Studie zur Flutkatastrophe in Deutschland: Klimawandel macht extreme Niederschläge wahrscheinlicher
Die verheerenden Fluten in Deutschland trafen Ortschaften unvorbereitet. Im Klimawandel müssen sie sich einer Studie zufolge auf ähnliche Ereignisse einstellen.
Die extrem ergiebigen Niederschläge, die im Juli in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg zu Überschwemmungen geführt haben, könnten unabhängig vom Klimawandel aufgetreten sein. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Wetterereignisses war aufgrund der globalen Erwärmung jedoch erhöht, berichtet die internationale Forschungsgruppe „World Weather Attribution“.
Die Erwärmung in Europa hat die Wahrscheinlichkeit extremer Niederschläge um den Faktor 1,2 bis 9 und die Niederschlagsmenge um 3 bis 19 Prozent erhöht, teilte das Konsortium mit.
„In der Studie wird offen eingeräumt, dass die Zuordnung der sehr extremen und lokalen Ereignisse zu Veränderungen durch die globale Erwärmung eine Herausforderung ist“, sagt Linda Speight von der britischen Universität Reading, die nicht an der Analyse beteiligt war. Daher sei es vernünftig, breite Ergebnisspannen anzugeben.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]
Die Aussichten: Häufigere Starkregen
„Die Überflutungen zeigen uns, dass sogar Industrieländer nicht sicher vor den Folgen von Extremwetterereignissen sind, von denen wir wissen, dass sie mit dem Klimawandel schlimmer werden“, sagt die leitende Forscherin Friederike Otto vom Institut für Umweltveränderungen der britischen Universität Oxford. Die Wissenschaft belege das ganz klar „und zwar seit Jahren“.
Die Niederschläge vom 12. bis 15. Juli trafen eine Region in Westeuropa. In den Einzugsgebieten der Flüsse Ahr und Erft in Westdeutschland fielen an einem Tag mehr als 90 Millimeter, weit mehr als bei früheren Rekorden. Bei den folgenden Überschwemmungen kamen in Belgien und Deutschland etwa 220 Menschen ums Leben.
Die Wissenschaftler:innen analysierten Wetteraufzeichnungen und Computersimulationen, um das heutige Klima, das sich in Europa seit Ende des 19. Jahrhunderts um etwa 1,2 Grad Celsius erwärmt hat, mit dem Klima der Vergangenheit zu vergleichen. Die Studie konzentrierte sich auf die extremen Niederschläge und nicht die Flusspegel, auch weil einige Messstationen durch die Überschwemmungen zerstört wurden. „Das ist etwas enttäuschend aber aufgrund der fehlenden Daten zu erwarten“, sagt Speight.
„Wir haben zwar anerkannte Zuordnungsmethoden verwendet, aber dies erstmalig zur Analyse eines extremen Sommerniederschlags, bei dem Konvektion eine Rolle spielt“, sagt Sarah Kew, Klimaforscherin am Königlich-Niederländischen Meteorologischen Institut. Daher habe man zudem Modelle eingesetzt, die diese vertikalen Luftströmungen abbilden können.
Die Klimamodelle zeigen, dass langsam verlaufende extreme Niederschlagsereignisse in einer wärmeren Welt häufiger auftreten. Die Wissenschaftler stellten bei den kleinräumigen Niederschlagsmustern eine große Variabilität von Jahr zu Jahr fest. Um den Einfluss des Klimawandels zu bewerten, untersuchten sie daher Daten aus einer größeren Region: Ostfrankreich, Westdeutschland, Ostbelgien, die Niederlande, Luxemburg und die Nordschweiz.
Sie analysierten, wie wahrscheinlich es ist, dass ähnliche extreme Regenfälle in dem größeren Gebiet auftreten und wie sich der globale Temperaturanstieg darauf auswirkt. Unter den heutigen klimatischen Bedingungen ist etwa einmal in 400 Jahren mit einem ähnlichen Ereignis zu rechnen. Das heißt, dass in der gesamten Analyse-Region innerhalb dieses Zeitraums mehrere solcher Ereignisse zu erwarten sind. „Mit weiteren Treibhausgasemissionen und einem weiteren Temperaturanstieg werden solche Starkregenereignisse häufiger auftreten“, resümieren die Forscher:innen.
Weltklimarat erwartet ähnliche Entwicklungen
„Das Ereignis zeigte in aller Deutlichkeit, dass unsere Gesellschaft den derzeitigen Wetterextremen nicht gewachsen ist“, sagt Hayley Fowler, Professorin für Auswirkungen des Klimawandels an der Universität Newcastle. Nun gehe es darum, die Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich zu reduzieren, die Warn- und Notfallsysteme zu verbessern und die Infrastruktur klimaresistent zu machen, um die Zahl der Opfer und die Kosten zu verringern.
„Bei solchen extremen Ereignissen wird man nicht alle Schäden vermeiden können, aber die Frühwarnung, Alarmierung und Evakuierung sollte funktionieren, um Leben zu retten“, sagt Annegret Thieken, die an der Universität Potsdam die Arbeitsgruppe „Geographie und Naturrisikenforschung“ leitet. Gerade in kleinen Einzugsgebieten müsse man dabei deutlich besser werden. „Mehr als 180 Hochwassertote in Deutschland sind nicht zu akzeptieren“, sagt Thieken.
„Die lokalen und nationalen Behörden in Westeuropa müssen sich der zunehmenden Risiken durch extreme Niederschläge bewusst sein, um auf mögliche künftige Ereignisse besser vorbereitet zu sein“, sagt Frank Kreienkamp, Leiter des Regionalen Klimabüros Potsdam des Deutschen Wetterdienstes.
Die Ergebnisse der nicht in einer begutachteten Fachzeitschrift veröffentlichten Studie weisen in die gleiche Richtung wie Aussagen des kürzlich veröffentlichten Berichts des Weltklimarates IPCC. Darin heißt es, dass in Mittel und Westeuropa bei einer Erwärmung von zwei Grad Celsius oder mehr sowohl Dürren als auch Flussüberschwemmungen wahrscheinlich zunehmen werden. Eine Zunahme von Überschwemmungen in Folge von Niederschlägen ist demnach bereits bei 1,5 Grad Erwärmung zu erwarten.
Der schwierige Nachweis langfristiger Veränderungen
Die aktuelle Studie wurde von 39 Forschern der World Weather Attribution Group durchgeführt, darunter Wissenschaftler von Universitäten sowie meteorologischen und hydrologischen Behörden in Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, den USA und dem Vereinigten Königreich. In dem Zusammenschluss untersuchen Wissenschaftler:innen den möglichen Einfluss des Klimawandels auf extreme Wetterereignisse wie Stürme, extreme Regenfälle, Hitzewellen, Kälteperioden und Dürren.
Eine Studie derselben Gruppe, die die aktuelle Analyse durchgeführt hat, kam zu dem Ergebnis, dass der Klimawandel sowohl die letztjährige Hitzewelle in Sibirien als auch die australischen Buschbrände 2019/20 wahrscheinlicher gemacht hat, und dass die jüngste Hitzewelle in Nordamerika ohne den Klimawandel fast unmöglich gewesen wäre. Außerdem wurde kürzlich festgestellt, dass der Verlust der französischen Weinlese nach einem Frost durch den Klimawandel wahrscheinlicher geworden ist.