Landesamt für Flüchtlinge in Berlin: Ausschreibungen für Tempohomes kosten zusätzliche Millionen
Das Landesamt für Flüchtlinge hat bei Ausschreibungen für Tempohomes ungenau gearbeitet. Deshalb müssen Flüchtlinge länger in Turnhallen bleiben - und das Land zahlt Millionen drauf.
Die nüchterne Nachricht lautet: Im laufenden Jahr werden in Berlin keine Turnhallen mehr frei gezogen. Übersetzt in emotionale Kategorien klingt die Botschaft so: "Es wird in einzelnen Turnhallen sehr dramatische Situationen geben." Sascha Langenbach sagt das am Freitag bei einem Pressetermin; er ist der Sprecher des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). Man muss es konkretisieren: Dramatisch genug ist sie ja eh schon. Aus den Notunterkünften laufen beim LAF schon jetzt Meldungen ein, dass Menschen depressiv werden, dass Flüchtlinge, die noch nie einen Tropfen Alkohol getrunken haben, jetzt zum Alkohol greifen. "Und mit dem Thema Drogen", sagt Langenbach, "werden wir uns in den nächsten Wochen auch noch beschäftigen müssen." Noch mehr als bisher, wäre wohl die korrekte Beschreibung.
Rund 3300 Menschen leben derzeit noch in 38 Turnhallen, teilweise seit über einem Jahr, zumindest 1850 sollten in den nächsten Wochen in Tempohomes, also Gemeinschaftsunterkünften mit mehr Privatsphäre, umziehen. Doch sie müssen noch warten. Hauptgrund dafür sind Klagen von Betreibern vor der Vergabekammer gegen die Ausschreibung einzelner Unterkünfte. Damit blockieren sie den ganzen Prozess; mit dem Ergebnis, dass Heime, die schon bezugsfertig sind oder zumindest bald sein werden, leer stehen. Am Freitag wurden ein Tempohome für 280 Personen in der Wollenberger Straße in Alt-Hohenschönhausen bezugsfertig übergeben, wohnen wird darin erstmal niemand.
Acht Standorte mit zehn Unterkünften von Klagen betroffen
Aktuell sind acht Standorte mit insgesamt zehn Unterkünften von den Klagen betroffen. Das sind alle Unterkünfte, die ausgeschrieben wurden. Zwei Standorte, Zossener Straße (Kreuzberg) und Venusstraße (Altglienicke), werden zumindest interimsmäßig betrieben, für sechs Monate mit einer Option auf drei Monate Verlängerung. Eine klare Begründung, warum die anderen Standorte nicht auch so betrieben werden, konnte Langenbach nicht geben. Klar ist aber auch, dass die klagenden Betreiber Fehler und Mängel bei der Ausschreibung ausnützen. "Es gibt zu wenig Vergabeexperten in den Behörden", sagt Langenbach. Im LAF sind zurzeit elf Personen mit der Vergabe befasst. "Das Personal reicht nicht."
Weder qualitativ noch quantitativ. Die bisherigen Ausschreibungen waren wohl so mangelhaft, dass Rechtsanwälte ohne große Probleme Schwachstellen fanden. Deshalb wird das LAF jetzt auch externen Sachverstand – von Kanzleien, die auf Vergaberecht spezialisiert sind – in Anspruch nehmen. Allerdings erst nach monatelanger Zeitverzögerung. Grund dafür ist fehlendes Geld. Im Frühsommer habe das LAF sieben Millionen Euro beantragt, um externen Experten bezahlen zu können, sagt Langenbach. Nach vielen Verhandlungen seien aber nur 1,6 Millionen bewilligt worden. Über das restliche beantragte Geld werde 2017 verhandelt. Nur: "Auch dieses Geld wird nicht reichen." Immerhin muss in den nächsten 18 Monaten eine "dreistellige Zahl von Ausschreibungen" erstellt werden.
Wer letztlich dafür verantwortlich ist, dass nicht genügend Geld für eine einigermaßen professionelle Ausschreibung bewilligt wurde, ist unklar. Langenbach verweist auf die Finanz-Senatsverwaltung. Allerdings dürfte der Grund für die zögerliche Freigabe in den üblichen Abstimmungsproblemen der einzelnen Behörden in Berlin liegen.
"Ausschreibungen so risikoarm und klagesicher wie möglich zu machen"
Alle aktuellen Ausschreibungen sind gestoppt worden. Die Aufträge werden neu ausgeschrieben, auch mit Hilfe der externen Experten. Ziel des LAF ist es einerseits, "die Ausschreibungen so risikoarm und klagesicher wie möglich zu machen" (Langenbach), andererseits die aktuell blockierten Unterkünfte bis Ende Januar an Flüchtlinge übergeben zu können. Helfen soll dabei eine Ausschreibungsmethode, die Langenbach nicht konkretisieren wollte, die aber das Verfahren „verschlanken soll“. Nur: Eine Gewähr, dass dieser Zeitplan eingehalten wird, gibt es nicht. "Wir sind optimistisch. Wir hoffen, dass es klappt."
Langenbachs Chefin, LAF-Präsidentin Claudia Langeheine, war nicht anwesend. Sie lässt sich schriftlich zitieren: "Die wirklich außerordentlich schwierige Situation vieler Geflüchteter in den Notunterkünften ist mir absolut bewusst." Durch ein "weiter entwickeltes Vergabeverfahren" soll auch sicher gestellt werden, "dass die Bezirke die notwendige Planungssicherheit bekommen, etwa in der Frage des Schulbesuchs geflüchteter Kinder." Mindestens genauso viel Hilfe benötigt aber auch noch eine andere Opfergruppe. Die hat das LAF durchaus im Auge. "Wenn jemand ein medizinischer Notfall ist", sagt Langenbach, "werden wir Lösung finden."
Wie optimistisch das LAF ist, zeigt ein Blick die Zukunft. "Im Sommer 2017 sollen alle Turnhallen wieder bespielbar sein", sagt Langebach. "Das ist realistisch."