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Die Humboldt-Universität, Sitz des Instituts für Islamische Theologie.
© Kitty Kleist-Heinrich

Streit um Beirat der Berliner Islam-Theologie: "Ankara wird das Institut nicht steuern"

In einer Diskussion über das Islam-Institut an der HU versuchte der Senat, Bedenken zu zerstreuen. Doch das Dilemma fehlender liberaler Stimmen bleibt.

Seit gut zwei Jahren streitet Berlin über das künftige Institut für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität. Im Zentrum steht der Beirat, der – wie bei den fünf bereits bestehenden universitären Islam-Instituten auch – über die theologische Unbedenklichkeit der Professorenschaft und des Lehrplans wachen soll.

Wie groß der Einfluss des Beirats sein wird, wurde am Montagabend von Kritikerinnen und Politikern diskutiert. „Bekommt Berlin an der HU ein Scharia-Institut?“ formulierte die Journalistin Lea Rosh die provokative Leitfrage für ihren „Salon“ im Theater Coupé am Fehrbelliner Platz.

Burkard Dregger fordert Dialog mit Liberalen ein

Die Annahme, Forschung und Lehre könnten sich am theologisch begründeten, rigiden Rechtssystem islamischer Staaten orientieren, leitet Rosh aus der Zusammensetzung des Beirats ab. Er wird von Vertretern konservativer Islamverbände dominiert. Repräsentanten liberaler Strömungen wurden weder von der HU noch vom Berliner Senat eingeladen.

Für Burkard Dregger, den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, ein Kardinalfehler: Das Ziel, „dass der Islam wirklich in Deutschland ankommen kann“, sei damit verfehlt, denn dies setze Dialogbereitschaft und Reformfähigkeit der Verbände voraus. Dafür müsse der Staat im Beirat verschiedene Vorstellungen zusammenbringen. Eine der progressiven Stimmen, die sich aktiv – und vergeblich – um einen Sitz im Berliner Beirat beworben haben, saß gleich neben Dregger auf dem Podium: Seyran Ates, die Gründerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin-Moabit. Es sei für sie bis heute „nicht nachvollziehbar, was für eine Politik, was für ein Interesse“ hinter der Blockade stehe, sagte Ates.

Wissenschaftsrat: Beiräte sollen für neue Gemeinschaften offen sein

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD), als politisch Verantwortlicher auf dem Podium, berief sich auf Vorgaben des Wissenschaftsrats für die Etablierung der Islam-Theologie an staatlichen Unis, „dass man die größten Verbände integrieren sollte“. Mit den fünf Berliner Verbänden, in denen sich die meisten Moscheegemeinden organisieren, begannen Senat und Uni die Verhandlungen, am Ende unterschrieben allerdings nur drei die Vereinbarung zur Schaffung eines Beirats. Ausgeschieden ist dabei auch der größte, die türkische Ditib.

Krach musste sich indes korrigieren lassen, denn der Wissenschaftsrat sprach 2010 von der „Vielfalt der Organisationsformen“ der Muslime in Deutschland, die im Beirat vertreten sein sollte. Das hielt der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer Krach aus dem Publikum vor. Tatsächlich steht in der Empfehlung auch, die Beiräte müssten „grundsätzlich für neue muslimische Gemeinschaften offen sein“.

"Angst, ihre Stimme zu erheben"

Seyran Ates allerdings hatte ihre liberale Moschee 2017, als die Berliner Verhandlungen konkret wurden, gerade erst eröffnet. Und der Liberal-islamische Bund (LIB) besteht zwar seit 2010, hat aber bislang keine Moschee in Berlin. Das Argument der Liberalen, dass sie die Mehrheit der nicht an Gemeinden gebundenen Muslime repräsentierten, diese aber „Angst haben, ihre Stimme zu erheben“, wie Ates sagt, drang bei der Berliner Gründung – und bei den anderen Islam-Theologien – nicht durch.

Das Dilemma einer fehlenden liberalen Repräsentanz sieht auch Gudrun Krämer, Islamwissenschaftlerin an der Freien Universität. Doch jetzt gelte es, dem Institut zum Start im Herbst eine faire Chance zu geben. Schließlich sei die HU dabei, aus einem vielversprechenden internationalen Bewerberfeld die ersten Professuren zu besetzen. Sie und nicht der konservativ dominierte Beirat seien es, die das Profil der Islam-Theologie bestimmten. „Ich bin vorläufig optimistisch, dass nicht Leute berufen werden, die Verbandsmarionetten sind“, sagte Krämer.

"Neue Gespräche" nach drei Jahren?

„Niemand muss fürchten, dass dieses Institut aus Ankara gesteuert wird“, versicherte auch Krach. Er verwies zudem auf zwei unabhängige Hochschullehrende, die zusätzlich in den Beirat berufen werden. Um eine Zwei-Drittel-Mehrheit für ein Veto zu erlangen, müssten die Verbandsvertreter einen der Unabhängigen überzeugen. Außerdem sehe die Satzung eine Evaluation nach drei Jahren vor. "Wenn sich herausstellt, dass Verbände mit ihrem Veto die Arbeit blockieren, werden wir neue Gespräche führen", sagte Krach.

Wer aktuell in den Beirat berufen wird, bleibt abzuwarten. Dem Vernehmen nach ist die Prüfung der designierten Mitglieder durch den Verfassungsschutz nicht abgeschlossen.

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