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Naturkatastrophen wie die Flut in Deutschland im Juli sind auch eine Folge der Klimakrise.
© Thomas Frey / dpa

Weltklimarat zur Klimakrise: Die 1,5-Grad-Grenze könnte schon 2030 überschritten werden

Das Klima erwärmt sich schneller als gedacht, die bisherigen Maßnahmen reichen nicht. Aber dem kann auch entgegengetreten werden, zeigt der neue IPCC-Bericht.

„Der Planet ist in Lebensgefahr“ - so deutlich reagierte SPD-Umweltministerin Svenja Schulze auf den neuesten Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC, der am Montag vorgestellt wurde. Tatsächlich sind die Erkenntnisse sehr beunruhigend. Seit dem letzten Weltklimabericht von 2013 sind die Forscher ein großes Stück weitergekommen und ihr Fazit: Die drastischen Folgen der Erderwärmung werden immer klarer und der angestrebte Klimaschutz reicht nicht aus.

Sinken die globalen Treibhausgasemissionen nicht bald deutlich, dann wird sich die Welt bis zum Jahr 2030 bereits im Durchschnitt um 1,5 Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung erwärmt haben. Im Pariser Klimaabkommen hat sich die Staatengemeinschaft eigentlich darauf verpflichtet, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, auf jeden Fall aber unter zwei Grad zu halten.

Das Pariser 1,5-Grad-Ziel würde aktuell nicht nur deutlich verfehlt. Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie sagte in Genf: „Wir sind noch immer nicht auf dem Weg die globale Erwärmung auf 1,5 bis zwei Grad bis Ende des Jahrhunderts zu begrenzen.“ Stattdessen sei die Weltgemeinschaft sogar auf dem Weg zu einer Erwärmung von bis zu drei Grad.

Dass diese Entwicklung menschengemacht ist, daran besteht jetzt kein Zweifel mehr. Hoesung Lee, Vorsitzender des Weltklimarats, betonte: „Der neue Klimabericht erweitert unser Verständnis über den Ursprung des Klimawandels und den menschlichen Beitrag zu Extremwetterereignissen. Erstens sagt er uns, dass menschliche Aktivitäten unbestreitbar den Klimawandel verursachen und Extremwetterereignisse häufiger und heftiger machen.“

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Zweitens mache der Bericht deutlich, dass der Klimawandel jede Region auf der Erde beeinflusse. Abschließend sei klar: „Starke, anhaltende und rasche Reduktionen bei CO2-Emissionen und anderen Treibhausgasemissionen wären notwendig, um die globale Erwärmung zu begrenzen.“

Lesen Sie hier wichtige Erkenntnisse des IPCC-Berichts im Überblick:

Schnellerer Temperatur-Anstieg

Der Anstieg der durchschnittlichen Oberflächentemperatur der Erde beträgt in allen von den Experten durchgespielten fünf Szenarien bereits um das Jahr 2030 rund 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Das ist ein ganzes Jahrzehnt früher als bislang angenommen. Bis Mitte des Jahrhunderts wird die im Klimaabkommen von Paris formulierte 1,5-Grad-Grenze demnach überall überschritten werden.

Naturkatastrophen als direkte Folge

Naturkatastrophen sind laut IPCC direkt auf die Klimaerwärmung zurückzuführen. Die erhöhten Wahrscheinlichkeiten bestimmter extremer Wetterereignisse können demnach mittlerweile deutlich präziser berechnet werden. Wissenschaftler stellten beispielsweise fest, dass die Rekordhitze an Nordamerikas Westküste im Juni ohne den Einfluss des Klimawandels „praktisch unmöglich“ gewesen wäre.

Rasch steigende Pegelstände

Die Pegel der Weltmeere sind seit 1900 um etwa 20 Zentimeter angestiegen, allein im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Geschwindigkeit des Anstiegs nahezu verdreifacht. Maßgeblich verantwortlich dafür ist nicht mehr das Abschmelzen der Gletscher, sondern es sind die schwindenden Eisschilde der Pole.

Natürliche CO2-Senken kommen an ihre Grenzen

Seit etwa 1960 haben Wälder, Böden und Ozeane 56 Prozent der stark gestiegenen, vom Menschen verursachten CO2-Emissionen absorbiert. Aber die natürlichen CO2-Senken kommen den IPCC-Experten zufolge an ihre Grenzen. Der von ihnen aufgenommene Anteil der ausgestoßenen Treibhausgase wird im Laufe des Jahrhunderts voraussichtlich spürbar abnehmen. Das wiederum wirkt sich negativ auf die Ziele zur CO2-Reduktion aus, da diese Senken hier zum Teil mit eingerechnet werden.

