Wahl des EU-Parlaments: Diese Berliner Politiker wollen nach Europa
Am 26. Mai ist Europawahl. Wer soll Berlin vertreten? Ein Überblick von der Gewerkschafterin über einen Alt-Grünen bis zur Unermüdlichen – im vierten Anlauf.
Die Landeswahlleiterin hat das Lineal angelegt: 94 Zentimeter lang sind die Stimmzettel für die Europawahl, die ab Montag in den Briefwahlstellen der Stadt von den wahlberechtigten Berlinern angefordert werden können. Insgesamt 40 Wahlvorschläge stehen zur Abstimmung, 16 mehr als 2014.
Dazu gehören die etablierten Parteien, aber auch viele Exoten wie die Gruppe „Menschliche Welt – für das Wohl und Glücklichsein aller“, das „Bündnis C – Christen für Deutschland“ oder die „Partei für Volksabstimmung, Souveränität und Heimatschutz“. Und wie sind die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien aufgestellt? Ein Überblick.
SPD
Die Berliner Sozialdemokraten gehen mit der Gewerkschafterin Gaby Bischoff in den Europawahlkampf. Sie arbeitet seit 2008 beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und war bis März im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss aktiv. Mit Platz 9 auf der SPD-Bundesliste kann Bischoff fest damit rechnen, ins EU-Parlament einzuziehen.
Der Landesverband hat, wie schon bei der vorigen Europawahl, ein Wahlkampfbudget von etwa 200.000 Euro zur Verfügung. Hinzu kommen die Aktivitäten der Bundespartei in Berlin, dazu gehören teure Großplakate und eine Europakundgebung am Breitscheidplatz Mitte Mai. Bischoff will mit vielen Auftritten im Kiez punkten, begleitet von Roten Bussen; eine Sonderzugfahrt nach Polen und ein Auftritt am Gendarmenmarkt gehören auch zum Wahlkampfprogramm der Sozialdemokraten.
Vor fünf Jahren kam die Landes-SPD auf 24 Prozent der Stimmen. Offiziell will die Partei dieses Ergebnis halten, doch im schlimmsten Fall drohen 15 Prozent oder weniger. Die Sozialdemokraten sprechen von einer Schicksalswahl. Nicht wegen einer drohenden Wahlschlappe, sondern wegen des „Aufstiegs der Populisten und einer Rückkehr zu nationalem Egoismus“.
Dem will die SPD den Kampf für ein soziales, friedliches und klimabewusstes Europa entgegenstellen. „Die politische und soziale Integration Europas wollen wir weiter vorantreiben“, beschloss die Landes-SPD auf einem Parteitag Ende März. „Wir stehen für die Interessen der abhängig Beschäftigten ein.“
CDU
Im vierten Anlauf soll es klappen. Nachdem CDU-Spitzenkandidatin Hildegard Bentele bereits 2004, 2009 und 2014 für das EU-Parlament kandidiert hatte, allerdings stets auf aussichtslosen Listenplätzen, steht die 42-jährige Vize-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus nun an der Spitze der Landesliste.
Auf Listenplatz 2 landete Mittes Schulstadtrat, Carsten Spallek, dessen Einzug aber als sehr unwahrscheinlich gilt. Bentele, auslandserfahren und in der vergangenen Legislaturperiode europapolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, erklärte jüngst: „Wir wollen die Europa-Partei in Berlin sein.“
So soll ein Europabezug in der Berliner Verfassung verankert und ein Ort geschaffen werden, „an dem sich Europa in der Stadt konkretisiert“. In ihrem Bundesprogramm konzentriert sich die CDU auf die Themen Migration, Außen- und Sicherheitspolitik, Globalisierung und Digitalisierung.
Besonders werben will die CDU um jene Wahlberechtigten, die aus dem europäischen Ausland nach Berlin gezogen sind: mit Schwerpunkt auf Digitalkampagnen, die gezielt ausgespielt werden. Der finanzielle Aufwand sei vergleichbar mit dem der Bundestagswahl 2017, erklärte Generalsekretär Stefan Evers. Aus der Geschäftsstelle der Partei hieß es, rund 150.000 Euro stünden zur Verfügung.
