Bericht des Weltklimarats: Es ist noch nicht zu spät
Die Bestandsaufnahme des Weltklimarates fällt düster aus. Doch es gibt nicht nur schlechte Nachrichten. Ein Überblick.
Es ist die umfassendste wissenschaftliche Bestandsaufnahme zum Klimawandel – und sie fällt düster aus: Der Weltklimarat (IPCC) hat einen fast 4000 Seiten starken neuen Bericht zur globalen Erwärmung veröffentlicht. Die Kernbotschaft: Der Klimawandel hat sich beschleunigt. Doch neben den schlechten Nachrichten gibt es solche, die Hoffnung machen : Noch ist es nicht zu spät zum Umsteuern.
Die Emissionen steigen ungebremst
Vor sechs Jahren verpflichteten sich knapp 200 Staaten im Pariser Klimaabkommen, die weltweite Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad, möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Doch trotz aller Bekenntnisse ist nur wenig passiert: Der Ausstoß der Treibhausgase stieg immer weiter. Zugleich sind die globalen Temperaturen im Durchschnitt um 1,1 Grad gestiegen.
Auch die Corona-Pandemie hatte kaum einen Effekt. Die Lockdowns hätten zu vorübergehenden Reduktionen bei den CO2-Emissionen geführt, sagte die Ko-Vorsitzende der zuständigen IPCC-Arbeitsgruppe, Valérie Masson-Delmotte. Allerdings seien diese Einsparungen nur wenige Prozentpunkte auf globalem Niveau, die atmosphärische CO2-Konzentration sei weiter gestiegen.
Das Ausmaß der jüngsten Veränderungen im gesamten Klimasystem sei seit vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden „beispiellos“, heißt es im IPCC-Bericht. So dürfte beispielsweise die Konzentration an CO2 in den vergangenen zwei Millionen Jahren noch nie so hoch gewesen sein wie 2019.
Die Erderwärmung beschleunigt sich
Die angepeilte maximale Temperaturerwärmung von 1,5 Grad könnte schon 2030 erreicht werden, also in neun Jahren warnen die Forscher:innen. Das wäre zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert. Spätestens 2040 dürfte die Marke überschritten werden – je nachdem, wie stark die Emissionen in den nächsten Jahren tatsächlich reduziert werden. Nur noch die optimistischen Simulationen gehen davon aus, dass das im Paris-Abkommen angestrebte Ziel von 1,5 Grad zu erreichen ist. „Wir sehen, dass jedes der vergangenen vier Jahrzehnte wärmer war als jedes der vorangegangenen Jahrzehnte seit 1850“, sagt die Klimaforscherin und Autorin Veronika Eyring. Diese Erwärmung geschehe auch sehr viel rascher seit 1970.
Mehr Extremwetter
Hitzewellen, Starkregen, Dürre und tropische Wirbelstürme: Der Klimawandel führt dazu, dass Wetterextreme häufiger und intensiver auftreten, und zwar überall auf der Welt. Keine Region bleibe verschont, sagen die Autor:innen.
Städte sind besonders betroffen, weil sie in der Regel wärmer sind als ihre Umgebung. Starke Hitzewellen, die bisher etwa alle 50 Jahre auftraten, wird es künftig einmal pro Jahrzehnt geben. Brände werden intensiver und dauern länger.
Früher sei der Zusammenhang einzelner Wetterereignisse mit dem Klimawandel unklar gewesen, sagt Ko-Autor Michael Wehner vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien. „Aber jetzt können wir tatsächlich quantitative Aussagen über extreme Wetterereignisse treffen.“
Unumkehrbar steigender Meeresspiegel
Manche Folgen der Erderwärmung sind bereits heute unumkehrbar: Selbst wenn die Treibhausgas-Emissionen drastisch gesenkt würden, stieg der Meeresspiegel weiter an und würde „für tausende Jahre erhöht bleiben“, heißt es in dem Bericht. Bis zum Jahr 2100 könnten die Pegel um bis zu einen Meter steigen. Selbst wenn bis 2050 Klimaneutralität erreicht wird, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu 62 Zentimeter höher sein als in den Jahren 1995 bis 2014.
Vor allem das Abschmelzen der Eisschilde in Grönland und der Antarktis, das im letzten Jahrzehnt stark zugenommen hat, lässt die Meeresspiegel steigen. Dazu kommt Tauwasser von Gebirgsgletschern und die thermische Ausdehnung des wärmer werdenden Meerwassers.
