Immobilien im Lockdown: Vom Hotel zur Homebase auf Zeit
Beherbergungsbetriebe suchen nach Lockdown, Shutdown und Checkout nach Alternativen.
Es war ein Haus mit Charme, das Hotel Riehmers Hofgarten vis-à-vis vom Kreuzberger Rathaus in der Yorckstraße. Jetzt steht es verlassen da. Im Eingang vor der Spiegelwand stehen ein paar Bierflaschen und leere Einkaufswagen vom Discounter. Im einstigen Restaurant stapeln sich neben einer Porzellanterrine einige wahllos abgehängte Bilder. Irgendwann im letzten Sommer hat sich das Hotel sang- und klanglos verabschiedet.
Einige hundert Meter weiter, in Richtung Schöneberg: Dort weisen ein paar Schilder darauf hin, dass in einem Neubau an der Möckernstraße das „Ginn City & Lounge Yorck Berlin“ auf Gäste wartet. Der ursprünglich geplante Eröffnungstermin am 15. Oktober 2020 ist aber verstrichen. Die Türen sind verschlossen.
Die Betreiberin, die Berliner Gold-Inn- Gruppe, verweist auf bauliche Mängel in den Bädern, die noch ausgebessert werden müssen. Nun sei mit einer Eröffnung wohl frühestens im kommenden Februar zu rechnen. Dann könne das Haus mit 121 Zimmern und Rooftop-Terrasse – am Rand des genossenschaftlichen Bauprojekts Möckernkiez gelegen – in Betrieb gehen. Touristen dürften jetzt ohnehin nicht einchecken. Wegen der Corona- krise steht es schlecht um die Branche. Allenfalls Geschäftsreisenden sind Hotelübernachtungen erlaubt.
So stehen viele Häuser leer, manche haben aufgegeben. Die Flaute in Kreuzberg steht exemplarisch für die gesamte Branche mit rund 700 Adressen in Berlin. „Die Situation seit Mitte März kann man nur als katastrophal bezeichnen“, sagt Thomas Lengfelder. Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Berlin. Schon vom 15. März 2020 bis Anfang November gerechnet, betrage das Umsatzminus rund 75 Prozent. In der aktuellen Phase des Teil-Shutdowns steuert der Verlust auf 90 Prozent zu. Fast jedes dritte Hotel in Berlin sei in seiner Existenz gefährdet, schätzt Lengfelder. Sollte die Krise bis zum Frühjahr 2021 andauern, werde die Zahl der Insolvenzen wohl deutlich höher liegen, so seine Befürchtung. Und wie könnten die Häuser gerettet werden? „Leider geht dies aktuell nur mit umfangreichen Staatshilfen“, sagt der Lobbyist.
Hotels suchen neue Betriebskonzepte
Inzwischen suchen einige Investoren schon nach Alternativen zum herkömmlichen Hotelbetrieb. Hannibal DuMont Schütte, Geschäftsführer des Serviced-Apartmentbetreibers „Stayery“, geht mit einem 2019 eröffneten Haus in der Holteistraße in Friedrichshain neue Wege. Er bietet Berlin-Gästen eine „Homebase auf Zeit“. Sie können für ein Wochenende oder auch für sechs Monate eine geschlossene Räumlichkeit mit einer Küchenecke („Kitchenette“) nutzen. Die voll ausgestatteten Apartments mit verschiedenen Serviceangeboten wie TV-Chill-Area und Automaten-Späti im Haus bieten modernes Design und eignen sich sowohl für berufliche wie auch für touristische Aufenthalte in Zeiten ohne Corona. DuMont Schütte setzt zum Beispiel auf eine enge Zusammenarbeit mit Start-ups und anderen Unternehmen.
