Coronavirus in Europa: "Kein Grund zur Annahme, dass man in Deutschland Städte abriegeln muss"
Gerd Landsberg, Chef des Städte- und Gemeindebundes, sieht deutsche Kommunen gut vorbereitet. Im Interview sagt er, Maßnahmen wie in China seien "kaum denkbar".
Das Coronavirus breitet sich auch in Europa aus. In Italien stieg die Zahl der Infizierten am Wochenende massiv. Die Regierung hat mit Sicherheitskräften ganze Städte abgeriegelt. "Wenn nötig, werden es auch Streitkräfte sein", sagte Regierungschef Guiseppe Conte. Werden auch deutsche Städte abgeriegelt, wenn das Virus sich in Deutschland ausbreitet? Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, hält das nicht für nötig.
Herr Landsberg, wie sollten sich deutsche Städte und Gemeinden auf einen stärkeren Ausbruch des Coronavirus‘ vorbereiten?
Derzeit liegen in Deutschland keine Hinweise auf einen stärkeren Ausbruch des Coronavirus vor. Grundsätzlich ist Deutschland sehr gut auf den Ausbruch von Pandemien vorbereitet. Das Vorgehen bei einigen Infektionsfällen im Landkreis Starnberg hat gezeigt, dass die Mechanismen greifen und es gelingt, rasch und erfolgreich gegen einen Ausbruch vorzugehen. Insofern besteht derzeit keine akute Notwendigkeit, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen.
Doch Italien ist nicht so weit weg wie China. Und dort reagiert die Regierung mit drastischen Maßnahmen. Ist es aus Ihrer Sicht möglich, ganze Städte abzuriegeln, also das Verlassen und Betreten zu verbieten? Und wäre es sinnvoll?
Derzeit besteht kein Grund zu der Annahme, dass es in Deutschland zu derartigen Maßnahmen kommen müsste. Ziel muss es sein, den Ausbruch der Krankheit frühzeitig zu erkennen und schnell die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Da in Deutschland die Menschen nicht auf so engem Raum zusammenleben wie etwa in den Millionenstädten in China sollte eine frühe Erkennung besser gelingen. Auch wenn es grundsätzlich möglich ist, bei hochansteckenden und extrem gefährlichen Krankheiten die individuelle Bewegungsfreiheit der Menschen zu beschränken, wären Maßnahmen wie in China beim Coronavirus kaum denkbar.
Wäre es im Krisenfall denn denkbar, auch – wie in Italien angekündigt – Militär einzusetzen, um Regionen zu sichern?
Dem Einsatz der Bundeswehr im Inland sind in Deutschland enge Grenzen gesetzt. Derzeit gibt es nichts, was darauf hindeutet, dass ein vergleichbares Szenario in Deutschland eintreten könnte.
Könnte man auch Großstädte wie Berlin abriegeln?
Das wäre logistisch extrem schwierig und würde eine immense Einschränkung der individuellen Freiheit bedeuten. Hier wird sich dann auch die Frage der Verhältnismäßigkeit stellen. Wie bereits dargestellt sind solche Maßnahmen für Deutschland derzeit kaum vorstellbar. Es wird vielmehr auf frühzeitiges Erkennen der Infektion und präventive Maßnahmen gesetzt.
Welche Maßnahmen zur Prävention laufen in den Gemeinden derzeit?
Grundsätzlich sind die Gesundheitsbehörden in Deutschland gut auf eine Ausbruch von pandemischen Erkrankungen vorbereitet, entsprechende Pläne sind in enger Abstimmung mit Bundes- und Landesbehörden sowie dem Robert-Koch-Institut erstellt und werden fortlaufend aktualisiert. Dazu zählen ein nationaler Pandemie-Plan und eine sehr gute Koordinierung von Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen durch das Robert-Koch-Institut. Auch die Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzte sind informiert und sensibilisiert. Bei begründeten Verdachtsfällen werden Patienten auf das Coronavirus getestet und dann werden - falls notwendig - Maßnahmen ergriffen.
Welche?
Vor allem das Netzwerk von Kompetenzzentren und Spezialkliniken in Deutschland sichert eine Versorgung auf höchstem internationalen Niveau. Deutschland verfügt über ein sehr gutes Krankheitswarn- und Meldesystem und Pandemiepläne. Die Flughäfen, über die weitere Fälle eingeschleppt werden könnten, sind entsprechend vorbereitet. Zudem wurde die Meldepflicht zu möglichen Erkrankungsfällen verschärft. Krankenhausalarmpläne regeln genaueren Abläufe bei außergewöhnlichen Lagen in den Bundesländern. Die Krankenhäuser sind auf Seuchen vorbereitet und proben regelmäßig den Ernstfall.