Rückblick auf das Schuljahr 2017/18: Berlins Schulen: Mangel, Mobbing und Millionen
Endlich Ferien? Das Berliner Schuljahr 2017/18 geht zu Ende. Ein Rückblick auf ungelöste Probleme und schlechtes Management.
LEHRERMANGEL
Beim Lehrermangel wurde zum Schuljahresbeginn 2017/18 eine neue Negativmarke gerissen: Erstmals waren über 50 Prozent der neu eingestellten Grundschullehrer Quereinsteiger. Die andere – knappe – Hälfte bestand nur zum Teil aus Grundschullehrern.
Ansonsten mussten Oberschullehrer und andere Pädagogen, die allesamt nicht für die Alphabetisierung oder Mathematisierung ausgebildet sind, die Lücken füllen. Auf alle Schulformen bezogen lag der Anteil an Quereinsteigern bei den Neueinstellungen im Sommer 2017 bei 40 Prozent. Im kommenden Schuljahr werden wie berichtet sogar die Quereinsteiger nicht reichen. Die Senatorin spricht von einem "Gap" und meint damit 500 fehlende Lehrer.
SCHULBAUOFFENSIVE
Das Schuljahr war schon weit fortgeschritten, als im April 2018 endlich der 5,5-Milliarden-Euro-Schulbaufahrplan vorgelegt wurde – viele Monate später als angekündigt. Inzwischen verfestigt sich die Befürchtung, dass der Fahrplan schon beim Erscheinen Makulatur war. Prominentes Beispiel: Die Spandauer Carlo-Schmid-Schule steht mit 12,7 Millionen Euro Sanierungsbedarf in dem Plan, inzwischen heißt es aber, dass 30 oder 35 Millionen Euro fällig werden könnten. Nicht nur der Bezirksbürgermeister fordert daher einen Neubau statt Sanierung.
Auch beim Personal gibt es Engpässe: Gerade vermeldete Steglitz-Zehlendorf, dass es im Hochbauamt kaum noch Elektroingenieure gebe, die nicht zuletzt für die Planung der Schulsanierungen nötig wären. Zudem gab es eine Verzögerung bei der Gründung der bezirklichen Schulbaugeschäftsstelle, da nach dem Abgang der Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ins Bundeskabinett nicht klar war, ob Neukölln die Institution wie geplant aufbauen soll. Inzwischen sind die Würfel zwar gefallen. Aber bis der Berliner Schulplatzmangel in Lichtenberg, Pankow und anderen Bezirken behoben ist, wird es lange dauern.
KONSULATSUNTERRICHT
Jahrzehntelang konnte die türkische Regierung nach Belieben Einfluss nehmen auf türkischstämmige Schüler – mittels ihres Konsulatsunterrichts. Aber erst die Willkürakte Ankaras nach dem Putschversuch führten dazu, dass der Senat zumindest ein Alternativangebot organisierte: Zum zweiten Halbjahr starteten 21 Arbeitsgemeinschaften in den Klassenstufen 1 bis 3. Geleitet werden sie von Lehrern des Landes Berlin.
Für diese AGs gibt es offenbar reges Interesse: Zum neuen Schuljahr werde das Angebot verdoppelt und örtlich bis Klasse 6 ausgedehnt, teilte die Bildungsverwaltung auf Anfrage mit. Erstmals werden auch in Spandau und Reinickendorf Türkisch- AGs angeboten. Die Bildungsverwaltung kann noch nicht sagen, wieweit die Teilnehmerzahl am Konsulatsunterricht durch die AGs abgenommen hat.
Womöglich um den schwindenden Einfluss an den staatlichen Schulen zu kompensieren, versucht das Amt für Auslandstürken nach Informationen der „Zeit“, eine neue „Wochenendschule“ zu etablieren – mit Heimatkunde-, Sprach- und Religionsunterricht.
DISKRIMINIERUNG UND MOBBING
Zu den vorherrschenden Themen des vergangenen Schuljahres gehörten Diskriminierung und Mobbing in allen denkbaren Ausprägungen. Besondere Aufmerksamkeit erregte im März ein Fall an der Tempelhofer Paul-Simmel-Grundschule, wo muslimische Kinder mindestens ein Mädchen verbal bedroht hatten, weil es sich nicht zum Glauben an Allah bekannte.
