Coronavirus-Symptome?: Was bei Verdacht auf eine Infektion zu beachten ist
Derzeit wird nicht jeder, der ein paar Tage in Italien oder China war, auf eine Coronavirus-Ansteckung überprüft. Manche Forscher fordern flächendeckende Tests.
Zurück aus dem Skiurlaub in Südtirol, vom Opernbesuch in Mailand, vom Badeurlaub auf Teneriffa – und es kratzt verdächtig im Hals? Wer sich in Deutschland mit seiner Befürchtung, sich womöglich das Coronavirus Sars-CoV-2 eingefangen zu haben, beraten oder gar untersuchen lassen will, hat es derzeit nicht leicht.
Zwar wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht müde zu erklären: „Wir sind bestmöglich vorbereitet.“ Doch „bestmöglich“ ist im Kontakt mit deutschen Behörden nun mal ein doppeldeutiges Wort. So dauert es mitunter Stunden, bis man bei der Coronavirus-Hotline der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit überhaupt durchkommt.
Was man dann erfährt, ist im Sinne einer erfolgreichen Eindämmung der Viren nicht beruhigend. Den Schilderungen eines Kameramanns zufolge, der von der Biathlon-WM in Südtirol heimkehrte, habe man ihn dort nur an den Hausarzt weiterempfohlen. Der jedoch wollte ihn nicht in der Praxis haben, zumal er den Test auf eine Sars-CoV-2-Infektion ohnehin nicht durchführen könne, schilderte der 35-Jährige dem Sender „rbb“. Auch die Charité ließ den Mann abblitzen.
Es liegt letztlich im Ermessen des Arztes, ob ein Coronavirus-Test durchgeführt wird oder nicht
Den Kriterien des Robert-Koch-Instituts (RKI), der obersten Seuchenbehörde Deutschlands zufolge, ist das im Grunde auch korrekt: Der Mann hatte keine Erkrankungssymptome wie Husten, Fieber, Atemnot oder Lungenentzündung. Er hatte auch keinen Kontakt mit nachweislich Infizierten.
Allein der Aufenthalt in einem Risikogebiet reicht den Statuten zufolge nicht aus, einen Test zu rechtfertigen. Zu dem konkreten Fall wollte sich das RKI nicht äußern. Eine Sprecherin erklärte per E-Mail lediglich, dass „die Kriterien für einen Test ja relativ weitgefasst sind“. Letztlich liege es in der „Entscheidungsgewalt des einzelnen Arztes“, ob ein Test für sinnvoll oder nicht erachtet werde.
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Auf seiner Website weist das Institut darauf hin, dass es „zur frühzeitigen Erkennung einer Infektion über die Abklärung von begründeten Verdachtsfällen hinaus geboten“ sei, bei Reisenden aus Risikogebieten oder Anzeichen einer virusbedingten Lungenentzündung „unklarer Ursache“ eine Covid-19-Erkrankung in die differentialdiagnostischen Überlegungen „einzubeziehen“.
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Dieser RKI-Empfehlung zufolge wäre es für den Hausarzt also durchaus „geboten“, einen Test auf Coronaviren zu veranlassen.
Ein Besuch in einer Praxis wäre dafür allerdings nicht nötig und sollte auch besser gar nicht erst erwogen werden. Um eventuelle Ansteckung anderer zu vermeiden, sollte „bei begründetem Verdacht“ bei dem Betroffenen zuhause ein Abstrich aus dem Rachenraum gemacht werden, der dann auf die Viren getestet wird. Bis das Ergebnis vorliegt, was ein bis zwei Tage dauern kann, sollten Betroffene zuhause bleiben – möglichst isoliert.
Senatsverwaltung: „Abklärung“ für jeden, der in den vergangenen 14 Tagen in Risikogebieten war
Allein aufgrund einer Reise nach Italien, Teneriffa oder China, also ohne dass auch Erkrankungssymptome vorliegen oder Kontakt zu einem diagnostizierten Fall nachgewiesen ist, ist die Anordnung eines Tests also nicht unbedingt erforderlich. Trotzdem kann der Arzt den Test, der auf dem Nachweis des Viruserbguts eines Betroffenen basiert, im eigenen Ermessen veranlassen. ,Die Kosten werden dann aber laut Kassenärztlicher Vereinigung nicht übernommen, sondern nur im „begründeten Verdachtsfall“ gemäß der RKI-Richtlinien.
