Flüchtlinge in Berlin: Czaja räumt Fehler bei Flüchtlingsaufnahme ein
In einem Brandbrief hatten Mitarbeiter Missstände am neuen Flüchtlingsamt LAF angeprangert. Der scheidende Sozialsenator Czaja verspricht rasche Abhilfe.
Er ist nur noch eine Woche im Amt; am Mittwoch gab Mario Czaja (CDU) seine wohl letzte Pressekonferenz als Sozialsenator. Es ging um die Zustände in der unter ihm neu gegründeten Behörde LAF, dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, das seit August arbeitet. Wie berichtet, hatten Mitarbeiter der Behörde in einer Art Brandbrief an die Amtsleitung unzumutbare Arbeitsbedingungen, Chaos und Überlastung beklagt – mit gesundheitlichen Folgen wie Albträumen, Schlafstörungen oder Haarausfall. Der Brief – offiziell heißt er "Gefährdungsanzeige" – war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, gelangte aber dennoch dorthin. Czaja, sein Staatssekretär Dirk Gerstle und Amtschefin Claudia Langeheine bezogen am Mittwoch Stellung und zogen Bilanz.
"Die Überlastungsanzeige nehmen wir sehr ernst", sagte Langeheine. "Es werden jetzt Entlastungsmöglichkeiten gesucht." Die wichtigste dürfte die Aufstockung des Personals sein. Von den 535 Stellen, die das LAF hat, sind laut Czaja derzeit noch 170 unbesetzt. Es herrsche teils immer noch Aktenchaos, viele der neuen Angestellten und Beamten hätten keine Verwaltungserfahrung. Die Besetzung der Stellen hat laut Czaja "höchste Priorität". Eine Stellenbesetzung dauere aber nun einmal im Schnitt fünf Monate.
Das LAF betreut derzeit rund 35.000 Flüchtlinge, davon 19.000 noch offene Asylverfahren. Außerdem sind zwischen 4000 und 5000 Klagen vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Etwa 680 Vorgänge wird das Amt wöchentlich dadurch los, dass die Personen nach Anerkennung in die Zuständigkeit des Jobcenters fallen. Solche "Statusgewechselten" müssten eigentlich von den Bezirken mit Wohnraum versorgt werden. Dies geschieht jedoch nicht; stattdessen mieten die Bezirke lieber beim Landesamt die Betten und belassen die Menschen in den Turnhallen, da sie ihnen nichts anzubieten haben.
Czaja fühlt sich im Stich gelassen von Henkel
Das Ziel, die Turnhallen bis zum Jahresende frei zu haben, kann nicht erreicht werden. Die Unterbringung in sogenannten Tempohomes verzögert sich, unter anderem wegen fehlerhafter Ausschreibungsverfahren. Für 19 Objekte werden jetzt laut Staatsskretär Dirk Gerstle Interimsvergaben vorbereitet, für längstens neun Monate, während derer die europaweite Ausschreibung läuft. Mehr als 3000 Flüchtlinge leben noch in Turnhallen. Die Senatskanzlei hatte von Czaja Kopien von Akten der Vergabeverfahren verlangt, allerdings mit dem nicht erfüllbaren Zeitrahmen weniger Stunden. Czaja bewertete diesen Vorgang nicht, sondern sagte nur, die Akteneinsicht sei das gute Recht des Regierenden Bürgermeisters. Dieser könne auch Vorgänge an sich ziehen und im Wege der Direktvergabe beschleunigen.
Ein Teil der Flüchtlinge aus den Turnhallen soll übergangsweise nach Wünsdorf südlich von Berlin verlegt werden, wo das Land Brandenburg eine Erstaufnahmeeinrichtung betreibt. Das wird dadurch möglich, dass der Vertrag mit Brandenburg entsprechend geändert wurde.
Für die "vielen Fehler, die im Zuge der Flüchtlingskrise gemacht wurden" übernehme er die politische Verantwortung, sagte Czaja, machte aber deutlich, dass er sich insbesondere von Innensenator Frank Henkel (CDU) im Stich gelassen fühlte. Unterstützung durch die Innenbehörde habe es erst gegeben, nachdem der frühere Polizeipräsident Dieter Glietsch in den Krisenstab geholt worden war. Er habe die Bewältigung des Flüchtlingsansturms immer als gesamtstädtische Aufgabe angesehen.