Regisseur Werner Herzog: "Es gibt keine Formel für Wahrheit"
Werner Herzog ist einer der wichtigsten Filmemacher. Hier erklärt er, warum Geld träge und dumm macht – und er Angst vor seinem Spiegelbild hat.
Anmerkung: Dieses Interview wurde von Claas Relotius geführt, der mittlerweile zugegeben hat, mehrere Texte für verschiedene Medien insbesondere den Spiegel gefälscht zu haben. Auch in diesem Interview hat er nach eigener Aussage "einige Passagen verdichtet". Wir prüfen derzeit das Zustandekommen des Interviews und die einzelnen Passagen und werden das Interview nach der Prüfung gegebenenfalls löschen.
Herr Herzog, Sie leben seit mehr als 20 Jahren in Los Angeles. Bei öffentlichen Auftritten sieht man Sie seither fast immer in bayerischer Tracht. Sind Sie im Ausland zum Patrioten geworden?
Ich mag diese Kleidung, weil sie bequem ist. Aber der Grund, weshalb ich sie trage, ist vor allem, dass ich in der ganzen Welt als deutscher Filmemacher gelte. Dabei bin ich ein essenziell bayerischer Filmemacher.
Worin besteht der Unterschied zwischen der deutschen und der bayerischen Art, einen Film zu drehen?
Dasselbe fragte mich vor Kurzem ein Freund in Los Angeles, und ich kam plötzlich ins Schwitzen. In Amerika ist dies noch schwieriger zu erklären.
Was haben Sie denn geantwortet?
Na ja, dass die Bayern in Deutschland so etwas sind wie die Schotten in Großbritannien. Dass sie etwas Erdverwachsenes, Naturgewaltiges und zugleich sehr Herzliches in sich tragen, das man andernorts nicht finden kann. Man muss nicht allzu genau hinsehen, um dies in meinen Filmen zu erkennen.
Sie sind in München geboren, haben aber den Großteil Ihrer Kindheit in einem kleinen Bergdorf in den Alpen verbracht.
Ich war zwei Jahre alt, als München bombardiert wurde. Das Haus, neben dem wir wohnten, wurde eines Tages komplett zerstört, krachte genau in unseres hinein. Meine Mutter zog mich als Kleinkind aus den Ruinen. Sie war von diesem Tag an so verängstigt, dass sie mit mir und meinen Geschwistern in die Berge ging. Dort sind wir die nächsten elf Jahre geblieben.
Wie haben Sie dort gelebt?
Wir hatten kaum Geld, wohnten in einer schlichten Hütte. Es gab dort weder Strom noch Toiletten oder fließendes Wasser. Es war ein ziemlich einfaches Leben, das sich heute nur noch wenige Menschen in Europa vorstellen können. Bis ich zwölf war, hatte ich keine Ahnung davon, was ein Fernseher ist. Von Filmen wusste ich nicht einmal, dass sie existieren. Meinen ersten Telefonanruf machte ich mit 17.
Ist es ein Fluch oder ein Segen, so aufzuwachsen?
Für mich war es das größte Glück. Landschaften prägen Menschen. Sie werden zu Landschaften des Inneren, zu Erschütterungen der Seele. Im Dschungel wacht der Fiebertraum, in der Wüste die Hitze und Leidenschaft. In den Bergen wohnt die Sehnsucht. Die Weite des Horizonts macht etwas mit einem.
Was hat sie mit Ihnen gemacht?
Sie hat mir Fantasie eingepflanzt. Wer permanent auf die Spitze eines Berges blickt, der wird sich immer fragen, was wohl dahinter liegen mag. Und wer die Antwort nicht kennt, der beginnt, sich seine eigenen Antworten auszumalen.
Haben Sie die Größe der Welt erahnt?
Ich habe in erster Linie ihre Vielfalt erahnt, denn ich habe unglaublich viel gelesen. Auch das war ein Segen, weil ich noch heute davon zehre.
Wen haben Sie gelesen?