Die Berliner Senatsgesundheitsverwaltung empfiehlt, dass eine „Abklärung“ vornehmen lassen sollte, wer „innerhalb der letzten 14 Tage in einem Risikogebiet gewesen ist, oder Kontakt zu einer Person im Risikogebiet oder Kontakt zu einem bestätigten Fall hatte. Wenn nur eines der drei Kriterien zutrifft, solle man zu Hause bleiben und das zuständige Gesundheitsamt informieren. „Von dort wird eine weitere Abklärung erfolgen.“ Was allerdings nicht bedeuten muss, dass ein Virustest nur infolge einer Italienreise veranlasst wird.
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Es gibt allerdings Fachleute in Deutschland, die eine weit intensivere, deutschlandweite Testung fordern, als es derzeitigen Richtlinien vorsehen. Zu ihnen gehört Alexander Kekulé vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Halle, der sich schon in der Vergangenheit kritisch gegenüber dem Krisenmanagement des RKI geäußert hatte.
In einem Brief an das RKI spricht sich der Biochemiker und Arzt für eine Strategieänderung im Sinne einer „Hinterland-Surveillance“ aus: „Alle Fälle schwerer, einer Influenza-Grippe ähnelnder und akuter Atemwegserkrankungen mit ungewöhnlichen Symptomen sollten so bald wie möglich auf neue Coronaviren getestet werden“. Das sei „eine notwendige und adäquate Maßnahme, mit der eine epidemische Verbreitung vermieden werden kann, ohne übermäßig Ressourcen zu binden oder die Bevölkerung zu verunsichern“.
Da etwa einer von 20 Sars-CoV-2-Infizierten schwer an Covid-19 erkrankt, meint Kekulé, dass frühzeitiges Testen aller Patienten mit schweren Atemwegssymptomen das RKI auf unerkannte Infektionsketten hinweisen könnte. Diese könnten dann möglicherweise noch unter Kontrolle gebracht werden.
Dafür müssten in Deutschland und in der EU die Kapazitäten für die Durchführung der Tests erhöht werden. In Berlin werden derzeit alle Proben von Kliniken und niedergelassenen Ärzten an ein einziges Labor, das von Charité und Vivantes betriebene „Labor Berlin“, geschickt.
Frühe Coronavirus-Tests machen frühe Diagnosen und frühe Eindämmungsmaßnahmen möglich
Zu Kekulés Anregung – wie generell zu Vorschlägen einzelner Wissenschaftler – möchte sich das RKI auf Anfrage des Tagesspiegels nicht äußern. Im Rahmen der Grippe-Überwachung würden aber Patienten mit Grippesymptomen ab sofort auch auf Coronaviren getestet, so die Arbeitsgemeinschaft Influenza im aktuellen „Epidemiologischen Bulletin“. Das habe den Vorteil, dass auch Infektionen mit weniger schweren Verläufe auffielen.
Ob auf diese Weise allerdings rasch ein hinreichender Überblick zu gewinnen ist, ob und wie das Virus in Deutschland kursiert, ist fraglich. Für Kekulés Vorschlag spricht, dass diverse Experten mittlerweile davon ausgehen, dass die Viren bereits – unerkannt – in Europa, auch in Deutschland, kursieren.
Die Infizierten können sich weitgehend gesund fühlen, aber dennoch infektiös für andere sein. Infektionen und Überträger werden aber erst auffällig, wenn Erkrankte in Praxen oder Kliniken landen und dort auch auf die Viren getestet werden.
Es hängt also von der Zugänglichkeit des Tests und dem Willen der Ärzte ab, welchen Überblick man wie frühzeitig über die Verteilung der Viren im Land bekommt.
Noch will die Weltgesundheitsorganisation WHO den Covid-19-Ausbruch noch nicht als Pandemie, als weltweite Epidemie, bezeichnen – Kekulé zufolge nur aufgrund politischer Erwägungen. Doch dass früher oder später auch in Deutschland ein Patient mit schwerer Atemwegserkrankung positiv auf Sars-CoV-2 getestet werden wird, der weder in einem Risikogebiet war, noch Kontakt mit einem zuvor diagnostizierten Patienten hatte, ist wahrscheinlich.
Für die Eindämmungsbemühungen ist es entscheidend, wie früh eine Infektion festgestellt werden kann. Denn je länger ein Infizierter Kontakt mit anderen Menschen haben kann, umso mehr andere kann er oder sie anstecken und umso weniger wahrscheinlich ist es, Infektionsketten noch rückverfolgen und Kontaktpersonen isolieren zu können.
Dann bleibt als Option neben dem Abriegeln ganzer Regionen vor allem vorbeugender Infektionsschutz etwa via Hygiene, Isolation und Tragen von Atemmasken.