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Der Sanierungs- und Neubaubedarf wurde zunächst auf fünf Milliarden Euro geschätzt, aber das reicht nicht.
© Kai-Uwe Heinrich

Rot-rot-grüner Senat: Berliner Bezirken droht im Schulbau die Entmachtung

Der Finanzsenator will eigene GmbHs für Sanierung und Neubau gründen. Jetzt wird gestritten, welche Kompetenzen die Bezirke verlieren und ob die alle mitspielen.

Die bezirklichen Hochbauämter stehen möglicherweise vor ihrer Entmachtung: Der Senat will sich an diesem Dienstag mit der Zukunft des Berliner Schulbaus befassen und stellt dabei die jetzige Aufgabenverteilung zur Disposition. Angedacht sind „zwei bis vier“ neue GmbHs, die die Zuständigkeiten der Hochbauämter bündeln. Dass alle Bezirke dabei von Anfang an mitmachen, ist allerdings unwahrscheinlich. Am Montag sah es eher so aus, als wenn es auf unterschiedliche Starttermine hinauslaufen würde. Offen ist auch die Frage, ob neben den Schulbauten auch die übrigen öffentlichen Gebäude von den neuen GmbHs mitbetreut werden sollen: Die Schulbauten machen etwa 70 Prozent der bezirklichen Immobilien aus.

Während Rot-Rot-Grün am Montag intern über die unterschiedlichen Ansätze bei der Umstrukturierung debattierte, stellte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) schon einmal klar, wo er hinsteuert: „Um den enormen Investitionsbedarf in Schulen zu stemmen, sollen künftig neben den Bezirken, die ja Schulträger sind, auch bezirksübergreifende Dienstleister für die Bezirke tätig werden“, teilte seine Sprecherin Eva Henkel auf Anfrage mit. Darüberhinaus soll es so sein, dass „ab einer Größenordnung von zehn Millionen Euro die Bezirke von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie bei großen Neubauquartieren auch von einer Wohnungsbaugesellschaft unterstützt werden“. Bei der Wohnungsbaugesellschaft, die präferiert wird, handelt es sich um die Howoge.

Schon jetzt werden Kitas gleich mitgebaut

Damit kommt Kollatz-Ahnen auf den Ansatz zurück, der bereits vor einem Jahr von der SPD vertreten worden war, um Zeit beim Schulbau zu sparen: Angesichts der personell ausgedünnten Hochbauämter wäre es andernfalls kaum denkbar, dass Berlin es schafft, die neuen 30 bis 40 Schulen zu bauen, die gebraucht werden. Da es auch bisher schon üblich ist, dass Wohnungsbaugesellschaften im Rahmen großer Bauvorhaben Kindertagesstätten gleich miterrichten, ließe sich dies, so die Überlegung, auch auf die Schulen übertragen.

Den größten Bedarf beim Neubau haben in den kommenden zehn Jahren Lichtenberg und Pankow, wo mit 30 bis 40 Prozent mehr Schülern gerechnet wird. Pankows Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU) begrüßte die Überlegung, GmbHs für den Schulbau zu gründen. Dann wäre es möglich, Baufachleute und Architekten mit übertariflichen Gehältern zu gewinnen, was die Bezirksämter selbst nicht dürfen, Dies ist aber dringend nötig, um überhaupt Personal zu finden. Allerdings folgt daraus für Kühne nicht, dass die Bezirke entmachtet werden müssen: Er meint, dass die GmbHs nur in „Amtshilfe“ für die Bezirke zeitlich begrenzt die große Schulbauoffensive flankieren sollten.

Welche Kompetenzen werden verlagert?

Womit man schon mitten in der entscheidenden Frage steckt: Welche Kompetenzen sollen die Bezirke überhaupt verlieren? Wie sollen die Prozesse künftig ablaufen? Überlegt wird, dass die Baustadträte den Aufsichtsrat ihrer jeweiligen GmbH bilden. Dort könnten sie aber nur bedingt die eigenen Interessen verfolgen, weil die jeweilige GmbH im laufenden Geschäft um eine objektive Prioritätensetzung bemüht sein müsste.

Die Befürworter der GmbH-Lösung führen aber nicht nur den Vorteil der übertariflichen Bezahlung ins Feld, sondern weitere Vorteile, darunter die Möglichkeit, Mittel überjährig einzusetzen: Sie verfallen also nicht. Zudem könnten Gelder flexibel von einer Baustelle zur anderen übertragen werden – je nach aktueller Notwendigkeit, sagt ein Befürworter.

Ob all dies die Bezirke überzeugt, bleibt abzuwarten: Dem Vernehmen nach gibt es erheblichen Diskussionsbedarf – parteiübergreifend, zumal unter Umständen auch die gesamte Unterhaltung der Gebäude bis hin zu den Hausmeisterdiensten an die GmbHs übergehen könnten. All dies wird diskutiert.

Über 80.000 Schüler kommen hinzu

Viel Zeit bleibt nicht: Die neue Struktur soll vor der Sommerpause beschlossen werden, denn es gibt viel zu tun: Durch An- und Neubau von Schulgebäuden müssen die Kapazitäten erweitert werden, um bis 2025/26 Platz für rund 70.000 neue Schüler - allein im öffentlichen Bereich, insgesamt sind es weit über 86.000 - zu schaffen; zudem muss die Gebäudesubstanz durch „ausreichenden baulichen Unterhalt“ gesichert und der aufgelaufene Sanierungsstau abgearbeitet werden; und schließlich müssen die Verfahren insgesamt beschleunigt werden, damit nicht mehr acht Jahre vergehen, bis eine Schule gebaut ist.

Die Schulbauoffensive als Ganzes umfasst ein Volumen von rund 5,5 Milliarden Euro, von denen 2017 bereits knapp 530 Millionen fließen sollen. Allein die akuten Sanierungsmaßnahmen – ohne Sportplätze und Freiflächen – betragen rund 1,6 Milliarden Euro, von denen rund 380 Millionen Euro 30 „Großsanierungsfälle“ betreffen“.

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