auch im Pool gut gehen lassen. Und erinnert sich an die Szene, in der Sylvester Stallone in „The Specialist“ (1995) ebendort einen Sprengstoffanschlag beobachtet, der über ein vom Kellner am Pooldeck serviertes Kaffeegedeck ausgelöst wird.

George W. Bush, J.Lo, Rapper Pitbull und John Travolta schlafen hier

So sind sie, die Amerikaner, denkt die Europäerin. Sie faken auch die Geschichte, bauen ein Hotel als europäische Stilkopie, mixen Renaissance, Gotik und Barock, maurische, spanische, venezianische, arabische Architektur und nennen es neomediterran. George Merrick, der Schöpfer des Biltmore, schuf in den 1920er Jahren auch das gesamte Viertel Coral Gables, eine grüne Oase voller Villen nach Palladio-Art, wo die Pfauen kreischen und der rummelige Ocean Drive in Miami Beach zwar kaum eine Autostunde entfernt, aber doch Welten weit weg ist.

Ein Schönheitswettbewerb lockte in den 1920er Jahren junge Frauen an den Venetian Pool.
Ein Schönheitswettbewerb lockte in den 1920er Jahren junge Frauen an den Venetian Pool.
© Biltmore

Und dann nutzen die Amerikaner dieses Arkadien samt Atrien, Säulenhallen und original gekachelten Brunnenhöfen nicht nur für die üblichen Hotel-Facilities, für Golfgelände, Yoga-Kurse und vier Restaurants, sondern auch als Staffage für ihre ureigenen Genres, für Hollywood und HBO. Wobei Hotels ja von Natur aus fabelhafte Kulissen sind. Hier ist jeder Gast ein Star, die Lobby eine Bühne für große und kleine Auftritte, der Zimmerschlüssel das Versprechen zu einem Set, nur für dich und die Deinen. Liebe und Luxus, Sex und Verbrechen im Schutz der Anonymität – Hotels sind seit je Kino im Kopf.

Du kommst an, gehst an der Holzvoliere mit den zwitschernden Vögeln vorbei zur Rezeption und bist, wer du willst. Wer ein Hotelzimmer bucht, bucht sich ein neues Ich gleich dazu. Und wenn das Hotel selber ein Star ist, steigen auch die Stars gern ab, die Schönen, Reichen, Mächtigen der Welt. Ins Biltmore kamen die Windsors, die Roosevelts und die Vanderbilts, Ginger Rogers, Bing Crosby. Die Clintons sind fast schon Stammgäste, signierte Fotografien des golfspielenden Ex-Präsidenten finden sich in der Eingangshalle, ebenso Erinnerungen an die Fotokünstlerin Annie Leibowitz. George W. Bush, Jennifer Lopez und der Rapper Pitbull nächtigten hier – und 2016 John Travolta.

Wobei man Wert legt auf Diskretion. Matthias Kammerer managt das Hotel seit 2013. Er sagt: „Wir machen es vorher nicht öffentlich, wenn ein VIP kommt. Oft wissen wir es nicht einmal.“

Der Sonntagsbrunch mit Kaviar, Hummern und Schokobrunnen ist Kult

Die Schauspielerin Peggy Hopkins Joyce kam zum Dinner.
Die Schauspielerin Peggy Hopkins Joyce kam zum Dinner.
© Biltmore

Sänger und Schauspieler buchen unter Pseudonym, erst in letzter Sekunde geben die Agenten deren Namen preis. Bei Staatsmännern ist das anders. Wenn hoher Besuch aus Washington angesagt ist, arbeitet man eng mit dem Secret Service zusammen, so Kammerer, ein gebürtiger Schweizer mit amerikanischem Akzent, der seit 25 Jahren in der internationalen Hotel- und Tourismusbranche unterwegs ist. Seine größte Herausforderung bisher: Obamas Vice-President Joe Biden war wegen eines Schneesturms steckengeblieben und wartete im Biltmore auf den Weiterflug. Gesperrte Straßen und strenge Sicherheitschecks waren die Folge, Kammerers Wagen wurde täglich von Hunden und Unterbodenspiegeln inspiziert.

Aber all diese VIPs sind nichts gegen das Biltmore selbst, dieser Diva von einem Hotel, dem Brachland und den Sümpfen abgetrotzt. Eine Diva mit Stil und ohne Allüren. Sie steht zu ihrer Geschichte, zu ihrem Traum vom alten Kontinent, der weithin sichtbar ist, weil der Turm eine Replik der Giralda darstellt, des Wahrzeichens von Sevilla.

