DFL polarisiert in der Coronavirus-Krise: Was die Bundesliga erreicht hat – und was ihr noch bevorsteht
Arbeits- und Sportminister sind vom Geisterspiel-Konzept der Bundesliga überzeugt, Polizei und Bevölkerung nicht. Der Donnerstag dürfte entscheidend werden.
Zwei wichtige Hürden hat die DFL bereits gemeistert: Das Arbeitsministerium und die Sportministerkonferenz sollen vom Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs während der Coronavirus-Krise überzeugt sein.
Nun schaut die Liga am Donnerstag auf die Konferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Länderchefs. Bei einer Zustimmung für Geisterspiele aus dem Kanzleramt könnte womöglich Mitte oder Ende Mai in den leeren Stadien der Liga wieder der Ball rollen.
Bevölkerung noch nicht von Geisterspielen überzeugt
Das Bundesarbeitsministerium hatte nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in Sachen Arbeitsschutz zuerst grünes Licht für Spiele der Bundesliga und Zweiten Liga unter Ausschluss von Zuschauern gegeben. Anschließend hielt auch die Sportministerkonferenz laut einer Beschlusslage, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, die Fortsetzung des Spielbetrieb ab frühestens Mitte Mai „für vertretbar“.
Die DFL hatte in einem Schreiben ans Arbeitsministerium, von einer „Quasi-Quarantäne“ der Spieler gesprochen. „Insofern leben die Spieler in einer Zone, die neben ihrer Privatwohnung auf der anderen Seite den Trainingsplatz, den Spielerbereich des Stadions, die Mannschaftshotels und den Mannschaftsbus umfasst.“ Ein Mund-Nasen-Schutz ist indes auf dem Trainingsplatz und auf dem Spielfeld nicht möglich.
Positive Signale hatte die DFL zuvor schon von Markus Söder und Armin Laschet, den Ministerpräsidenten von Bayern und Nordrhein-Westfalen, erhalten. Beide befürworteten Geisterspiele im Mai, auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich dafür offen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen bleibt trotz der positiven Signale aus der Politik bei ihrer kritischen Haltung zu Geisterspielen in der Bundesliga. „Wir wissen noch immer viel zu wenig, wie der Coronavirus gestoppt werden kann. Aber wir wissen, dass auch Geisterspiele tausende von Fußballfans anlocken können“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Michael Maatz am Mittwoch.
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Im Fall von Fan-Ansammlungen „im Umfeld der Stadien, vor den Mannschaftshotels oder irgendwo sonst in den Innenstädten“ müsse die Polizei dagegen vorgehen. „Auch wenn sich die Polizisten dabei selber in Gefahr bringen, mit dem Virus infiziert zu werden“, sagte Maatz. Zudem befürchtet die GdP, dass durch einen frühzeitigen Neustart der Bundesliga auch in anderen Bereichen die Akzeptanz der bestehenden Abstands- und Kontaktregeln schwinden wird. „Das ist eine Entwicklung, die wir auf jeden Fall verhindern müssen“, sagte Maatz.
Überzeugungsarbeit muss die DFL auch noch innerhalb der Bevölkerung leisten. 46 Prozent finden den Plan, möglichst bald die noch neun ausstehenden Saison-Spieltage in Stadien ohne Zuschauer zu absolvieren, nicht richtig. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa. 34 Prozent der Befragten sprachen sich hingegen für die Geisterspiele aus.
Die Bundesliga hat die kritischen Stimmen aus dem Land jedenfalls vernommen und gibt sich plötzlich demütig. „Wenn wir die Krise überstanden haben sollten, muss sich im Fußball einiges ändern“, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der ZDF-Sendung Markus Lanz am Dienstagabend. Man müsse wieder „puristischer werden“, meinte Watzke und monierte konkret „die Sachen wie Gold-Steak-Geschichten und die ganze Protzerei.“
Liga-Chef Christian Seifert ging sogar noch weiter und brachte Obergrenzen bei Spielergehältern, Beraterhonoraren und Ablösesummen ins Gespräch. „Wir wollen nicht einfach nur irgendwie durch die Krise kommen und dann weitermachen wie bisher“, sagte Seifert der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Auch er habe in der Bundesliga genügend Dinge gesehen, erlebt und gehört, „die mich nicht unbedingt begeistern“.
Seifert hofft auf die Möglichkeit einer Gehaltsobergrenze. „Doch Tatsache ist, dass ein Salary Cap gegen europäisches Recht verstößt“, sagte er. „Sollten neue Signale seitens der Politik gesendet werden, gebe ich Ihnen Brief und Siegel, dass UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zur EU fährt und dort sagt: Lasst uns über Salary Caps, über die Begrenzungen von Ablösesummen und Beraterhonoraren sprechen. Und ich bin der Erste, der ihn begleitet.“ Wenn es möglich sei, Managergehälter zu deckeln, dann müsse es auch möglich sein, Gehälter von Beratern und Spielern zu deckeln.
Doch das ist erst einmal Zukunftsmusik, aktuell geht es um die Rettung der Saison. Und da wurden mit dem Konzept der DFL wichtige Schritte gemacht. „Der Arbeitsschutz der Spieler, Trainer und Betreuer kann bei vollständiger Umsetzung des Konzepts weitgehend sichergestellt werden“, heißt es aus dem Arbeitsministerium mit Blick auf das weiterentwickelte Konzept in einem Schreiben von Björn Böhning (SPD) als Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium.
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Die DFL hatte ihr Konzept für den Wiederbeginn des Liga-Fußballs nach Hinweisen des Arbeitsministeriums weiterentwickelt. In der aktuellen Fassung sei das Konzept „sinnvoll, reduziert Risiken und ist daher arbeitsschutzrechtlich akzeptabel“, heißt es von Böhning. Die DFL hatte in einem Schreiben ans Arbeitsministerium, das dem RND ebenfalls vorliegt, von einer „Quasi-Quarantäne“ der Spieler gesprochen.
Sollten sich die Konzepte bewähren, könne dies laut Beschlussvorlage der Sportministerkonferenz (SMK) auch auf die Frauen-Bundesliga und den DFB-Pokal ausgeweitet werden. Knackpunkt bleibt aber auch die Frage: Was ist bei einem Positiv-Test? Die SMK hält in diesem Fall Quarantänemaßnahmen für das betroffene Team für erforderlich.
Watzke ist da aber zuversichtlich: „In diesem geschlossenen System bin ich ziemlich sicher, dass wir es hinkriegen, dass es keinen Fall gibt. Mit diesem System, was wir jetzt bilden, gibt es kaum eine Branche, die eine so höhere Sicherheit hat. Ein Geisterspiel ist eine der sichersten Veranstaltungen überhaupt.“ (Tsp, dpa)