Neue Absagen, verschobene Regeländerungen: Wie die Formel 1 gegen die Coronavirus-Krise ankämpft
In der Formel 1 werden wegen des Coronavirus keine Rennen gefahren. Das trifft vor allem kleinere Teams. Doch die Not macht die Verantwortlichen erfinderisch.
Die Formel 1 greift zu drastischen Maßnahmen. Weil die Saison nach der Absage der Mai-Rennen frühestens im Juni starten kann und kleinere Teams in der Corona-Krise um ihren Fortbestand bangen müssen, handeln die Verantwortlichen der wichtigsten Rennserie im Motorsport.
Die eigentlich für 2021 angedachten Regeländerungen wurde in einer Telefonkonferenz mit Formel-1-Chef Chase Carey, FIA-Vertretern und den zehn Teamchefs auf 2022 verschoben. Die 2020er Chassis werden bis Ende 2021 beibehalten. Über andere Teile, wie Getriebe, Aufhängungen und Aerodynamik, wird noch diskutiert. Um weiter Geld zu sparen, fordern einige Teams, dass so viele Bauteile wie möglich noch in diesem Jahr homologiert werden müssen, was bedeuten würde, dass sie 2021 nicht mehr verändert werden dürfen. Die Details soll eine Expertengruppe aus Ingenieuren der Teams und der FIA noch genauer klären.
Die Formel-1-Aktie von Liberty ist um 60 Prozent gefallen
Durch diese Veränderungen wäre man auch in Sachen Kalender flexibler: Sollte es mit dem geplanten Saisonstart in Baku nicht klappen, sondern erst noch später wieder gefahren werden können, würde die 2020er Saison womöglich bis in den Januar 2021 reichen. Die ausgefallenen Rennen auf der Südhalbkugel würde man in den Winter schieben, die neue Saison dann im April 2021 starten. Die Sommerpause wurde ja sowieso schon auf die jetzige Pause im Frühjahr vorverlegt, um im August noch das ein oder andere Rennen ins Programm quetschen zu können.
Dazu kommt im nächsten Jahr noch die Einführung der Kostenobergrenze, die im Gegensatz zu den technischen Neuerungen auch kommen wird. Teams haben damit nur noch 175 Millionen US-Dollar pro Jahr zur Verfügung. Allerdings stehen in den Vorgaben auch noch jede Menge Ausnahmen, die das Budget in die Höhe treiben.
Die Unsicherheit und Angst spiegelt sich längst auch an der Börse wider: Die Formel-1-Aktie von Liberty ist von 46 Dollar (40,80 Euro) am 20. Februar innerhalb von nur 27 Tagen auf einen Tiefststand von 18,30 Dollar (16,60 Euro) am 17. März gefallen. Der Grund liegt auf der Hand: Keine Rennen, kein Geld. Die Antrittsgebühr für die Grands Prix von Australien, Bahrain, Vietnam und China hätte insgesamt rund 150 Millionen Dollar gebracht – die jetzt komplett wegfallen. Für den abgesagten Grand Prix von Australien hat man die Verluste offenbar geteilt: Der Veranstalter blieb auf seinen Organisations- und Aufbaukosten sitzen, die Formel 1 auf dem entgangenen Startgeld.
Wenn die Saison startet, könnte sie bis ins Jahr 2021 reichen
Auch bei den TV-Verträgen muss Liberty Einbußen hinnehmen. Je nach Vertrag bekommen die Fernsehsender bei Absagen Rabatt. Und ohne Rennen gibt es auch keine Einnahmen von den Event-Sponsoren. Das schlägt sofort auf die Teams durch: Die bekommen während der Saison monatliche Abschlagszahlungen von Liberty, auf der Basis der für 2020 geschätzten Einnahmen. Und die muss man gerade dramatisch nach unten korrigieren. Auch die eigenen Team-Sponsoren zahlen normalerweise nur für Grands Prix, die stattfinden.
Die Werksteams können das noch eher verkraften. Kleinere Rennställe trifft es wesentlich härter. Wobei auch die Großen Probleme bekommen dürften, sobald sie nicht mehr profitabel sind. Denn in Zeiten, in denen die Automobilhersteller selbst auch unter Druck stehen, erwarten etwa Mercedes und Renault von ihren Formel-1-Teams, dass sie wenigstens kein Geld kosten. Formel-1-Sportchef Ross Brawn sagt zum Thema Geld: „Die Teams überleben dank des Preisgelds, das wir ausschütten. Also werden Rennabsagen die Budgets der Zukunft belasten. Jeder gestrichene Grand Prix wird auch Auswirkungen auf uns als Unternehmen haben.“
Die Dramatik der Situation schlägt inzwischen überall durch, auch im Umfeld der Formel 1: Die US-amerikanische Rennstrecke in Austin, die erst einmal ihre Tore komplett geschlossen hat, musste bereits Mitarbeiter entlassen. Teams der kleineren Formel-1-Rahmenserien wie der Formel 2, der Formel 3 oder des Porsche Supercups bangen um ihre Existenz, die Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze. Genauso wie viele Menschen im Bereich der Zulieferindustrie oder Event- und Catering-Firmen.
Momentan fahren die Piloten in E-Rennen gegeneinander
Um die Fans bei Laune zu halten, hat sich die Formel 1 eine virtuelle Serie einfallen lassen, die die ausfallenden Rennen ersetzen soll: In der treten jeweils einige Formel-1-Fahrer in E-Rennen gegen Konkurrenten aus anderen Serien an. Max Verstappen und Lando Norris waren dabei schon im Einsatz. Auf Dauer wird das die Formel 1 allerdings nicht retten können.