Service der Extraklasse: Diese Concierges erfüllen ihren Gästen beinahe jeden Wunsch
Eine Fahrt im Fesselballon, am liebsten sofort! Ein lebensgroßer Teddybär und bitte Karten fürs Finale der Fußball-WM.
„Ich möchte meine Frau überraschen.“ So harmlos fängt es häufig an. Beinahe ein bisschen beängstigend, was aus diesem Wunsch werden kann, wenn man ihn zufällig einem der Hotel-Concierges präsentiert, die auf beiden Reverskragen jeweils zwei gekreuzte, goldene Schlüssel tragen. Sie sind Teil der Vereinigung „Les Clefs d’Or“, der Goldenen Schlüssel. Und ihr besonderer Ehrgeiz besteht darin, mit ihren Ideen sogar denjenigen zu überraschen, der seine Frau überraschen will.
Möglich, dass die Frau unversehens in einem Fesselballon über den Vogesen schwebt. Dass sie in der First Class eines Flugzeugs Richtung Brasilien düst, wo Deutschland drauf und dran ist, Weltmeister zu werden. Gegen den Druck auf den Ohren schluckt sie Champagner. Eine andere hält plötzlich statt ihres soeben abgereisten Liebhabers als fusseligen Platzhalter einen lebensgroßen Teddy im Arm. Alles schon passiert.
650 internationale Concierges dieses Kalibers tagen Ende März im Berliner Maritim Hotel. Der Weltkongress der „Goldenen Schlüssel“ kommt jedes Jahr an einem anderen Ort zusammen. Hier werden die Verbindungen geknüpft, die später dafür sorgen werden, dass die Lösung nur zwei Anrufe entfernt ist, wenn zum Beispiel jemand seine Medikamente auf einem anderen Kontinent vergessen hat. An einem Samstagmorgen um 8 Uhr 30 in Berlin beginnt der „Education Day“, an dem auch die allwissenden Concierges noch etwas lernen können. In einem Saal unter Kronleuchtern gibt eine Trainerin Atemanweisungen. Was müsse man nicht jeden Morgen leisten: „Wake up, get up, show up.“ Aber auf welche Art tue man das?
Wie behält man in diesem Beruf volle Akkus?
Die Lobby, diese Riesen-Hotellobby, das natürliche Habitat des Concierge, verführt es nicht ein bisschen zum Herumstolzieren? Stephanie Piimauna knickt lässig in den Knien ein. Man tue gut daran, seine Körpersprache zu beobachten. „Und erinnert Euch: Stress sieht man.“ In der Körpersprache, in der Sprache sowieso, nicht zuletzt mutiere er zum Gesundheitsproblem. Drei Sorten Pausen empfiehlt sie, Exercise Break, Fun Break und Electronic Break: 30 Minuten am Tag nicht online sein. Ebenso wichtig wie die To-do-Listen seien die Not-to-do-Listen mit Dingen, die man unbedingt vermeiden sollte. Beschwörend sagt sie: „Das Telefon, es ist jetzt keine Ablenkung mehr, sondern nur noch ein Werkzeug.“
Der Concierge ist ja einer, der seinem Wesen nach immer gibt. All das Anverwandeln und Einfühlen in die inneren Zustände des Gastes, dessen Wünsche man erahnen soll. Wie behält man in diesem sozialen Beruf volle Akkus? Wie katapultiert man sich auf die Schnelle in einen energiegeladen Zustand? „Seien Sie albern“, sagt Piimauna und empfiehlt den „Peak-State-Roar“, eine Art Urschrei: „Ihr Bewusstsein wird es hassen, Ihr Unterbewusstsein wird es lieben.“
Wenn einem also ein Concierge in seiner „Peak-Condition“, das heißt, in der leistungsfähigsten Version seiner selbst, gegenübertritt, dann hat er wahrscheinlich am Workshop der Hawaiianerin Stephanie Piimauna teilgenommen. Möglicherweise hat er sogar in den 16 Sekunden, bevor er nach vorne trat, vier Sekunden eingeatmet, vier Sekunden die Luft angehalten und vier Sekunden ausgeatmet. Das seien sehr wenige Sekunden Aufwand, von denen ein Leben lang die Gesundheit profitiere.
Einfach zu höflich, diese Spezies
Der Concierge stellt im Gegensatz zu den anderen Schlüsselgewalten der Hotelbranche eine eigene Spezies dar. Im Gegensatz zu seinen Gästen reist er eben nicht ständig um die Welt, sondern bleibt Jahrzehnte an einem Ort. Sein Wissen und seine Beziehungen bauen sich über Jahre auf. So stellt das Alter auch keine Bedrohung dar – sondern einen unbezahlbaren Zuwachs an Erfahrung.
Es ist dann doch schwierig, sich mit einem Exemplar zu verabreden: „Wann wollen wir uns treffen?“ – „Wann passt es Ihnen denn?“ Einfach zu höflich, diese Spezies. Wie aus dem Nichts materialisiert stehen später alle am vereinbarten Treffpunkt.