Als die Kinder erfuhren, dass der Vater des Kindes jüdisch ist, gab es zudem antisemitische Töne. Die Eltern beanstandeten, dass die Schule nicht angemessen reagiert habe. Ein schwerer Fall von antisemitischem Mobbing an der Zehlendorfer John-F.-Kennedy-Schule wurde erst vergangene Woche bekannt. Dem betroffenen Schüler geht es so schlecht, dass er zurzeit nicht die Schule besucht. Der Schule wird vorgeworfen, nicht frühzeitig interveniert zu haben, obwohl es Anzeichen für das Mobbing gegeben habe.
VERWALTUNGSVERSAGEN
Der Umgang der deutsch-amerikanischen John-F.-Kennedy-Schule mit dem jüngsten Mobbingfall lenkt den Blick auf die Führungskrise in der Schule: Seit Jahren sind die Posten der deutschen Schulleitungen nicht vollständig besetzt. Angeblich wurden bei der Ausschreibung mindestens einer der beiden Stellen Fehler gemacht. Der Fall ist symptomatisch: Auch bei der Besetzung der Leitungspostens an der Internationalen Nelson-Mandela-Schule in Wilmersdorf gab es in der Vergangenheit Pleiten, Pech und Pannen, nachdem der vorletzte Leiter mit Hinweis auf „die Art und Weise des Umgangs mit der Schule“ nach London gewechselt war.
Zurzeit muss die Schule für rund sechs Monate ohne ihren Leiter Harald Miebs auskommen, der stattdessen laut Bildungsverwaltung „die Schulaufsicht bei der Erarbeitung der Gesamtstrategie Schulqualität“ unterstützt. Bei Eltern und Lehrern löste diese nebulöse Auskunft eine Mischung aus Verwunderung und Empörung aus, zumal Miebs dringend gebraucht würde, um die neue internationale Schule („Mandela II“) zu etablieren. Miebs wird vertreten durch den Leiter der Poelchau- Schule, Matthias-Carsten Rösner.
PROBLEMBEZIRK
Besonders häufig fiel Tempelhof-Schöneberg mit negativen Nachrichten auf – was daran liegt, dass der Bezirk ein Doppelproblem hat: ein ebenso überforderter wie unwirscher Bildungsstadtrat mit einem personell ausgedünnten Schulamt sowie eine – bis vor kurzem – unterbesetzte Schulaufsicht. Entsprechend schlecht geht es einigen Schulen im Bezirk. Bestes Beispiel: die Spreewald-Schule, die jahrelang auf eine reparierte Schließanlage wartete. An den Punkten, an denen die Schulaufsicht das Versagen des Bezirksamtes hätte ausgleichen können, hoffte die Schule vergebens.
Aber auch andere Schulen sind auf den Barrikaden. Die Elternschaft des Eckener-Gymnasiums etwa schickte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bildungsstadtrat Oliver Schworck (SPD), weil sie sich mit der Raumnot allein gelassen fühlte. Noch elementarer sind die Probleme an der Johanna-Eck-Schule, wo es dem Vernehmen massive Probleme zwischen Teilen des Kollegiums und der Schulleitung gibt. Auch hier wurde - zumindest in der Anfangsphase der Krise - zunächst vergebens auf eine präsente Schulaufsicht als Krisenlöserin gehofft; ebenso wie am Rheingau-Gymnasium, wo die Abiturienten am Dienstag auf die Straße gehen wollten.
VOREILIGE VERSPRECHUNGEN
Auch enttäuschte Erwartungen gehörten zum Schuljahr: Rot-Rot-Grün hatte eine Brennpunktzulage und eine Entlastung für Quereinsteiger versprochen.
Beides ließ lange auf sich warten, weil es keine ausreichenden Klärungen zwischen Parlament und Bildungsverwaltung gab, bevor der Millionenposten in den Haushalt eingestellt und die Öffentlichkeit unterrichtet wurde. So verstärkte sich in den Schulen der Eindruck, dass sie nicht nur von der Bildungsverwaltung sondern auch vom Parlament allein gelassen werden.