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In den denkmalgeschützten Wohnhäusern im Milieuschutzgebiet Weberwiese werden überteuerte „Serviced Apartments“ vermietet.
© Christoph M. Kluge

1400 Euro für 46 Quadratmeter: Wie ein Berliner den Mietendeckel umgeht und Höchstpreise kassiert

Der Mietendeckel gilt auch für möblierte Wohnungen. Doch nicht jeder Vermieter hält sich daran. In einer Grauzone werden Wucherpreise verlangt.

Das Wort „Mietendeckel“ hat Arjun Kumar noch nie gehört, obwohl er bereits seit 2017 in Berlin lebt. Der Inder hat vor Kurzem sein Masterstudium der Ingenieurswissenschaften absolviert. Er lebt mit drei Landsleuten in einer kleinen Zweizimmerwohnung in Friedrichshain. Für 46 Quadratmeter Fläche zahlt die Wohngemeinschaft 1400 Euro im Monat.

Das sind etwa 1000 Euro mehr, als der Mietendeckel zulässt. Doch der Vermieter fühlt sich offenbar nicht an das neue Gesetz gebunden, denn sein Geschäftsmodell bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone.

Eigentlich heißt Arjun Kumar anders, doch weil er befürchtet, sein Vermieter könnte ihm Schwierigkeiten machen, nennen wir ihn im Tagesspiegel Arjun Kumar. Der Mietvertrag sei befristet bis Februar, sagt er. Momentan arbeite er als Hilfsarbeiter und suche eine Stelle in seinem erlernten Beruf. Die Wohnung habe ein Bekannter vermittelt, ebenfalls ein Inder, wie viele seiner Nachbarn. In seiner Heimat sei es nicht ungewöhnlich, auf engem Raum zusammenzuleben, sagt er.

Der Vermieter heißt Orbis Apartments. Auf seiner Website bietet das Unternehmen zum Beispiel eine „prächtige Zwei-Zimmer-Wohnung“ mit 50 Quadratmetern in Friedrichshain an - möbliert. Drei Personen sollen dort für 1300 Euro im Monat wohnen können. Orbis Apartments bietet nach eigenen Angaben „mit über 125 Standorten im gesamten Stadtgebiet die größte Angebotsvielfalt an attraktiven Serviced Apartments in Berlin“.

Ein erheblicher Teil davon befindet sich im Wohnquartier Weberwiese zwischen Karl-Marx-Allee und Wedekindstraße. Das Areal ist geprägt durch Nachkriegsbauten im Stil des sozialistischen Klassizismus, die größtenteils denkmalgeschützt sind. 2016 hat der Bezirk das Gebiet zum Milieuschutzgebiet erklärt. Dadurch sollte vor allem die Umwandlung in Eigentumswohnungen verhindert werden.

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Bernd Lützeler lebt bereits seit 2004 in der Wedekindstraße und engagiert sich in der Weberwiese-Mieterinitiative. „Der Milieuschutz ist bereits im März 2015 beschlossen worden“, sagt er, „doch bis zum Inkrafttreten vergingen fast eineinhalb Jahre.” In dieser Zeit habe die damalige Eigentümerin, ein Unternehmen der Taekker-Gruppe, die Häuser bereits in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Daher greife der Milieuschutz nicht.

Gleichzeitig werden die Wohnungen verkauft

Lützelers Wohnhaus gehört heute der White Tulip GmbH. Die vermietet nach Tagesspiegel-Informationen einen Teil ihres Bestandes an die Orbis Apartments GmbH. Die wiederum vermietet sie dann weiter als Serviced Apartments mit befristeten Verträgen. Gleichzeitig werden dieselben Wohnungen als Eigentumswohnungen verkauft. Die Vermarktung erfolgt unter dem Label „54 East“ von einer Firma names Allmyhomes GmbH.

„Kapitalanleger freuen sich über die sichere und provisionsfreie Kapitalanlage“, heißt es auf deren Website, die eine „Rendite bis zu 3,2 Prozent p.a.“ verspricht. Lützeler vermutet, dass der Anbieter ein Schlupfloch nutzt, um die Wohnungen für Käufer attraktiver zu machen gleichzeitig in der Zeit bis zum Verkauf „möglichst viel rauszuholen“.

Vom Mietendeckel scheint das Angebot nicht betroffen zu sein. Doch ist das überhaupt möglich? Eigentlich legt das neue Gesetz Mietobergrenzen für alle Wohnungen fest und verbietet ausdrücklich Zuschläge für Möbel.

Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, sieht in den Serviced Apartments eine Umgehung des Mietendeckels.
Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, sieht in den Serviced Apartments eine Umgehung des Mietendeckels.
© Kai-Uwe Heinrich

Für Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, ist der Fall klar: „Die Regeln des Mietendeckels gelten auch für möblierten Wohnraum.“ Die Anbieter nutzten eine „spezielle Wohnungsnachfrage für eine möglichst hohe Rendite“ aus. Aus Sicht des Mietervereins handelt es sich also einfach um überteuerte Wohnungen.