Erst Karl May, später dann Hemingway, Joseph Conrad, John Steinbeck, solche Sachen. Kinder, die heute groß werden, tun mir leid, weil das, was für sie die Welt ausmacht, nur noch winzige, gedankenleere Schnipsel auf Twitter oder Youtube sind. Sie werden nicht mehr die Erfahrung machen, wie es ist, die Welt durch intensive Beschreibungen zu begreifen. Wenn ich in Kalifornien Seminare an Filmakademien gebe, sage ich den jungen Leuten vor allem dies: Lest, verdammt noch mal! Wer nicht liest, wird nie ein guter Regisseur.
Sie haben später selbst Bücher geschrieben. „Die Eroberung des Nutzlosen“, ein Tagebuch, das Sie während der Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“ führten, sei besser als jeder Ihrer Filme, haben Sie einmal gesagt.
Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich habe nur gesagt, dieses Buch wird mich eher überdauern als meine Filme. Das ist ein Unterschied.
Gilt dies auch für Ihr 1974 veröffentlichtes Werk „Vom Gehen im Eis“, eine Meditation über das Wandern, Leben und Sterben?
Das wäre doch schön, wenn es so käme.
"Ich hätte bloß nicken müssen und Kinski wäre tot"
Es gibt Schriftsteller, die Sie für arrogant und größenwahnsinnig halten, weil Sie behaupten, es gebe keinen deutschsprachigen Autoren, der Ihnen das Wassser reichen könne.
Daran ist ganz und gar nichts Arrogantes. Ich finde in der deutschsprachigen Literatur nur einfach niemanden, der vergleichbar starke Prosa schreibt.
Klingt Größenwahn für Sie eigentlich nach Beleidigung oder nach Lob?
Das hängt davon ab, aus welchem Mund es kommt.
Für „Fitzcarraldo“ ließen Sie im peruanischen Regenwald einen 340 Tonnen schweren Flussdampfer ü vber einen Berg ziehen. Waren Sie dem Größenwahn da nahe?
Nein, gar nicht. Es war auch nie ein Selbstzweck, wie mir gerne unterstellt wird. Der Film machte dieses nie erprobte Unterfangen schlichtweg erforderlich.
Sie haben damit eines der größten ikonografischen Bilder der Filmgeschichte erschaffen.
Es ist ein archaisches, zutiefst menschliches Bild, das wahrscheinlich in den Träumen vieler von uns ruht. Ich habe es durch diesen Film lediglich benannt.
Die Ureinwohner, mit denen Sie drehten, boten damals an, Ihren Hauptdarsteller Klaus Kinski zu töten, wenn er nicht aufhörte, am Set herumzuschreien.
Dieses Angebot war sehr ernst gemeint. Ich hätte bloß nicken müssen, dann wäre Kinski allenfalls in einem Sarg nach Deutschland zurückgekehrt. Das Interessante daran war, dass die Leute im Dschungel, unglaublich stille Menschen, eher dazu bereit waren, einen Mord zu begehen, als ständiges Geschrei zu ertragen. Ein Impuls, den sicher auch viele Menschen in der sogenannten zivilisierten Welt in sich tragen, wenn Sie irgendwo im Zug sitzen und jemand zu laut telefoniert. Da wird der Impuls allerdings nicht in die Tat umgesetzt.
Bei den Dreharbeiten zu „Aguirre, der Zorn Gottes“ sollen Sie Kinski mit einem Gewehr bedroht haben.
Man musste Kinski zähmen. Er wollte eines Tages das Set verlassen, weil er sich über das Essen ärgerte. Das konnte ich nicht durchgehen lassen. Ich habe ihm gedroht, aber das Gewehr war nicht geladen.
Sie und Kinski sind sich schon lange vor Ihrer legendären Zusammenarbeit begegnet. Als Sie mit Ihrer Familie zurück nach München zogen, wurde der damals 24-jährige Kinski Ihr Mitbewohner.
Es war eine Verkettung von Zufällen. Meine Mutter hatte kaum Geld und zog mit uns Kindern in eine einfache Pension. Weil wir nicht viel bezahlen konnten und die Besitzerin eine Schwäche für Künstler hatte, ließ sie Kinski bei uns wohnen. Ich war damals 13 und hörte jede Nacht, wie er in seiner Tobsucht gegen die Wände schlug. Einmal hat er sich zwei Tage lang im Badezimmer eingeschlossen und alles, was darin war, kurz und klein geschlagen.
