Mitarbeiter berichten von Missständen: Berliner Flüchtlingsbehörde immer noch überlastet
Anonyme Beschwerdemails, viele Vorwürfe: Das Personal klagt über das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten. Die Leitung hingegen behauptet, die Behörde laufe gut.
Unbezahlte Rechnungen, kistenweise ungeöffnete Briefe: Trotz massiver Aufstockung des Personals scheint das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) noch immer nicht richtig zu funktionieren. Das sagen zumindest Mitarbeiter. „Hier liegen in jedem Team mehrere Kisten voll unerledigter Post“, berichtet ein LAF-Mitarbeiter. Es seien Rechnungen darunter, zum Teil bereits Monate alt, auch erste und zweite Mahnungen. Das Personal in der Leistungsabteilung sei weiter so überlastet, dass es nicht dazu komme, die Post zu erledigen.
„Die unbezahlten Rechnungen – teils in Millionenhöhe – kann ich ausdrücklich bestätigen“, sagt der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe. „Diverse Sicherheitsfirmen sind damals hektisch beauftragt worden und haben extrem viele Leistungen erbracht, die man nun nicht mehr bezahlen will. Hier werden Gespräche mit den Gläubigern nicht geführt oder kurzfristig wieder abgesagt, sodass die betroffenen Unternehmer unter massivem Druck sind.“
Mitarbeiter fühlen sich massiv überlastet
Auch die grüne Abgeordnete Canan Bayram kann sich gut vorstellen, dass der aufgelaufene Berg noch lange nicht abgearbeitet ist. „Es ist aber jetzt Personal von der Postbank übernommen worden, das früher nur ausgeliehen war und jetzt im LAF bleibt“, sagt Bayram. „Das sind sehr gute Leute.“ Im Integrationsausschuss des Parlaments wurde kürzlich ein Schlussbericht zur Errichtung des LAF vorgestellt. Das LAF ist jetzt fast ein Jahr alt; es wurde am 1. August 2016 in Betrieb genommen, nachdem der Ansturm der Flüchtlinge so massiv war, dass das Lageso darunter kollabiert war.
Zwei weitere LAF-Mitarbeiter haben sich anonym mit Mails an den Tagesspiegel gewandt, weil sie um ihre Jobs fürchten und zugleich überlastet sind. „Hier in der Leistungsabteilung arbeiten rund 200 Mitarbeiter“, schreibt eine Frau, „die meisten Teams bearbeiten seit Monaten keine Post. Und jetzt sollen 100 Mitarbeiter eingespart werden!“ Dabei habe die Arbeitsverdichtung immer weiter zugenommen, es kämen auch ständig neue Aufgaben hinzu, wie die Gewährung von Schulessen und die elektronische Gesundheitskarte.
Leitung sieht kein Behördenversagen
In der Leistungsabteilung würden täglich rund 1000 Anliegen Geflüchteter bearbeitet, teilte das LAF auf Nachfrage mit. Trotz des Umzugs in die Darwinstraße habe man die Bearbeitung leisten können, und jetzt könne sogar der „Kundenverkehr“ im ICC eingestellt werden. Kurz: Aus Sicht der Leitung läuft die Behörde gut. Von ungeöffneter Post ist nichts bekannt. „Es wäre bedauerlich, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Hauses sich zwar Gedanken über derartige Missstände machten, diese aber nicht im Haus an Team-, Referats- oder Abteilungsleiter weitergeben“, sagte Behördensprecher Sascha Langenbach.
Zu der Stellenfrage hieß es aus der Finanzverwaltung, es handele sich wahrscheinlich um die sogenannten Beschäftigungspositionen (Bpos). Diese – es sind 150 – seien von Anfang an befristet gewesen und würden zum Jahresende wegfallen, dafür bekomme das LAF aber 100 neue, „richtige“ Stellen. Es scheint sich demnach eher um ein Kommunikationsproblem zu handeln.
„Der eigentliche Skandal ist, dass die Präsidentin diese Zahlen seit Wochen kennt und sie den Mitarbeitern noch nicht mitgeteilt hat“, heißt es in dem einen Brief.
LAF-Präsidentin Claudia Langeheine wollte sich dazu nicht äußern. Ihren Führungsstil sehen einige Mitarbeiter kritisch. Bayram hingegen verteidigt und schätzt Langeheine. „Sie lässt sich von den Mitarbeitern vielleicht nicht viel sagen, aber sie kann führen und tut es auch, und das ist auch ihre Aufgabe“, sagt Bayram.
Da aktuell kaum noch Flüchtlinge ankommen, werde es sicher gelingen, mit allem voranzukommen, meint Bayram. In der Bundesallee bei der Aufnahme und Weiterleitung und auch im Ankunftszentrum in Tempelhof gebe es derzeit sogar Überkapazitäten.
Im LAF arbeiten 430 Mitarbeiter und 160 Unterstützungskräfte. Derzeit kommen in Berlin zwischen 600 und 700 Flüchtlinge monatlich an – so viele waren es in der Hochphase 2015 täglich. Dadurch haben sich Unterbringungsfragen genauso entschärft wie die Dauer der Antragsbearbeitung. Das LAF ist nicht für Asylanträge zuständig – das macht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge –, sondern dafür, die Geflüchteten aufzunehmen, unterzubringen, zu versorgen. Derzeit leben 40 000 Personen mit rechtskräftig abgelehnten Asylanträgen in der Stadt; vollziehbar ausreisepflichtig waren zum Jahresende gut 10 000. Abgeschoben wurden im März 328 Personen, im April 153 und im Mai 142 Personen. Freiwillig ausgereist sind in diesem Jahr bis Mai 681.