Debatte um Geisterspiele in der Bundesliga: Der Fußball darf sich nicht überhöhen!
Ein großer Beitrag für die Gesellschaft? Eine verbindende Kraft? Nein, dem Fußball geht es ums Geld. Einen Sonderweg hat er nicht verdient. Ein Kommentar.
Fußball ist mehr als ein Spiel. Wer im glamourösen Geschäft mit dem Ball sein Geld verdient, hat dieses ungeschriebene Gesetz verinnerlicht. Ebenso wie den Antrieb, dieses ungeschriebene Gesetz jedem jederzeit verklickern zu müssen: Welch verbindende Kraft der Fußball ausstrahle und welch großen Beitrag er für die Gesellschaft leiste.
Das stimmt, doch richtig ist auch: Der Profi-Fußball ist ein riesiger Wirtschaftsbetrieb, in dem Milliarden umgesetzt werden. Ob und wie der Fußballbetrieb hierzulande fortgesetzt werden kann, darüber wollen am Donnerstag die 36 Profiklubs bei der Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) beraten. Es geht also vor allem ums Geld und nicht um den gesellschaftlichen Beitrag.
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Noch pausieren Bundesliga und Zweite Liga bis 30. April wegen der Coronavirus-Pandemie. Wie es vielleicht ab Mitte Mai mit Geisterspielen ohne Zuschauer weitergehen könnte, soll auch anhand eines ausgeklügelten Gesundheitskonzepts vorgestellt werden – unter anderem mit strengen Hygienevorgaben für Spieler, Trainer und Betreuer.
Aus der Politik hat der Fußball für die geplanten Maßnahmen bisher viel Lob und positive Signale erhalten – besonders in Person zweier ambitionierter Ministerpräsidenten: Bayerns Markus Söder und Nordrhein-Westfalens Armin Laschet. Und am Mittwoch zeigte sich auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn offen für die Geisterspiele. Diese seien eine Rückkehr in ein Stück Normalität für Millionen Fans.
Ein baldiger Neustart der Bundesliga ist demnach möglich. Die große Frage ist jedoch: Warum darf der Profi-Fußball diesen Sonderweg gehen?
Gesonderte Regeln etwa für Restaurants, Hotels, Freizeitparks oder Fitnessstudios haben Söder und Laschet jedenfalls noch nicht verkündet. Söders Argument, wonach ein Wochenende mit Fußball deutlich erträglicher sei „als ein Wochenende ohne Fußball“, ist nur scheinheilig. Viele Menschen haben gerade andere Probleme als die Wochenendgestaltung.
Ja, der Fußball besitzt einen besonderen Stellenwert für viele Deutsche. Deshalb nutzen ihn Politiker zur Image-Aufpolierung. Deshalb konnte die DFL um ihren cleveren Chef Christian Seifert die Politik vor ihren Karren spannen.
Dass die Funktionäre dies tun, ist nicht zu verurteilen. Pläne für einen Neustart gehören zu ihrer Aufgabe – das ist ebenso in Fabriken der Fall. Dazu gehören auch Coronavirus-Tests. Doch ob es für Altenpfleger, Lehrer und Supermarktangestellte vermittelbar ist, Zehntausende Tests – von dieser Größenordnung gehen Experten aus – für Fußballspieler zu nutzen, ist zweifelhaft.
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Der Fußball sollte sich besonders in diesen Zeiten nicht überhöhen. Dass diese Gefahr jedoch besteht, zeigen Aussagen wie jene des Vorstandschefs von RB Leipzig, Oliver Mintzlaff: „Es wäre schön, wenn wir den Fans durch den Fußball wieder ein Stück Lebensfreude geben könnten“, verkündete er. Lebensfreude? Wirklich? Es sind knallharte wirtschaftliche Interessen, die die Bundesliga-Vertreter antreiben, den Betrieb am Laufen zu halten.
Nur wenn weiter gespielt wird, fließt auch weiter das Geld von den Fernsehsendern. Diese Millionen brauchen fast alle Profi-Klubs dringend – bei manchen würden sonst bereits in einigen Wochen die Lichter ausgehen, sogar bei einem Traditionsverein wie Schalke 04. Eben weil die TV-Gelder schon längst ausgegeben sind.
Es muss andere Wege der Politik geben, um Klubs und deren Angestellte zu retten, als einer Branche, in der einige überaus schlecht wirtschaften, nun eine Sonderrolle einzuräumen. Derzeit steht einfach viel mehr auf dem Spiel als der Fußball.