Erzählen Sie Ihren Filmkollegen im schillernden Los Angeles manchmal von Ihrer Herkunft, von Kinski und den Alpen?
Aber ja, vor allem von Letzterem.
Sind die Leute dann überrascht, dass Sie aus einer ganz anderen Welt kommen?
Im Gegenteil. Sie verstehen dadurch besser, warum ich so anders bin als sie.
Wie sind Sie denn?
Einfacher. Zurückhaltender. Genügsamer wohl auch.
Woran zeigt sich das?
Ich will nicht so tun, als führe ich ein bescheidenes Leben. Auch ich habe ein schönes Haus in Kalifornien. Aber ich bin nicht so sehr auf Luxus angewiesen. Ich besitze nur einen Anzug, den ich seit mehr als 25 Jahren trage. Auch meine Schuhe sind seit fünf Jahren dieselben. Schauen Sie nur! (krempelt ein Hosenbein hoch) Sie fallen allmählich auseinander, ich werde mir also bald neue kaufen müssen. Ein anstrengender Gedanke. Ich empfinde es als Last, mich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Ich habe nicht mal ein Handy.
"Hemingway hatte ganz recht"
Gehen Sie mit diesen Schuhen noch auf Partys?
Ich gehe nie auf Partys, aber ich lade gerne Leute zu mir nach Hause ein.
Lieber die große Runde oder den kleinen Kreis?
Nicht mehr als fünf oder sechs Personen, gerade so, dass man bequem an einem Tisch sitzen und sich unterhalten kann. Ein gutes Steak, ein guter Wein, kein Smalltalk, sondern ein echtes Gespräch – das ist mir am liebsten. Bei solchen Gelegenheiten fallen die Unterhaltungen dann manchmal auf meine Herkunft. Eigenartig ist dann immer, dass jeder meiner Freunde in Amerika glaubt, ich sei traumatisiert durch den Krieg und all das. Dabei hatten meine Brüder und ich die beste Kindheit, die man sich nur vorstellen kann. Wir hatten die ganze Landschaft für uns, konnten jeden Tag auf Berge klettern oder Fallschirm springen. Und wenn wir selbst gebastelte Kanonen oder Waffen bauten, waren nicht mal Väter da, um es uns zu verbieten.
Wann haben Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben einen Film gesehen?
Da war ich zwölf. In der Schule brachte der Lehrer eines Morgens einen alten Projektor und zwei Dokumentarfilme mit ins Klassenzimmer. Der eine handelte von Eskimos, die ein Iglu bauten, wobei mir als Junge vom Land schnell auffiel, dass sie sich dabei nicht besonders geschickt anstellten. Der andere handelte von einem Pygmäenvolk in Kamerun, das eine Brücke aus Lianen über einen Fluss im Urwald baute.
Das klingt nach Filmen, die auch von Ihnen stammen könnten.
Sie waren leider viel zu didaktisch. So etwas sehen Sie bei mir nicht.
Wodurch wurde also Ihre Begeisterung für das Kino geweckt?
„Zorro“ oder „Dr. Fu Manchu“ – die haben mich als Jugendlicher begeistert. Auch „Tarzan“ habe ich geliebt. Nachdem meine Familie wieder nach München gezogen war, ging ich bald sehr regelmäßig ins Kino. Ich hatte jedes Mal Herzrasen. Als ich 14 war, las ich in einem Lexikon, was ein Regisseur ist. Von diesem Augenblick an wusste ich, dass ich selbst Filmregisseur werden musste.
Stimmt es, dass Sie als junger Mann in einem Stahlwerk arbeiteten, um Ihre ersten Filme zu finanzieren?
Ja, als Schweißer. Ich war Anfang 20 und der Armut ziemlich nahe. Meine Altersgenossen machten bereits ihre ersten Universitätsabschlüsse. Manche bauten sogar schon Häuser und machten Karriere, während ich mit schlecht bezahlten Aushilfsjobs darum rang, Filme drehen zu können.