Ein zweiter Wohnungsmarkt

Das hieße: Seit 23. November könnten die Mieter ihre Miete senken. Ist es wirklich so einfach? Fest steht: In den vergangenen Jahren ist in Berlin ein zweiter Wohnungsmarkt entstanden, der sich zwischen Wohnnutzung und Beherbergung positioniert. Dessen Angebote sind in der Regel zeitlich befristet und richten sie sich an Ausländer, die in Berlin zum Beispiel studieren oder in einem Tech-Start-up arbeiten wollen.

Diese Interessenten sprechen besser Englisch als Deutsch. Das deutsche Mietrecht ist ihnen zu kompliziert. Auf eigene Möbel legen sie weniger Wert als auf Flexibilität. Schließlich könnten sie schon in wenigen Wochen umziehen, um in New York oder Singapur zu arbeiten. Umstritten ist indes, ob es sich bei Serviced Apartments überhaupt um Wohnungen handelt.

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Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) zählt sie zu den Beherbergungsbetrieben, legt allerdings auch Standards fest. „Die Zimmer sind von ihrer Ausstattung her an privaten Wohnungen ausgerichtet“, heißt es auf der Website des Bundesverbandes. „Der Service reicht von sehr geringem Angebot bis hin zu einem hotelmäßigen Roomservice.“

Klare Regelungen fehlen

Letztendlich gibt es jedoch keine gesetzliche Regelung, die eine klare Grenze ziehen würde. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen will sich nicht festlegen: „Eine gewerbliche Nutzung liegt vor, wenn es sich um eine Beherbergung und nicht um die Vermietung von Wohnraum handeln würde“, sagt ein Sprecher. Das hänge „von der konkreten Fallkonstellation ab und lässt sich nicht pauschal beantworten“.

Offenbar fehlt es nicht nur an Regeln, sondern auch an Daten. „Das Segment der Serviced Apartments wird von den statistischen Ämtern nicht separat erfasst“, teilt Anett Gregorius von der Firma Apartmentservice mit. Das Berliner Unternehmen hat sich auf die Vermittlung von „temporärem Wohnen“ spezialisiert.

Ähnlich wie die Dehoga versteht die Agentur unter Serviced Apartments Wohnangebote, die „hoteltypische Dienstleistungen“ umfassen. Zum Beispiel eine Zimmerreinigung, die je nach Preisklasse täglich oder im 14-Tage-Rhythmus erfolgt. Außerdem werden nur „gewerbliche Objekte mit 15 oder mehr Einheiten in einem Gebäude“ dazu gezählt, also nicht einzelne Wohnungen in ansonsten regulär vermieteten Gebäuden.

Bei Investoren beliebt

Im Jahr 2016 gab es 3610 Serviced Apartments in Berlin, bis 2019 ist das Segment auf 4402 Einheiten gewachsen. Im Dezember 2020 wurden 4907 Einheiten gezählt. Damit liegt Berlin hinter München auf Platz zwei in Deutschland, was dieses Angebot angeht. Die durchschnittliche Auslastung fiel jedoch im Verlauf der aktuellen Krise. Im Jahr 2019 waren noch 81 Prozent belegt, im Mai 2020 nur noch 43 Prozent.

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Bei einer nicht-repräsentativen Umfrage des Immobiliendienstleisters Savills gaben 38 Prozent der Investoren an, weiterhin in Serviced Apartments investieren zu wollen. Gleichzeitig planen jeweils 31 Prozent weniger zu investieren, ebenso viele wollen ihre Investments jedoch erhöhen. Savills zufolge flossen in Berlin zwischen Januar und November 2020 mehr als 99 Millionen Euro in dieses Marktsegment. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2019 waren es 127 Millionen Euro.

Wandbild am Fußgängerdurchgang von der Gubener Straße zur Lasdehner Straße.
Wandbild am Fußgängerdurchgang von der Gubener Straße zur Lasdehner Straße.
© Christoph M. Kluge

Arjun Kumar lebt nicht wie in einem Hotel. Statt eines Reinigungsdienstes stellt der Vermieter lediglich eine Waschmaschine und Putzmittel bereit. Außerdem sind Handtücher und Geschirr vorhanden – die typische Ausstattung einer möblierten Wohnung. Es gebe nur ein Doppelbett, zwei der Männer schliefen auf einem Sofa, sagt Kumar. Dort hätten sie einmal Bettwanzen gefunden. Der Vermieter habe ihnen die  Kammerjäger-Kosten in Rechnung gestellt.

Der Tagesspiegel wollte vom Vermieter Orbis Apartments wissen, wie aus Friedrichshainer Altbauwohnungen Hotels werden konnten, erhielt aber mehrfach keine Antwort. Für die Hausverwaltung ist ein Unternehmen zuständig, das wie der Eigentümer White Tulip früher zur Taekker-Gruppe gehörte. 2017 hatte der dänische Investor den größten Teil seiner Berliner Immobilien im Rahmen eines „Share Deals“ an die britische Firma Round Hill Capital verkauft.

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