Klima-Krise in der Groko: „Das kann so nicht weitergehen“
SPD-Umweltministerin Svenja Schulze geht jetzt beim Klimaschutzgesetz voran - am Kanzleramt vorbei. Die Union hat bei dem Thema auch ein personelles Problem.
Beim „Guten Morgen“ klingt Bundesumweltministerin Svenja Schulze noch, wie eigentlich immer, ziemlich fröhlich. Doch als sie vom Moderator des WDR 5 am Montagmorgen gebeten wird, das EU-Wahldebakel ihrer Partei, der SPD, zu erklären, wird Schulze ernst. Es sei offensichtlich nicht gelungen, deutlich zu machen, dass Themen wie der Klimaschutz eine soziale Stimme bräuchten und dass das die SPD sei.
Dass sie selbst mit dem Thema nicht zu den Menschen durchgedrungen sei und sie nun gar um ihren Job als Umweltministerin fürchten müsse, das sieht Schulze aber anders. „Ich habe zum Beispiel ein Klimaschutzgesetz vorgelegt. Wir haben mit Rücksicht auf die CDU jetzt eine ganze Zeit lang nicht daran gearbeitet. Das geht so nicht weiter. Ich werde das jetzt weiter nach vorne bringen“, sagt Schulze.
Und tatsächlich: Nur ein paar Stunden später erhalten die zuständigen Referate beispielsweise im Bundeswirtschaftsministerium, im Bundesverkehrsministerium und im Bundeslandwirtschaftsministerin eine Mail vom Bundesumweltministerium, im Anhang befindet sich Schulzes Entwurf eines Klimaschutzgesetzes mit der Bitte um Stellungnahme unter Einhaltung einer Frist.
Damit hat Schulze das Bundeskanzleramt kurzerhand umgangen. Der Entwurf wurde im Winter nämlich zunächst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugesandt, zur sogenannten „Frühkoordinierung“, damit das Bundeskanzleramt etwaige Streitpunkte zwischen den Ministerien bereits ausräumen kann. Der Prozess soll die Zusammenarbeit in der großen Koalition erleichtern. Doch das Kanzleramt reagierte nie.
„Seit Februar warte ich auf eine Rückmeldung der Union auf unseren Entwurf für ein Klimaschutzgesetz. CDU und CSU haben bis jetzt leider nur gesagt, was sie alles nicht wollen“, ärgert sich Schulze deswegen am Montagmittag. „Jetzt ist es Zeit, den nächsten Schritt zu gehen.“ Als Ressortchefin für Klimaschutz könne sie nicht länger auf die Befindlichkeiten in der Union Rücksicht nehmen.
Schulzes Entscheidung kann durchaus als Affront gegen das Bundeskanzleramt verstanden werden. Die Schuld für das schlechte Wahlergebnis aber alleine auf den Koalitionspartner zu schieben – da macht es sich die SPD zu einfach. „Die SPD hat viel zu spät angefangen, sich auf Klimaschutz als wichtiges Thema zu fokussieren“, lautet die Einschätzung von Christoph Bals, Geschäftsführer des Umweltverbands Germanwatch.
Dabei hatte sich die SPD in den vergangenen Wochen bemüht: Parteichefin Andrea Nahles, die sich doch stets als Anwältin der Braunkohle-Kumpel gegeben hatte, lobte in Berlin bei jeder Gelegenheit das Klimaschutzgesetz ihrer Parteikollegin. Auch Bernd Westphal, energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sonst eher für seinen nüchternen Blick auf die deutsche Klimapolitik bekannt, sprach von Schulzes Klimaschutzgesetz in den höchsten Tönen.
Doch laut Klimaexperten Bals hat das nicht gereicht. „Der Umschwung wurde nicht eindeutig genug kommuniziert“, sagte Bals. Die SPD scheint mit anderen Aussagen im Gedächtnis junger Leute haften geblieben zu sein: Zum Beispiel mit Nahles markantem Satz aus dem Herbst, es dürfe „keine Blutgrätsche gegen die Braunkohle“ geben.
Hilflos in der Klimakrise
Freilich ist auch die Union „hilflos“, wenn es um Antworten auf die Klimakrise geht, wie ein Parteienforscher am Sonntagabend feststellte.
Die Reue darüber, Klimaschutz als Thema verpasst zu haben, war bei einigen Unionspolitikern nach den EU-Wahlen daher auch groß. Man habe da als Marke nicht überzeugen können, sagte etwa CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Wiederum ließ sich Ministerpräsident Armin Laschet in der ARD-Talk- Runde bei Anne Will am Sonntagabend darüber aus, dass „aus irgendeinem Grund“ Klimaschutz plötzlich ein weltweites Thema geworden sei.
Für seine Bemerkung erhielt der CDU-Politiker viel Kritik über Twitter. Tatsächlich dürfte Laschet sich da keinen Gefallen getan haben. Zumal der stellvertretende Parteivorsitzende als jemand gilt, der Klimaschutz durchaus progressiv angeht und etwa in der Kohlekommission anständige Vorschläge machte. Er war es auch, der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dafür kritisierte, die Diskussion über die CO2-Steuer zu früh abgesägt zu haben.
Auf der Klausur des CDU-Bundesvorstandes am kommenden Wochenende soll Klimaschutz eine große Rolle spielen. Dort soll auch über ein neues Klima- Konzept gesprochen werden.
Beim Klimaschutz neu aufstellen
Fraglich ist allerdings, inwieweit die Unionsfraktion solch ein Konzept unterstützen würde. Sie gilt bei dem Thema mittlerweile als tief gespalten. „Als nur noch schwer erträglich“ bezeichnet etwa Joachim Pfeiffer die Diskussion um Klimaschutz in Deutschland. Das Thema sei für viele „eine Art Ersatzreligion“ geworden, sagt der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion. Dort gibt es aber auch progressive Stimmen, die das ganz anders sehen. So richtig scheinen die sich aber noch nicht aus der Deckung zu wagen.
Wenn die Union sich beim Klimaschutz neu aufstellen will, müsse sie das auch personell machen, rät Klimaexperte Bals. „Die Einstellung manch eines Unionspolitikers zu Energie- und Klimathemen ist der junge Generation nicht mehr vermittelbar.“
Am kommenden Mittwoch steht erstmal wieder ein Treffen des Klimakabinetts an. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und andere sollen dort erklären, wie sie die Klimaziele 2030 für ihre jeweiligen Ressorts einhalten wollen. In die Details wird die Runde aber wohl nicht gehen können, das Treffen ist auf etwa eineinhalb Stunden angesetzt. Die Maßnahmen wird das Bundesumweltministerium einsammeln und prüfen lassen.
Die Ohren spitzen wird bei der Sitzung des Klimakabinetts vor allem SPD-Finanzminister Olaf Scholz. Neuer Stellenwert des Klimathemas in der großen Koalition hin oder her: Das Ganze muss ja auch bezahlt werden.