Radkuriere im Regen: „Gorillas“-Fahrer streiken für wetterfeste Arbeitskleidung
Weil ihre Kleidung durchnässt war, legten Gorillas-Fahrer in Berlin-Pankow die Arbeit nieder. Beschäftigte in Kreuzberg schlossen sich dem Streik an.
Beschäftigte des umstrittenen Lieferdienstes Gorillas streikten am Mittwoch in zwei Berliner Lagerhäusern des Unternehmens. Sie forderten wetterfeste Regenkleidung für die Fahrradkuriere, die sich selbst Rider nennen. Das Beschäftigtenkollektiv „Gorillas Riders Collective” (GWC) rief erneut zu Protesten auf, unterstützt von einigen Gruppen aus der linken Szene. Die Geschäftsführung von Gorillas widerspricht den Vorwürfen.
„Der Regen ist furchtbar”, sagte ein Rider dem Tagesspiegel am späten Nachmittag vor dem Lagerhaus in der Elsa-Brändström-Straße in Pankow. Er berichtete, dass der Streik schon wieder beendet sei. Einige Stunden zuvor hatten die Rider die Arbeit niedergelegt. Dann setzte er sich auf ein Elektrofahrrad, um Lieferungen auszufahren. Die Kleidung des Mannes war augenscheinlich durchnässt. Ebenso wie die eines anderen Riders, der vorbeifuhr.
Die Rider tragen bei der Arbeit Jacken und Hosen, die von dem Unternehmen gestellt werden. Den ganzen Tag über hatte es in Strömen geregnet.
Doch offenbar gab es nicht genug Regenjacken für alle. Am Nachmittag hatten einschlägige Accounts in den sozialen Netzen dazu aufgerufen, den Streik zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt nahmen die Beschäftigten in Pankow ihre Arbeit jedoch schon wieder auf.
Etwa zeitgleich starteten ihre Kolleg:innen in Kreuzberg einen zweiten Protest, diesmal mit Ankündigung auf Twitter, Telegram und Instagram. Zwar kamen nur etwa drei Dutzend Unterstützer:innen. Doch die Belegschaft hörte auf zu arbeiten. Das Lagerhaus musste den Betrieb zeitweise komplett einstellen.
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Bestellungen waren nicht möglich für Kunden und Kundinnen in der unmittelbaren Umgebung. Bei früheren Protesten war es dem Gorillas-Management zum Teil gelungen, solche Ausfälle spontan auszugleichen. Beschäftigte aus nahegelegenen Standorten fuhren dann die Lieferungen aus. Doch heute war das offenbar nicht möglich.
Normalerweise arbeiten im Lagerhaus in der Muskauer Straße nach Auskunft von Beschäftigten zwischen 15 und 20 Rider pro Schicht, außerdem etwa sechs „Picker”, also Kommissionierer. Deren Aufgabe ist das Zusammenstellen der Lieferungen. Sie packen die Waren in Papiertüten und übergeben sie an die Rider.
Die Touren werden, ebenso wie die meisten alltäglichen Abläufe, über eine spezielle Smartphone-App koordiniert. Die meisten Beschäftigten haben diese App auf ihren privaten Smartphones installiert. Diensthandys sind nicht üblich.
Unternehmensführung widerspricht den Vorwürfen
„Das Wohlergehen unserer Rider ist uns wichtig”, teilte der Gorillas-Unternehmenssprecher Tobias Hönig dem Tagesspiegel am Mittwochabend mit. Er widersprach der Darstellung der Protestierenden. Alle Rider würden mit „einer vollständigen Regenuniform, bestehend aus Cape und Regenhose mit Regenfüßlingen” ausgestattet. „Diese Ausstattung steht in allen Lagern in ausreichender Stückzahl zur Verfügung, was wöchentlich überprüft wird. Im Gegensatz zu anderen Lieferdiensten haben unsere Rider zudem die Möglichkeit, sich zwischen Bestellungen in unseren Warehouses aufzuhalten.”
Der Sprecher räumte ein, dass die Ausstattung bei starkem Regen wie am Mittwoch „nicht vollständig vor dem Nasswerden schützt”. Allerdings rechtfertige das nicht diese Form des Protests. „Diesen Umstand als Anlass für einen spontanen Streik ohne Rechtsgrundlage zu nehmen und zu weiteren Streiks in anderen Warehouses aufzurufen, können wir nicht nachvollziehen.”
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Die Arbeitsniederlegungen bei Gorillas sind so genannte „wilde Streiks”, weil sie nicht von einer anerkannten Gewerkschaft geführt werden. Das bedeutet, dass die Streikenden der vorherrschenden Rechtsmeinung zufolge nicht vom Streikrecht geschützt sind. Das Unternehmen könnte demnach die Beteiligten sanktionieren oder sogar entlassen. Bisher ist jedoch kein Fall bekannt geworden, in dem die Führungsebene von Gorillas arbeitsrechtlich gegen streikende Beschäftigte vorgegangen ist.
Software soll Probleme lösen
Einer Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zufolge wird momentan die Wahl eines Betriebsrats bei dem Start-up vorbereitet. Vor einigen Wochen war eine solche Wahl gescheitert. Die Unternehmensführung setzt unterdessen auf einen eigenen Plan, um die Zufriedenheit der Beschäftigten zu verbessern. Zum Beispiel soll eine neue Software die Genauigkeit der Arbeitszeit- und Gehaltsberechnung erhöhen.
„Wir wissen, dass sich der Großteil unserer Rider zufrieden mit unserem Plan zeigt, und setzen weiterhin auf konstruktiven Dialog mit allen unseren Ridern”, sagte der Unternehmenssprecher. Internen Umfragen zufolge sollen 59 Prozent der Rider so zufrieden sein mit den Arbeitsbedingungen, dass sie den Job ihren Freunden empfehlen würden. 31 Prozent sind demnach „neutral” eingestellt. Nur zehn Prozent der Rider stuft das Unternehmen als „Kritiker” ein.