Fokus auf Methanausstoß

Methan ist nach CO2 das zweitwichtigste Treibhausgas. Der Mensch setzt zum einen beim Abbau fossiler Brennstoffe in der Erde gespeichertes Methan frei. Zweite große Quelle ist die Viehhaltung. Die Experten warnen, dass bei anhaltend hohem Methanausstoß die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens nicht erreichbar sind.

Regionale Unterschiede

Einige Gebiete erwärmen sich schneller als andere. In der Arktis zum Beispiel wird die Durchschnittstemperatur an den kältesten Tagen voraussichtlich dreimal so schnell ansteigen wie die globale Erwärmung. Auch die Meeresspiegel steigen überall, an manchen Küsten wird dies den IPCC-Experten zufolge aber deutlich stärker zu spüren sein als an anderen.

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Neben diesen negativen Entwicklungen machen die Expertinnen und Experten des IPCC aber auch klar: Es gibt immer noch die Möglichkeit zu handeln. Wenn beispielsweise jetzt sehr rasch und in sehr großem Umfang Treibhausgasemissionen reduziert würden, würden sich das bereits innerhalb von fünf bis zehn Jahren erkennbar auf die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auswirken. Das würde sich „mit großer Sicherheit“ innerhalb von 20 bis 30 Jahren in der globalen Temperatur niederschlagen, heißt es in einem der erklärenden Begleittexte zum Bericht.

So könnte bei wirklich schnell sinkenden Emissionen im Jahr 2040 ein sogenanntes „Temperaturplateau“ erreicht sein - bis dahin allerdings steigen die Temperaturen erst einmal weiter. Ab dem Jahr 2080 könnten die Temperaturen dann sogar leicht fallen.

[Aktuell steuert die Weltgemeinschaft auf eine globale Temperaturerhöhung von bis zu drei Grad. Wie eine solche Welt aussehen könnte, können Sie mit einem T+ Abonnement hier lesen.]

Weltweit folgten auf die Vorstellung des Berichts Aufrufe, jetzt endlich zu handeln. „Die Alarmglocken sind ohrenbetäubend, und die Beweise sind unwiderlegbar“, sagte er UN-Generalsekretär Antonio Guterres. „Die Lebensfähigkeit unserer Gesellschaft hängt davon ab, dass Führungskräfte in Politik, Unternehmen und der Zivilgesellschaft geeinigt hinter politischen Vorgaben, Maßnahmen und Investitionen stehen, die den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen.“ Die Lösungen lägen auf dem Tisch. „Der Bericht muss die Totenglocke für Kohle und andere fossile Brennstoffe sein, bevor sie unseren Planeten zerstören.“

Umwelt- und Klimaschützer sowie Bewohner der angrenzenden Dörfer haben am Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler eine Menschenkette gebildet, um für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleförderung zu demonstrieren.
Umwelt- und Klimaschützer sowie Bewohner der angrenzenden Dörfer haben am Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler eine Menschenkette gebildet, um für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleförderung zu demonstrieren.
© Malte Krudewig/dpa

Dass die Regierungen bisher zu wenig tun, kritisierte Greenpeace-Klimaexperte Christoph Thies. „Das Schockierende dieses Berichts ist, dass alles Alarmierende darin abzusehen war - und doch bewegen sich Regierungen und Konzerne beim Klimaschutz noch immer im Schneckentempo“, so Thies.

„Wir sind nicht zum Scheitern verurteilt“

Auch der britische Premier Boris Johnson, der auch Gastgeber der nächsten Weltklimakonferenz COP26 im November in Glasgow ist, rief zum Handeln auf: Er hoffe, dass „der aktuelle IPCC-Bericht ein Weckruf für die Welt sein wird, jetzt zu handeln, bevor wir uns im November in Glasgow zum entscheidenden COP26-Gipfel treffen werden“. Es sei klar, „dass die nächste Dekade entscheidend für die Sicherung der Zukunft unseres Planeten sein wird“.

Die Frage ist allerdings, wie stark Johnson diesen Worten auch Taten folgen lässt, blickt man auf Pläne der britischen Regierung im Bereich der fossilen Brennstoffe. London will unter anderem neue Öl- und Gasfelder in der Nordsee erschließen. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) hatte noch im Mai gewarnt, dass weltweit auf die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen bereits ab diesem Jahr verzichtet werden müsse, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Im Blick auf die weitere Entwicklung des Klimas und der Klimakrise betonen die Berichtsautoren jedenfalls, dass im Kampf gegen die Erderwärmung jedes Zehntelgrad zählt. „Wir sind nicht zum Scheitern verurteilt“, sagte etwa die in Oxford forschende deutsche Klimaexpertin Friederike Otto. (mit AFP und dpa)

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