Nach Abzug des Sicherheitsdienstes: Neue Gewaltvorfälle an Berliner Spreewald-Schule
Gewalt, Exhibitionismus, Angst: Eine Schöneberger Grundschule kommt nicht zur Ruhe. Doch der Bezirk will keinen Wachschutz an Schulen – anders als Neukölln.
Alle Warnungen haben sich bewahrheitet: Die Gefahrenlage an der Spreewald-Schule im Schöneberger Norden spitzt sich nach dem Abzug des Wachschutzes wieder erheblich zu. Zuletzt musste sich die Schulleiterin am Mittwoch mit mehreren Mitarbeitern und Kindern bis zum Abend im Schulgebäude einschließen, weil ein gewalttätiger Übergriff durch einen Vater zu befürchten stand.
Nachmittags war die Mutter der Kinder nach Informationen des Tagesspiegels im Schulgebäude mutmaßlich aus Angst kollabiert. Eine Mitarbeiterin der Grundschule wurde am 16. Mai Opfer eines exhibitionistischen Übergriffs auf dem Bürgersteig direkt vor der Schule. Am Freitag tauchten schulfremde Männer im Theaterraum auf.
Ereignisse wie diese sind aber offenbar weiterhin kein Grund für den Bezirk, einen Wachschutz zu finanzieren. Dies sei bei einem Treffen mit einem Vertreter des Schulamts am Donnerstag deutlich geworden, sagte Rektorin Doris Unzeitig am Freitag. Der Bezirk verweise weiterhin auf die – nach Jahren – reparierte Gegensprechanlage sowie auf einen Zaun, der das Grundstück schützen soll. Allerdings ist der Zaun noch längst nicht in Sicht.
Zudem kann die Gegensprechanlage nicht benutzt werden, weil die Sekretärin auf Kur ist und somit niemand kontinuierlich den Eingang im Auge haben kann. Daher muss die Tür weiterhin offen stehen.
Fremde benutzen die Schultoiletten
Was an anderen Schulen normal ist – nämlich die unverschlossene Eingangstür – wird in dem unübersichtlichen Gelände zwischen Gleditsch- und Pallasstraße zum Problem. Das dicht zugewucherte große Grundstück mit dem Dachgarten wird nicht nur am Wochenende von Partygängern und Touristen belagert, sondern ist auch werktags ein beliebter Aufenthaltsort: Schulfremde benutzen sogar die Schultoiletten, berichtet Unzeitig.
Den Pädagogen sei es kaum möglich, die Kinder auf dem Gelände und im Gebäude ausreichend zu schützen. Hinzu kommt, dass Eltern mitunter während der Schulzeit auf das Gelände kommen, um Mitschüler ihrer Kinder wegen Streitigkeiten zu bedrängen. All dies hatte im Winter dazu geführt, dass die Schulkonferenz die Beauftragung eines Wachschutzes bis zu den Sommerferien beschloss und Unzeitig ihn ab März aus Mitteln des Bonusprogramms finanzierte.
Die Bildungsverwaltung untersagte ihr dann aber, die Bonusmittel dafür zu nutzen, so dass die Wachschützer Anfang Mai gehen mussten – trotz der zwischenzeitlich eingetretenen und von Eltern und Pädagogen ausdrücklich gelobten Verbesserung der Gesamtlage an der Schule.
Unterschiedlicher Umgang mit Wachschutz
„Die jüngsten Ereignisse sind ein Indiz dafür, dass der Abzug des Sicherheitsdienstes eine voreilige Entscheidung war, die der realen Situation an der Schule nicht gerecht wird“, lautet die Einschätzung der schulpolitischen Sprecherin der Grünen im Bezirk, Martina Zander-Rade. Alle Beteiligten sollten „daraus lernen, dass die Schulen vor Ort in der Regel besser einschätzen können, was sie benötigen, als eine Senats- oder Bezirksverwaltung das kann“. Zander-Rade leitet auch den bezirklichen Schulausschuss.
"Die Schule soll in Frieden arbeiten"
Die Bezirke gehen unterschiedlich mit der Wachschutzfrage um: Während der Bildungsstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck (SPD), es ablehnt, diese Notlösung zu finanzieren, entscheiden seine Parteifreunde in Spandau und vor allem in Neukölln unter ähnlichen Bedingungen anders. „Für mich ist das Entscheidende, dass die Schule in Frieden arbeiten kann“ sagte der Vizevorsitzende des Philologenverbandes, Ferdinand Horbat, dem Tagesspiegel. Das sei zurzeit ohne den Wachschutz nicht möglich. Horbat ist auch Mitglied der Spreewald-Schulkonferenz. Schworck äußerte sich auf Anfrage nicht.
Die Polizei bestätigte am Freitag auf Anfrage, dass im Falle des Exhibitionisten eine Anzeige vorliegt. Das Landeskriminalamt ermittelt.
Aber auch Bezirksamt und BVV haben mit der Schule oft zu tun: Die Außenanlage ist zum Teil so marode, dass sie nicht mehr als Fluchtweg taugt. Darum kann die Schule ihre Mensa nicht nutzen.