TXL-Volksentscheid: Berliner CDU klärt ihre Position zu Tegel
Die Partei lässt ihre Mitglieder darüber abstimmen, ob sie sich für die Offenhaltung des Flughafens Tegel einsetzen soll. Bei einer weiteren Befragung gab es viel Kritik an der früheren Parteispitze.
Bei der Berliner CDU jagt eine Mitgliederbefragung die andere: Anfang des Jahres durften gut 11 000 Berliner Mitglieder ihre Wünsche, Anregungen und Kritik nach der Wahlniederlage im September aufschreiben. Das Ergebnis: Die CDU muss an ihrem Profil feilen, eine Partei der Mitte bleiben und sich schwerpunktmäßig mit den Themen Innere Sicherheit, Zuwanderung, Bildung, Wirtschaft und Wohnen befassen. Und bis zum 30. Juni dürfen die Mitglieder darüber abstimmen, ob die CDU den Volksentscheid für die Offenhaltung des Flughafens Tegel politisch unterstützen solle.
Tegel steht ganz oben auf der Tagesordnung
32 Prozent der Berliner CDU-Mitglieder bezeichnen die Diskussion über die Zukunft von Tegel als wichtiges Thema. Als Handreichung zur Abstimmung, die ab sofort sowohl postalisch als auch online möglich ist, erhalten die Mitglieder neben ihren Abstimmungsunterlagen weiteren Lesestoff. Auf vier DIN-A4-Seiten sind an erster Stelle Argumente für eine Offenhaltung von Tegel aufgeführt: nicht ausreichende Kapazitäten am BER, eine rechtlich mögliche Offenhaltung von Tegel, die Beliebtheit von Tegel in der Bevölkerung. Außerdem dürfe sich Berlin nicht nur von einem Flughafen abhängig machen. Und Anwohner würden bei einer Offenhaltung von Fluglärm entlastet. Letzteres allerdings laut Anschreiben an die Mitglieder nur, wenn der BER eröffnet werde.
Die Gegenargumente sind ebenfalls aufgelistet: juristische Bedenken beim Weiterbetrieb des Flughafens, der Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2006, wonach eine erneute Betriebsgenehmigung für Tegel nicht mehr möglich sein würde. Außerdem sei die Finanzierung der Offenhaltung von Tegel ungeklärt, die ausgereichten EU-Beihilfen könnten infrage stehen. Auch die ursprünglich von der CDU konzipierte Nachnutzung von Tegel als „Urban Tech Republic“ mit Beuth-Hochschule, Forschungseinrichtungen, Gründerzentren und neuen Wohnungen würde eine Offenhaltung nicht rechtfertigen. Als weitere Argumente für eine Schließung sind Sicherheitsrisiken und hohen Kosten beim Schallschutz aufgeführt.
Grütters wünscht sich "breite und ehrliche Debatte"
Bei der ersten Mitgliederbefragung 2015 über die Ehe für alle, die die Mehrheit der Mitglieder abgelehnt hatte, lehnte die Parteispitze um den früheren Landesvorsitzenden Frank Henkel eine eigene Positionierung vor Ende der Befragung ab. CDU-Generalsekretär Stefan Evers dagegen sagte am Freitag dem Tagesspiegel: „Ich bin für die Offenhaltung von Tegel.“ Die Landesvorsitzende Monika Grütters ist für eine „breite und ehrliche Debatte“ über die Zukunft von Tegel.
Um doppelte Abstimmungen online und postalisch auszuschließen, erhält jedes Mitglied ein Passwort, das bei der Online-Abstimmung nach Beantwortung der Frage automatisch entwertet wird. Evers sagte, schriftlich eingegangene Abstimmungsbögen würden „automatisch mit den Online-Abstimmungen geprüft und verglichen“.
Kritik an der alten Parteispitze reißt nicht ab
Deutliche Kritik übten die CDU-Mitglieder bei der Befragung über die politische Linie der Partei an der früheren Parteispitze. Frank Henkel wurde zwar namentlich nicht erwähnt, doch sagten die Mitglieder als ein Grund für die Wahlniederlage, es sei nicht gelungen, „Fortschritte insbesondere im Bereich der Inneren Sicherheit durchzusetzen beziehungsweise zu kommunizieren“.
Nach Tagesspiegel-Informationen hatten sich in diesem Jahr das parteiinterne Forum zur Inneren Sicherheit und der fachlich analoge Arbeitskreis vergeblich um ein Treffen mit dem früheren Innensenator und Parteichef Henkel bemüht. Danach lösten sich die Fachgremien selbst auf. Inzwischen hat sich der Arbeitskreis zur Inneren Sicherheit aber wieder neu gegründet. Die CDU hatte wie berichtet in dieser Woche einen „Aktionsplan gegen linke Gewalt“ vorgestellt, der auf dem Parteitag kommenden Sonnabend verabschiedet werden soll. Dort soll auch über neue parteiinterne Strukturen diskutiert werden. Alle Fachforen und Arbeitskreise der CDU werden neu gebildet und orientieren sich an den Ressortzuschnitten der Senatsverwaltungen.
Bündnispartner werden noch gesucht
Die Union will die externe und interne Kommunikation verbessern und kündigte „neue Beteiligungsformen“ an. Außerdem sollen alle Veranstaltungen künftig öffentlich sein und eine digitale Beteiligungsmöglichkeit bieten. Der Internetauftritt soll überarbeitet werden. Ex-Senator Mario Czaja, der das Zukunftsforum als Thinktank für die Union leitet, sagte, die CDU müsse sich auch anderen Koalitionsoptionen öffnen. Nach Meinung der CDU-Mitglieder habe die Kampagne „Rot-Rot-Grün verhindern“ nicht gefruchtet, da der CDU „erkennbar“ Bündnisoptionen gefehlt hätten.