Vor ihm schließen Hochzeitspaare gern den Bund fürs Leben, wenn sie sich nicht in dem neoromanischen Kirchlein das Jawort geben, das gleich am Fuß des Biltmore kauert. Bis zu drei Hochzeiten beherbergt das Hotel pro Wochenende, rund 120 im Jahr. Da kann es passieren, dass man nach der Morgenrunde im Pool vor einem der Holzfahrstühle steht und sich tropfnass im Bademantel nicht hineintraut, weil eine Braut in ausladendem Weiß ihrer Zukunft entgegenschwebt. Für eine indische Hochzeit mit 150 Gästen grasten mal Elefanten am Pool.

Die Miccosukee schippern die Touristen zu den Everglades-Alligatoren

Aber so gern das Biltmore sich verkleidet, mit seinen Gästen und den steinernen Grazien am Pool Lustspiele aufführt, so sehr wahrt es die Ruhe. Man kann es auch Dekadenz nennen. Wer beim Sonntagsbrunch am plätschernden italienischen Brunnen über Trump-Land, die Exilkubaner in Florida oder die in die Everglades vertriebenen und dort oft elend gestorbenen Native Americans nachsinnt, während der „Miami Herald“ mit einem Nachbarschaftskrieg wegen der Pfauenplage aufmacht, der ahnt einmal mehr, wie gespalten Amerika ist. Heute schippern die Miccosukee die Touristen auf Booten zu den Everglades-Alligatoren, auch nur eine Autostunde vom Biltmore entfernt. Sie nennen sich stolz Indianer, weil sie als einziger Stamm nie einen Deal mit der Regierung eingingen.

1940 übernachteten der Duke und die Duchess von Windsor im Haus.
1940 übernachteten der Duke und die Duchess von Windsor im Haus.
© Biltmore

Der Sonntagsbrunch ist übrigens Kult. Hier treffen sich die Betuchten der Gegend zum all you can eat mit Kaviar, Hummern, Austern und Schokoladenbrunnen. Man kann es nachgucken in der HBO-Serie „Ballers“. Da lebt ein junger Football-Star über seine Verhältnisse und lädt sämtliche Freunde dorthin ein. Die Szene war der einzige größere Dreh, seit Matthias Kammerer im Amt ist. Öfter kommen Anfragen für Werbespots, vorzugsweise am Pool. Die lehnt er meist ab, zu viel Unruhe für die Gäste. Wenn heute eine Filmcrew anrücken will, soll das Biltmore bitte selbst eine Hauptrolle spielen. Die Diva verlangt ein wenig Respekt.

Es spukt im Biltmore, Fatty Walsh geistert durch den Turm?

Gar nicht so leicht, fügt Kammerer hinzu, sie in Schuss zu halten. Eine Reha braucht das betagte Gemäuer gelegentlich schon. Alleine die Erneuerung der Klima- und der Warmwasseranlage verschlang kürzlich eine siebenstellige Summe. Die Fenster müssen runderneuert werden, denkmalschutzgerecht und nach den Regeln des Miami Hurricane Code. Dafür wurden eigens Schreinermeister angestellt und Maschinen erworben, um diskret bei laufendem Betrieb in den nächsten drei Jahren 800 Fenster auszutauschen. Wer das Biltmore managt, wird unweigerlich zum Denkmalpfleger und Ausstattungskünstler.

Der Rest ist Gelassenheit. Es spukt im Biltmore, Fatty Walsh geistert durch den Turm? Solche Schauermärchen beflügeln die Fantasie. Unsereins nächtigte schließlich gleich unter der Al-Capone-Suite und wurde nicht heimgesucht.

In der fünften Staffel der 80er-Jahre- Kultserie „Miami Vice“ nehmen Crockett und Tubbs einen Kronzeugen für einen Drogendealerprozess in Schutzhaft, auch sie buchen die berühmte Suite. Ihr Schützling ist bitter enttäuscht von dem Paradies, das sich vor seinen Augen ausbreitet, und er flüchtet für eine heiße Clubnacht übers Hoteldach. Was seine Feinde auf den Plan ruft und der Suite einmal mehr einen Kugelhagel beschert. Sicherer als das Hotel ist nur die Jacht weit draußen auf dem Meer. Keine schlechte Werbung fürs Biltmore.

Reisetipps für Miami

ANKOMMEN

Im Sommer fliegt Air Berlin von Tegel direkt nach Miami, Tickets ab 750 Euro. Billiger wird es ab September – allerdings mit Umsteigen. British-Airways-Flüge über London gibt es ab 400 Euro.

UNTERKOMMEN

Das „Biltmore“ ist ein Fünfsternehotel, das ab 270 Euro für ein Doppelzimmer zu haben ist. Wer den Sonntagsbrunch ausprobieren möchte, braucht eine dicke Geldbörse: 115 US-Dollar (100 Euro) kostet das Essen inklusive Champagner-Flatrate.

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