Viele verwechseln Hotel-Concierges noch immer mit der klatschsüchtigen französischen Hauswartsfrau. Oder es reicht ihnen, dass im Hotel jemand die Koffer nach oben bringt. International wissen 38 Prozent der Hotelgäste gar nicht, was ein Concierge anzubieten hat. Viele empfinden Scheu. Doch neueste Zahlen sagen: Es nutzen wieder mehr junge Leute ihre Dienste. Chris Fradin, der Vizepräsident Europa des „Forbes Travel Guide“, sagt, die Definition von erstklassig habe sich geändert. Früher mussten Luxushotels zum Beispiel auf Nachfrage drei Restaurants zur Auswahl nennen. Heute müssen sie herauskitzeln, was der Gast mag, um dann eine einzige maßgeschneiderte Empfehlung zu geben. Früher mussten sie die Auswahl zeigen, heute die üppige Auswahl verkleinern.
Eine App prüft, ob sie "echt" rüberkommen
Angestellte sollen intuitiv die Bedürfnisse eines Gastes erfassen – dazu gehört auch die Wahrnehmung, dass viele Gäste von den erstklassigen Häusern, in denen die golden bekreuzten Concierges häufig arbeiten, eingeschüchtert sind. Es sind ja Hotels, in denen die Gäste nicht buchen, sondern verkehren. Also gilt: Beklemmung abbauen, Beschämung reduzieren.
Und Forbes liefert: Als Trainingstool hat der Reiseverlag eine App für Concierges entwickelt, die aus der aufgenommenen Stimme herausliest und bewertet, ob und wie viel eines bestimmten Gefühls in einer gewissen Situation vorhanden und angemessen ist. Concierges können also ab sofort technisch überprüfen, ob sie „echt“ rüberkommen. Ob da etwa zu viel Emphase ist, zu wenig Selbstbewusstsein, Anteilnahme oder Verbindlichkeit.
Trainiert wird an Dutzenden verschiedener Situationen: Ein euphorisierter Gast, ein verunglücktes Frühstück, ein notorischer Nörgler. Als internationale Reisetrends nennt Fradin ansonsten: „Multi-generational travelling“. Man könnte auch sagen: Familien verreisen gemeinsam. Und: Säfte. Säfte werden wichtiger.
Sie verwandeln Geld in Erlebnisse
Zwischen grandioser Nichtigkeit und echter Nähe pendeln die Beziehungen zum Gast. Die „Clefs d’Or“ begreifen sich als große Familie, und für den vielreisenden Hotelnomaden sind sie es vielleicht auch. Da ist die Rede von einem Gast aus Dubai, der seit 27 Jahren in dem selben Amsterdamer Hotel übernachtet. Die Beziehung zu seinem europäischen Stützpunkt ist so eng, dass er inzwischen auch in Amsterdam übernachtet, wenn er eigentlich eine Messe in Barcelona besucht. Für ihn ergebe das Sinn, erzählt ein Concierge aus seinem Hotel.
Die tatsächlichen Lobbyisten der Hotelbranche bemerken, wenn sie einen überarbeiteten Gast in den Urlaub schicken müssen. Und sie sind so nah dran, dass sie es auch sagen dürfen. Es bleibt nicht aus: Das Vertrauen wächst, mit einigen Gästen gehen sie Freundschaften ein. Es gibt Beziehungen zwischen Gast und Concierge, die auch den Wechsel in ein anderes Hotel überleben.
Der Italiener Giovanni Valenti, das inzwischen 72-jährige Urgestein der Branche, das seinen Platz in der Lobby des Mandarin Oriental in Hongkong seit über 32 Jahren hält, jetzt aber in ein Chesterfield-Sofa im Berliner Maritim-Hotel sinkt, wird von einem Italiener aus Mailand in Hongkong angerufen, um einen Tisch in Juan le Pin in Südfrankreich zu reservieren.
Er findet immer eine Lösung, "es sei denn, es ist illegal"
Valenti arbeitet an der Grenze, an der Geld sich in ein echtes Erlebnis verwandelt. Wo für Geld etwas zu haben sein soll, das man eigentlich nicht kaufen kann: Etwas mehr als das, worauf ein Mensch überhaupt Anspruch haben kann. Es geht auch um Erlebnisse, die im Prinzip unbezahlbar sind, aber deswegen eben doch nicht unerreichbar. Vorausgesetzt, man zupft irgendwo auf der Welt am richtigen Faden.
Giovanni Valenti steht immer noch an vier Tagen in der Woche in der Lobby seines Hotels. Diese Position zeichnete sich ab, seitdem 1979 jemand zu ihm sagte: „Hier hinten im Restaurant des Oriental bist du verschwendet. Du mit deinen vier Sprachen, du musst nach vorne.“ Seitdem findet Valenti immer eine Lösung, „es sei denn, es ist illegal“. Er hat in diesen 32 Jahren die Bühne bereitet für spektakuläre Heiratsanträge – ein eigenes Genre im Hotelwesen.
Wenn ein Gast sich auf die Schnelle 500 Hongkong-Dollar leihen will, nestelt er in seiner Hosentasche: bitteschön. Er verachtet den Computer, die wichtigsten Telefonnummern in Hongkong hat er ohnehin im Kopf. Bald will er ein Buch schreiben, es handelt davon, was vom Tage übrig bleibt – und natürlich wird es eine Rolle spielen, dass er Präsident Nixon die Hand gegeben, Prinzessin Diana betreut und mit Björn Borg Tennis gespielt hat.
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