Einar Skjerven, Geschäftsführer der gleichnamigen Immobilien-Gruppe, sieht aktuell die Chance, in die Jahre gekommene Hotels für mobile Berufstätige fit zu machen. „In Berlin gibt es eine ganze Reihe von Vier-Sterne-Häusern mit vergleichsweise großen Zimmern, die dringend eine Auffrischung benötigen. Im derzeitigen Umfeld scheint es sinnvoll, diese vom Markt zu nehmen und einer Nutzung für längere Aufenthalte zuzuführen“, sagt er dem Tagesspiegel: „Als vorteilhaft erweist sich dabei die Gewerblichkeit. Denn unter dem Mietendeckel sind flexible Wohnangebote kaum wirtschaftlich zu betreiben.“
Für Dehoga-Chef Lengfelder sind Umnutzungen von Hotels kein Tabu: „Dazu wird es sicher auch kommen.“ Die Frage sei, ob sich der Tourismus überhaupt in naher Zukunft von dem Coronaschock erholen werde. Ohne Bars und Clubs verliere Berlin an Attraktivität. „Ob man dann überhaupt noch so viel Wohnraum benötigt, ist aktuell nicht vorhersehbar“, sagt Thomas Lengfelder.
Gegenüber dem Vorschlag der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, leere Hotelzimmer als Quarantänestationen für Erkrankte mit leichten Symptomen zu nutzen, zeigt sich die Dehoga aufgeschlossen. „Das ist grundsätzlich eine gute Idee“, findet Lengfelder, „die Hotellerie wäre bestimmt dafür zu gewinnen.“ Es sei aber zu gewährleisten, dass die Krankenhausgäste entsprechend durch qualifiziertes Personal versorgt werden. „Nach der Pandemie müsste das Hotel dann natürlich fachgerecht gereinigt und desinfiziert werden“, sagt der Dehoga-Mann. Von Notlösungen, wie dem coronabedingten Arbeiten in einem Vier-Sterne- Haus statt daheim hält Lengfelder nichts: „Es heißt ja auch Homeoffice und nicht Hoteloffice.“
Das Umsatzminus seit März liegt bei 75Prozent
Die Krise der Hotellerie spiegelt sich auch auf dem Immobilieninvestmentmarkt wider. Dort ist das Transaktionsvolumen, also die Größenordnung der Verkaufsgeschäfte, nach Angaben der Marktbeobachter von JLL (Jones Lang LaSalle Incorporated) im dritten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum in Deutschland um 46 Prozent zurückgegangen. „Die Hotellerie musste gravierende Einbußen hinnehmen, die Belegungsraten sind bei vielen Hotels existenzgefährdend“, so Heidi Schmidtke, Managing Director der JLL Hotels & Hospitality Group. Für die Zeit nach der Coronakrise würde sich der Fokus von Investoren jetzt mehr auf zentrale Lagen fokussieren. Hier wird eine Erholung der Märkte zuerst zu spüren sein, glaubt das Immobilienberatungsunternehmen. „Die Erwägung alternativer Nutzungsarten“ spiele ebenfalls eine Rolle. So habe man bei Verkäufen mit einem kleineren Volumen von unter fünf Millionen Euro festgestellt, dass viele Objekte zum Zwecke der Umwidmung zu Wohnraum erworben wurden. Heidi Schmidtke wagt eine Prognose: „Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend in den nächsten Monaten vielerorts zeigen und auf die großen Häuser ausweiten könnte.“
Auf Investorenseite sei ein auffälliges Interesse an Ferienhotellerie zu bemerken, hat man bei JLL festgestellt. Während es sich bei Reisezielen an der Küste oder in den Bergen häufig um ein ausgeprägtes Saisongeschäft handele, spiele das beim Städtetourismus eine nicht so große Rolle.
Im vergangenen Jahr zählte Berlin noch 34 Millionen Gästeübernachtungen. Im Corona-Jahr 2020 waren es bis Ende September gerade einmal elf Millionen. Christian Tänzler, Tourismuswerber von der offiziellen Plattform visitBerlin, verweist auf alternative Angebote in der Krise: „So haben wir neue Zielgruppen beworben, zum Beispiel mit der Aktion "Erlebe Deine Stadt" speziell für Menschen aus Berlin und Brandenburg.“ In mehr als 70 Hotels konnten sie vergünstigt Urlaub von zu Hause machen. Damit habe man bisher schon „mehr als 3000 Zimmer“ verbucht. Der Anteil der ausländischen Touristen ging verständlicherweise stark zurück. Kamen vor Beginn der Krise 45 Prozent der Gäste aus anderen Ländern, so sind es seit Corona nur noch 15 Prozent. Das Virus wird bis auf Weiteres das Buchungsgeschehen bestimmen.