Ihr erster Kurzfilm „Herakles“ war eine zehnminütige Collage aus Kriegs- und Katastrophenbildern sowie Bodybuilder-Aufnahmen, verknüpft durch Texteinblendungen über die sagenhaften zwölf Anstrengungen des Herkules.
Wahrlich kein Stoff zum Geldscheffeln. Ich fühlte mich trotzdem als reicher Mann, weil ich das machen konnte, was mich am meisten faszinierte. Man hätte mich schon damals für jeden anderen Job mit Geld zuschütten können – es hätte mich nicht interessiert.
Von Hemingway stammt der Satz: „Wer über das Leben schreiben will, der muss es mindestens einmal erlebt haben.“ Haben Ihre Aushilfsjobs Sie auch als Autor und Filmemacher bereichert?
Ein Fehler, den viele Filmstudenten ja gerne machen: Sie schauen wahnsinnig viele Filme, lesen alles darüber. Sie studieren das Kino, aber nicht das Leben, und schließlich wundern sie sich, weshalb ihre Filme keine Seele haben. Hemingway hatte ganz recht. Jeder Schriftsteller oder Filmemacher sollte einmal als Taxifahrer gearbeitet haben oder in einem Schlachthaus oder als Türsteher in einem Sexclub. Hauptsache, raus aus der eigenen Komfortzone, dahin, wo es stinkt und wehtut. Wo nichts mehr mit Kino zu tun hat.
Hat Geld etwas Lähmendes?
Jeder Komfort hat auch seine Kehrseite. Geld erweitert nicht nur die Möglichkeiten, es macht einen auch träge, einfallslos und dumm. Entscheidend ist immer die Kreativität. Bist du in der Lage, eine Geschichte zu erfinden, die wirklich gut ist? Findest du die Mittel und Wege, andere von der Großartigkeit dieser Geschichte zu überzeugen? Kein Geld zu haben, darf nie eine Entschuldigung sein. Wer eine großartige Idee für einen Film hat, aber keinen Weg findet, diesen Film zu finanzieren, der würde am Ende wahrscheinlich auch einen miserablen Film drehen.
Glauben Sie das wirklich?
Unbedingt. Bei der Hälfte meiner Filme wusste ich noch während des Drehs nicht, woher ich das Geld nehmen sollte, das Projekt auch zu Ende zu bringen. Aber irgendwie – und manchmal auf sehr abseitigen Wegen – hat es immer geklappt. Viele denken, die Geldbeschaffung sei ein wirtschaftlicher Randaspekt des Filmemachens. Ich sage, es gehört essenziell zum Filmemachen dazu.
"Heute müssen Künstler Archäologen sein"
Herr Herzog, Sie sollen angeblich Ihre ersten Filme mit einer gestohlenen Kamera gedreht haben. Stimmt das?
Das Deutsche Institut für Film und Fernsehen in München hatte Dutzende Geräte, wollte mir aber nie eine Kamera leihen, weil man in einem Anfänger wie mir keine Zukunft sah. Also war ich gezwungen, sie zu entwenden.
Jean-Luc Godard hat einmal gesagt, er brauche nicht mehr als eine Kamera, ein Apartment und eine schöne Frau für einen Film. Was brauchen Sie?
Ich brauche eine Kamera und einen Ort, den noch kein anderer Mensch kennt.
Sie haben Dokumentarfilme in der halben Welt gedreht, reisten durch den Regenwald von Guyana, erzählten von Todeskandidaten in Texas, entdeckten Höhlenmalereien in Südfrankreich und trafen Aussteiger, die unter Grizzlybären in der Wildnis von Alaska leben.
In der heutigen Zeit müssen Künstler Archäologen sein. Wer schreibt oder Filme dreht, hat die Pflicht, immer wieder neue Orte auszugraben, unbekannte Bilder zu entdecken, die alles Bekannte infrage stellen.
Erzählen fremde Orte und Menschen mehr über uns als das Leben vor unserer Haustür?
Davon bin ich überzeugt, denn sie halten uns einen Spiegel vor, in den wir in unserer alltäglichen Umgebung niemals schauen würden.
Schauen Sie gerne in den Spiegel?
