Essens-Lieferdienste: Wie Delivery Hero in der Krise wächst
Die Gastronomie ist von der Coronakrise hart getroffen. Doch Delivery Hero aus Berlin profitiert weltweit. Jetzt werden auch Einkäufe geliefert.
Rund um die Welt betreibt das Berliner Unternehmen Delivery Hero eine Vielzahl von Online-Plattformen für Essensbestellungen. Dazu gehören Unternehmen in Asien, im Nahen Osten und in Lateinamerika. Jetzt möchte CEO Niklas Östberg den Einzelhandel aufrollen: Die Kunden bestellen im Supermarkt oder in der Apotheke, die Lieferung kommt in weniger als einer Stunde. Allerdings noch nicht in Deutschland.
„In den ersten Wochen der Krise war ich noch viel beschäftigter als sonst“, sagt Niklas Östberg. Die etwa 1500 Mitarbeiter der Berliner Zentrale gingen Mitte März ins Homeoffice, inzwischen arbeitet ein kleiner Teil wieder im Büro. „Die Bestellungen brachen ein, als in Asien die ersten Lockdowns verhängt wurden.“ Erst im Dezember hatte Delivery Hero die südkoreanische Bestellplattform Woowa übernommen.
Doch Korea habe sehr schnell auf den Ausbruch des Coronavirus reagiert, sagt Östberg beeindruckt. „Die Koreaner waren sehr gut vorbereitet und vorsichtig.“ Schnell seien Tests verfügbar gewesen, das Social Distancing sei praktisch sofort umgesetzt worden. Deshalb seien keine harten Ausgangssperren notwendig gewesen. So konnte auch das Liefergeschäft weiterlaufen.
„In manchen Märkten im Nahen Osten hingegen herrschte ein vollständiger Lockdown“, sagt Östberg. Niemand durfte auf die Straße, auch Lieferanten nicht. „Das bedeutet für uns natürlich 100 Prozent Verlust.“ Doch auch in Regionen, in denen Lieferungen noch möglich waren, hätten viele Restaurants Schwierigkeiten gehabt.
Delivery Hero habe die Bezahlungen schneller weitergeleitet, um die Liquidität der Betreiber zu erhalten. Nur etwa 52 Prozent der Essenslieferungen fährt Delivery Hero tatsächlich mit eigenen Kurieren aus. In den meisten Fällen vermitteln die verschiedenen Portale des Unternehmens nur die Bestellung. Der europäische Markt spielt dabei nur eine Nebenrolle. 2019 fuhr das Unternehmen in Europa weder nennenswerten Gewinn noch Verlust ein.
Das wird planmäßig auch in diesem Jahr wieder so sein. Auf dem deutschen Markt ist Delivery Hero überhaupt nicht vertreten, obwohl es zu den 80 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands gehört. Ende 2018 hatte Östbergs Mutterkonzern die Marken Lieferheld.de, Foodora und Pizza.de für rund 1,15 Milliarden Euro an den niederländischen Konkurrenten Takeaway verkauft, der Lieferando betreibt. Das ist das Ergebnis eines Wettstreits, der in der Branche als „Pizzakrieg“ bekannt ist.
Bis zu dieser spektakulären Einigung hatten die Erzrivalen erbittert um den deutschen Markt gekämpft. Beide Unternehmen investierten Millionen Werbekampagnen und gingen mit juristischen Mitteln gegeneinander vor. Dann kam der Milliardendeal und damit eine Art Waffenstillstand, aber kein Frieden. Inzwischen geht es um die globale Vorherrschaft.
Takeaway expandierte in Richtung Westen. 2019 kaufte Takeaway den britischen Konkurrenten Just Eat auf. Und erst vergangene Woche übernahmen die Niederländer den US-amerikanischen Lieferdienst GrubHub. Dadurch wurde das Unternehmen der größte Lieferdienst außerhalb Chinas. Mit diesem Titel hatte sich bis dahin Delivery Hero geschmückt.