Am 15. Mai plant die Berliner CDU einen Auftritt der Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, am 17. Mai soll Manfred Weber, Frontmann der Europäischen Volkspartei, in Berlin auftreten. Auf dem Landesparteitag einen Tag später ist eine Europa-Grundsatzrede von Gesundheitsminister Jens Spahn geplant.
Offen ist, ob die Christdemokraten ihr Wahlergebnis aus dem Jahr 2014, 20 Prozent, werden halten können. In Berlin steht die Partei aktuell knapp darunter, im Bund bei rund 30 Prozent der Stimmen.
GRÜNE
Der langjährige Europapolitiker Reinhard Bütikofer kann sich mit Platz 4 der Bundesliste ebenso wie die nächstplatzierte Hannah Neumann gute Chancen ausrechnen. Aber auch Erik Marquardt und Sergey Lagodinsky könnten laut aktuellen Umfragen demnächst ins Europaparlament einziehen.
Das Wahlkampf-Budget liegt bei rund 100.000 Euro. Außerdem hat der Landesverband den Kreisverbänden 75.000 Euro für den Wahlkampf zur Verfügung gestellt, zusätzlich zu deren eigenen Budgets.
Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2017 lag das Budget des Landesverbands bei 210.000 Euro, bei der Abgeordnetenhauswahl bei 1,65 Millionen Euro – da dort eine eigene Kampagne mit eigener Agentur und Plakaten entwickelt wurde.
Die Grünen planen vom 5. bis 12. Mai eine Europa-Woche mit Aktionstagen. Mit den Europa-Kandidaten ist ein Speeddating geplant.
Das grüne Wahlprogramm zur Europawahl steht unter dem Motto „Europas Versprechen erneuern“. Ziel der Grünen ist es unter anderem, die Klimakrise zu bekämpfen, Europas Demokratie zu verteidigen und für sozialen Ausgleich innerhalb Europas zu sorgen.
Die Wahlaussichten der Grünen sind gut. Aktuell auf einem Höhenflug schwebend, dürfte die Partei in Berlin ihr Ergebnis aus dem Jahr 2014 (19,1 Prozent) eher noch übertreffen. In Berlin-Umfragen lag die Partei zuletzt konstant bei über 20 Prozent der Stimmen, in Umfragen zur EU-Wahl liegt sie bundesweit zwischen 16 und 19 Prozent.
LINKE
Die Berliner Spitzenkandidatin Martina Michels hat im Europaparlament im Ausschuss der Regionen einiges für die Metropolregion bewirkt. Mit Platz 5 der Bundesliste hat sie gute Chancen auf den Wiedereinzug, Malte Fiedler auf Platz 8, ebenfalls aus Berlin, eher weniger.
Die Linke hat für den Wahlkampf einen Gesamtetat von 61.500 Euro und als Unterstützerin der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ noch einmal 3.000 Euro. Die Linke hat bereits im vergangenen Jahr auf einem Parteitag die Unterstützung der Initiative beschlossen und baut das geplante Volksbegehren in die Wahlkampagne ein.
Auch Unterschriften werden gesammelt. Insgesamt sollen rund 30.000 Plakate für den Europawahlkampf aufgehängt und zehn Litfaß-Säulen beklebt werden. Das Wahlkampf-Budget für die Abgeordnetenhaus-Wahl belief sich 2016 auf 900.000 Euro.
Das Wahlprogramm „Europa nur solidarisch“ wurde im Februar beschlossen. Spitzenfunktionäre beschworen ihre Genossen, eine klar proeuropäische Haltung einzunehmen. Das ist ein deutlicher Gegensatz zur EU-Fundamentalkritik des rechten Lagers. Die Partei will Europa nicht den Rechten überlassen und fordert ein solidarisches Europa mit sozialen Standards, Frieden und Schutz öffentlicher Güter vor Privatisierung.