Ehrlich gesagt, nein. So gerne ich mich mit anderen Menschen und deren Geschichten beschäftige, desto unlieber beschäftige ich mich mit mir selbst. Ich vermeide es, in den Spiegel zu schauen, sowohl im metaphorischen als auch im ganz wörtlichen Sinne. Beim Rasieren kann man kaum darauf verzichten, aber wenn Sie mich fragen, welche Farbe meine Augen haben, dann kann ich Ihnen keine Antwort geben. Ich müsste in meinem Pass nachsehen.
Ihren Film „La Soufrière“ drehten Sie am Rande eines vor dem Ausbruch stehenden Vulkans, für „Lektionen in Finsternis“ wagten Sie sich zwischen die brennenden Ölquellen Kuwaits. Können Sie mit der Beschreibung Abenteurer etwas anfangen?
Dieser Ruf haftet mir an, aber ich verstehe nicht, warum. Unbestritten bin ich bei einigen Filmarbeiten in brenzlige Situationen geraten. Aber nicht um des Abenteuers wegen, sondern weil diese Filme es erforderten.
Ist der Akt des Filmemachens vor allem ein physischer?
Ich vertrete die Ansicht, dass Filme nicht aus Gedanken, sondern aus den Knien kommen. Wer erzählen will, wie es sich anfühlt, blutige Schweinehälften zu schleppen oder durch Sümpfe zu waten, der sollte genau dies schon mal erlebt haben. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Filmemacher in der Regel athletischere Typen sind als Maler oder Schriftsteller. Vor allem die wirklich guten.
Einen Woody Allen zählen Sie dann eher nicht dazu?
Es ist nicht unbedingt die Art von Kino, die mich interessiert.
Ihre Filme werfen einen ebenso dokumentarischen wie poetischen Blick auf die Welt. Liegt dies an Ihrer literarischen Prägung?
Diese hat jedenfalls dazu beigetragen, dass ich mich stets als Erzähler begreife. Manchmal entsteht dadurch Poesie.
Die Grenzen zwischen den verschiedenen Genres scheinen bei Ihnen immer wieder zu verschwimmen. Unterscheiden Sie überhaupt zwischen Dokumentarfilmen und Spielfilmen?
Davon habe ich nie etwas gehalten. Bei den meisten meiner Filme ist diese Grenze marginal. Ich habe Kinofilme wie „Fitzcarraldo“ gedreht, bei dem meine Methode weitgehend dokumentarisch war, da niemand von uns ahnen konnte, wie es ausgeht, wenn man versucht, einen tonnenschweren Flussdampfer über einen Berg zu ziehen. Niemand hatte je so etwas Ähnliches gemacht, also konnten wir wohl kaum damit planen, dass es gelingen würde. Der Spielfilm entwickelte sich demnach ganz aus sich selbst heraus, mit jeder Szene ein Stückchen vorwärts – eben wie bei einer Dokumentation. Umgekehrt habe ich auch Dokumentarfilme gedreht, die zwar für Zuschauer wie klassische Dokumentationen wirken, aber in jeder Einstellung erfunden und inszeniert waren wie ein Spielfilm.
Die meisten Dokumentarfilmer verfolgen den Anspruch, Wahrheit zu konstituieren und die Welt so abzubilden, wie sie ist.
Schon in diesem Anspruch liegt ein Widerspruch. Wenn ich die Welt so zeige, wie sie ist, oberflächlich also, dann stoße ich doch nie zu ihrer inneren Wahrheit vor. Es gibt freilich keine Formel für Wahrheit, schon gar nicht im Kino. Ist denn etwas weniger wahr, sobald ich es inszeniere? Oder bin ich womöglich in der Lage, gerade durch die Inszenierung eine viel tiefere, ekstatische Wahrheit sichtbar zu machen? Ich habe Dokumentationen gedreht, in denen so gut wie jedes Detail erfunden ist und die genau deshalb viel mehr Wahrheit enthalten als viele andere, die sich buchhalterisch an Objektivismus klammern.
Was macht Sie da so sicher?
Sie können meine Filme in Moskau, in Uganda oder in Santiago de Chile zeigen – jeder Mensch wird sie verstehen.
Claas Relotius
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