Abtauen von schwimmendem Eis erhöht den Pegel nicht, aber auch das Meereis schwindet. „Schon vor 2050 werden wir in der Arktis aller Voraussicht nach zum ersten Mal einen Sommer erleben, in dem das Nordpolarmeer weitestgehend frei von Meereis sein wird“, sagt Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg.
Kohlenstoffsenken nehmen ab
Im Kampf gegen den Klimawandel spielen natürliche Kohlestoffsenken eine wichtige Rolle. „Wir wissen, dass die Hälfte all unserer CO2-Emissionen von Pflanzen, Böden und dem Ozean absorbiert und gespeichert werden“, sagt Masson-Delmotte. Der Klimawandel mindert jedoch die Aufnahmefähigkeit der natürlichen Senken.
Emissionen einzusparen wirkt
Wenn es gelingt, die Emissionen von Treibhausgasen ab sofort deutlich zu senken, wird sich das in etwa 20 Jahren positiv auswirken. Die Autor:innen geben für diesen Zeithorizont in der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger „hohes Vertrauen“ an. Das Wissen ist sehr gut gesichert.
Im Gegensatz zu Szenarien weiterhin hohen Ausstoßes wird sich die globale Temperaturkurve dann abflachen. „Wenn wir etwa im Jahr 2050 unterm Strich kein Kohlendioxid mehr ausstoßen, ist es extrem wahrscheinlich, dass wir die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius halten können“, sagt Masson-Delmotte. Es sei dann auch wahrscheinlicher, dass der Temperaturanstieg 1,5 Grad Celsius nur zeitweise und nur um etwa 0,1 Grad Celsius überschreitet als dass dieses Ziel dauerhaft und deutlicher überschritten wird. Die Emissionseinsparungen würden zudem in vielen Weltregionen die Luftqualität verbessern.
Das Bild wird immer klarer
Der IPCC-Bericht ist aufgrund der Covid-19-Pandemie später erschienen als ursprünglich geplant. Aber er ist erschienen, trotz der Reisebeschränkungen und der Herausforderung, auf Bildschirmkonferenzen mit hunderten Teilnehmern schwierige inhaltliche Fragen zu klären. „Man hat gesagt, dass es nicht geht, aber wir haben es geschafft“, sagte Panmao Zhai, der chinesische Ko-Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe.
Die über 230 Autor:innen aus 65 Ländern haben geliefert, über 14.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen ausgewertet und über 78.000 Kommentare aus den Begutachtungsrunden beantwortet. Der Bericht bringt die politische Diskussion auf den aktuellen Stand der naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels.
„Der Bericht liefert eine Fülle politikrelevanter Information“, sagte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee und nennt den Schwerpunkt regionaler klimatischer Entwicklungen als erstes Beispiel. Dem Bericht wurden neue Kapitel zugefügt und der IPCC veröffentlicht einen interaktiven Atlas und bildet so die räumlich immer höher aufgelösten Erkenntnisse der Klimaforschung ab.
Irreführende Hypothesen sind vom Tisch
Die Geschichte des IPCC ist eng verknüpft mit der teils mit großer medialer Aufmerksamkeit geführten Diskussion um seine Glaubwürdigkeit. Es ist lange her, dass aus marginalen Fehlern wie einer falschen Einschätzung zum Abtauen der Himalaja-Gletscher große Geschichten gemacht wurden.
Im letzten Bericht sollte auf Wunsch einiger Regierungen eine angebliche Pause der Erwärmung in den Jahren zwischen 1998 und 2012 erklärt werden. Diese Pause hat es jedoch nie gegeben. Sie erschien nur sichtbar, wenn man die weitere Entwicklung der Temperatur im Vergleich zum außergewöhnlich hohen Stand von 1998 betrachtete.
Der langfristige Erwärmungstrend hielt auch in dieser Zeit ungebrochen an. „Wir wissen seit Jahrzehnten, dass sich die Welt erwärmt“, sagte Panmao Zhai in der Pressekonferenz. Jedes der vergangen vier Jahrzehnte sei wärmer gewesen als das zuvor. Neben den Zweifeln an der Existenz der Erwärmung räumt der Bericht auch die Zweifel daran aus, dass der Ausstoß von Treibhausgasen ihre Ursache ist: „Es ist eindeutig, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, die Ozeane und das Land erwärmt hat“, lautet die erste hervorgehobene Hauptaussage der Zusammenfassung. In der Klimadiskussion wird damit mehr Platz für echte Themen geschaffen.