Der Landesverband organisierte im März verschiedene Wahlcamps und eine Basiskonferenz. Auf dem Landesparteitag am 11. Mai wird die Europawahl thematischer Schwerpunkt sein. Die Linke arbeitet aktiv im Vorbereitungsbündnis für die Demonstration „Ein Europa für alle – deine Stimme gegen Nationalismus“ am 19. Mai mit. Die Abschlussveranstaltung der Bundespartei wird am 24. Mai am Alexanderplatz stattfinden.
Offen ist, ob die Linke ihr Ergebnis aus dem Jahr 2014 (16,2 Prozent) wiederholen kann. In Umfragen zur Europawahl lag die Partei im Bund zuletzt bei Werten zwischen sechs und neun Prozent der Stimmen. Würde aktuell in Berlin gewählt, käme die Partei dagegen auf 18 bis 19 Prozent der Stimmen.
AfD
Der Berliner Landesverband zieht mit Nicolaus Fest auf Platz 6 der Bundesliste in den Wahlkampf. Der Einzug des ehemaligen Redakteurs der „Bild“-Zeitung gilt als sicher. Fest trat der AfD im Jahr 2016 bei, kandidierte 2017 auf der Landesliste für den Bundestag, verpasste jedoch den Einzug.
Ebenfalls auf der Bundesliste: Abgeordnetenhausmitglied Thorsten Weiß und Michael Adam, Sprecher der AfD Pankow. Weiß landete auf Rang 14 der Liste und kann damit auf seinen Einzug in das EU-Parlament hoffen, für den auf Platz 17 gelisteten Adam dürfte es aller Voraussicht nach nicht reichen.
Inhaltlich setzt die AfD im Wahlkampf vor allem auf EU-Kritik. Auf einer Klausurtagung der Abgeordnetenhaus-Fraktion posierten deren Mitglieder, darunter Weiß, zuletzt hinter einem Banner mit der Aufschrift: „Freiheit statt Brüssel“. In ihrem Programm fordert die AfD ein „Europa der Vaterländer“, den Rückbau europäischer Kompetenzen, sie lehnt eine europäische Armee ab und plädiert für eine „Rückkehr zu nationalen Währungen“.
Das Wahlkampfbudget liegt bei rund 100 000 Euro. Umfragen sehen die AfD in Berlin aktuell bei zwölf Prozent, bundesweit steht die Partei mit Blick auf die Europawahl zwischen zehn und zwölf Prozent. Klar ist: Ihr Ergebnis aus dem Jahr 2014, als die AfD 7,9 Prozent der Stimmen erhielt, dürfte die Partei steigern.
FDP
Die Liberalen ziehen mit Carl Grouwet, Mitglied des Bezirksvorstands von Friedrichshain-Kreuzberg, in den Wahlkampf. Der 53-Jährige wurde in Belgien geboren und leitet aktuell das Büro des Bundestagsabgeordneten Hartmut Ebbing. Grouwet rangiert auf Rang 12 der FDP-Bundesliste, seine Chancen auf einen Einzug in das Europaparlament sind eher gering.
Den Schlussspurt für den Wahlkampf will die FDP auf dem Bundesparteitag Ende April in Berlin starten. Der Wahlkampf wird dezentral von den Bezirks- und Ortsverbänden organisiert. Dazu gehört der klassische Straßen- und Veranstaltungswahlkampf mit Flugschriften und Plakaten. Zudem wird der „Zielgruppendialog via Facebook, Instagram, Twitter“ intensiviert, die Landesgeschäftsstelle unterstützt die Arbeit durch eine neue (Teilzeit-)Kraft für das Social-Media-Management.
Das Budget des FDP-Landesverbands für den Wahlkampf liegt bei rund 60 000 Euro. Angesichts der aktuellen Umfragen im Bund und im Land könnte die FDP im oberen einstelligen Bereich landen – eine deutliche Steigerung zu 2014: Damals landete die FDP bei 2,8 Prozent.