Turbo-Lieferungen für den Einzelhandel
Östberg treibt die Expansion in Asien und Lateinamerika voran. Außerdem erschließt Delivery Hero nun auch Märkte außerhalb der Gastronomie. Mit einem neuen Konzept namens „Quick Commerce“ soll das Prinzip der schnellen, unkomplizierten Lieferung auf den Einzelhandel übertragen werden. Der Kunde bestellt online, ein Lieferant holt die Einkaufstüte ab und bringt sie nach Hause.
Nach eigenen Angaben arbeitet Delivery Hero weltweit mit über 15 000 lokalen Unternehmen zusammen, vom Supermarkt über den Tante-Emma-Laden bis zu Apotheken und Blumengeschäften. Im Gegensatz zu Supermarkt-Lieferdiensten oder Amazon Fresh, die die Waren mit Kleinlastern ausfahren, setzt Delivery Hero auf kleine Einkäufe und kurze Wege.
Der Kunde bestellt, was er in diesem Moment benötigt, etwa zum Kochen. Die Lieferung soll in weniger als einer Stunde ankommen. Zur Zielgruppe gehörten auch ältere Personen um die 65 Jahre, die wegen der Pandemie das Haus nicht verlassen können. Zum Teil seien speziell für diese Neukunden Telefonleitungen eingerichtet worden. „Das geht eigentlich gegen unser Geschäftsmodell als reines Online-Business, aber das sind eben spezielle Zeiten“, sagt Östberg achselzuckend.
Wachstum trotz Krise
Trotz Krise konnte Delivery Hero im ersten Quartal weiter wachsen. Mitte März gingen die Aufträge zwar kurzzeitig zurück, der Börsenkurs stürzte ab. Aber das Tief hielt nur kurz an. Insgesamt aber verdoppelten sich die Bestellungen im ersten Quartal fast auf 239 Millionen gegenüber 125 Millionen im Vorjahreszeitraum. Die Wachstumserwartungen wurden im zwölften Quartal in Folge übertroffen. Die Einnahmen stiegen um 92 Prozent auf 515 Millionen Euro.
Auch in der Berliner Start-up-Szene hat Östberg einen Deal gemacht. Ende 2019 kaufte Delivery Hero das Kreuzberger Start-up Honest Food. Das betreibt sogenannte „virtuelle Restaurants“. Dabei wird ausschließlich für den Lieferdienst gekocht. Honest Food betreibt mehrere Marken, die unterschiedliche Küchen anbieten, zum Beispiel Burritos oder koreanisches Fried Chicken. Die Gerichte werden in großen Produktionsküchen hergestellt und dann in Einzelteilen tiefgekühlt an Partnerrestaurants ausgeliefert.
Kommt eine Bestellung für eine der Marken von Honest Food im Restaurant an, dann werden zum Beispiel das Fleisch und die dazugehörige Sauce aufgetaut und mit frischen Zutaten zu einem Burrito angerichtet. Die Restaurantbetreiber kaufen Zutaten und Packungen von Honest Food, arbeiten aber auf eigene Rechnung. Schwerpunkt ist Österreich, nicht Deutschland.
Gezielt anbieten, was dem Markt fehlt
Schon vor der Übernahme durch Delivery Hero habe Lieferando nicht mit dem Start-up zusammengearbeitet, sagt Östberg, der offenbar immer mehrere Ebenen im Blick hat. Generell sei in dieser Richtung noch viel möglich. Durch die Auswertung der Nutzeranfragen und Bestellungen werde deutlich, was die Kunden gern essen. Man könne gezielt anbieten, was es auf dem Markt noch nicht gibt. „Es kann zum Beispiel sein, dass in einer bestimmten Gegend ein vietnamesisches Restaurant fehlt“, sagt Östberg.
Auch für den CEO selbst hat sich der Alltag durch die Pandemie stark verändert. Normalerweise fliegt der Schwede viel zwischen Berlin und Zürich, wo er mit seiner Familie lebt. In Berlin hat er eine weitere Wohnung. Inzwischen habe sich die Situation beruhigt. „Aber es gibt immer viele Veränderungen, auf die man schnell reagieren muss.“
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