Neue Streiks drohen: Berliner Lieferdienst Gorillas reagiert auf Forderungen der Beschäftigten
Die Geschäftsführung kündigt Verbesserungen der Arbeitsbedingungen an. Die Proteste treffen das Start-up in einer heiklen Phase.
Der Express-Lieferdienst Gorillas reagiert auf Proteste und Streiks von Beschäftigten. Das Start-up verzeichnet nach eigenen Angaben „große Fortschritte bei der Umsetzung seines Maßnahmenplans“ zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Kurierfahrer:innen, die sogenannten Rider. Das teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Dennoch könnte es bald weitere Proteste geben, denn ein Ultimatum läuft aus.
Das Gorillas-Management steht seit Wochen in der Kritik. Die Beschäftigtengruppe „Gorillas Workers Collective“ (GWC) wirft dem Berliner Start-up vor, die Rider schlecht zu bezahlen. Außerdem seien Arbeitsschutz und Ausstattung mangelhaft. Bei einem Protest vor der Unternehmenszentrale Ende Juni hatten die Streikenden in einer spontanen Versammlung eine Liste mit Forderungen formuliert.
Ein zentrales Anliegen: Das Unternehmen solle Fahrräder mit Gepäckträgern zur Verfügung stellen. Bisher werden alle Lieferungen in Rucksäcken transportiert, zum Teil mit einem hohen Gewicht von über zehn Kilogramm. Das führe zu Rückenverletzungen und sogar zu Unfällen. Die Streikenden forderten außerdem gleiches Gehalt für gleiche Arbeit, unbefristete Arbeitsverträge sowie zwei freie Tage in Folge für alle Vollzeitbeschäftigten.
Ultimatum läuft am Montag ab
Für die Erfüllung dieser und weiterer Forderungen setzte die Gruppe der Geschäftsführung ein Ultimatum bis zum Montag, 12. Juli um 15 Uhr. Der Vize-Deutschlandchef von Gorillas, Harm-Julian Schumacher, nahm die Forderungsliste entgegen und versprach Besserungen. Einige Tage darauf brachen erneute spontane Streiks aus, diesmal wegen fehlender Regenkleidung.
Nun hat Gorillas nach eigenen Angaben Lösungen für einen Teil der Missstände gefunden. In der Presseerklärung heißt es, fortan werde es Gewichts-Anzeigetafeln in den Lagern geben, außerdem kleinere Rucksäcke für die Rider und “neue interne Richtlinien”, um zu schwere Lieferungen zu vermeiden. Von Gepäckträgern ist dort jedoch keine Rede.
Ein „neu eingeführtes Tool“ werde fortan die Schichtplanung erleichtern und eine genaue Zeiterfassung für die Lohnabrechnung gewährleisten. Außerdem habe der „Rider Support“ nun mehr Mitarbeiter. Dieses Team ist für die Anfragen und Beschwerden der Kuriere zuständig. Mehrere Rider sagten dem Tagesspiegel gegenüber, dieses Support-Team leiste bisher, wenn es überhaupt erreichbar sei, kaum echte Hilfe im Alltag. Glaubt man Gorillas, dann soll sich das nun ändern.
„Die Rider stehen für uns im Vordergrund. Ihnen ein gutes Arbeitsumfeld zu bieten, ist Teil unserer DNA“, beteuert der Gründer und Geschäftsführer Kağan Sümer. „Deshalb stellen wir alle Rider zu einem fairen Stundenlohn sozialversicherungspflichtig an. Bei uns gibt es keine Subunternehmer und keine Solo-Selbständigen.“ Das „rasante Wachstum“ des noch jungen Unternehmens habe dazu geführt, „dass wir Systeme und Strukturen nachziehen mussten“, sagt Sümer.
Angeblich 90 Prozent zufriedene Rider
Das Unternehmen teilte außerdem mit: Eine „interne Zufriedenheitsumfrage“ habe ergeben, dass über 90 Prozent der Rider den Lieferdienst-Anbieter als Arbeitgeber an ihre Freund:innen und Familien weiterempfehlen würden. Noch in der vergangenen Woche hatte das Unternehmen den eigenen Beschäftigten per Mail mitgeteilt, dass 59 Prozent der Rider mit ihren Arbeitgeber weiterempfehlen würden, 31 Prozent „neutral“ eingestellt seien und zehn Prozent „kritisch“. Auf Rückfrage teilte ein Unternehmenssprecher dem Tagesspiegel mit, 90 Prozent der Befragten hätten mindestens sieben von zehn möglichen Punkten vergeben, würden also Gorillas empfehlen.
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Die Proteste und negativen Schlagzeilen treffen Gorillas in einer heiklen Phase. Einem Bericht der Zeitschrift „Capital“ zufolge soll Sümer aktuell auf der Suche nach Risikokapital in Höhe von einer Milliarde US-Dollar sein. Potenziellen Investoren soll das Unternehmen demnach einen sehr ambitionierten Plan vorgestellt haben, der unter anderem viele neue Lagerhäuser und eine Erweiterung des Sortiments auf bis zu 2.700 Artikel vorsieht. Außerdem seien automatisierte Lager mit Robotern und sogar eine Gorillas-Kreditkarte im Gespräch, berichtet Capital.
So ein massiver Ausbau könnte auch an anderer Stelle zu Ärger führen. Bereits jetzt beschweren sich Anwohnende in Pankow, Kreuzberg und mittlerweile auch in Mitte über Lärm durch Lieferfahrzeuge und von Kurier-Fahrrädern zugestellte Gehwege. Mehrere Bezirksämter haben Verfahren eingeleitet.
Erbitterter Kampf um Marktanteile
Unterdessen tobt der Konkurrenzkampf auf europäischer Ebene. Mit dem Express-Lieferdienst Flink und dem türkischen Anbieter Getir rivalisiert Gorillas in mehreren Märkten gleichzeitig. Die Wettbewerber bieten ein fast identisches Angebot und bauen ihre Kapazitäten sehr schnell aus. Fast zeitgleich eröffneten zum Beispiel Gorillas und Getir in diesem Jahr Filialen in Amsterdam und London, aktuell treten beide in den italienischen Markt ein.
Und schon im August wird das Berliner Dax-Unternehmen Delivery Hero seinen in Asien bereits erfolgreich etablierten Lieferdienst Foodpanda an den Start bringen – zuerst in Berlin, dann in anderen europäischen Metropolen.
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