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Die Muskeln spielen lassen: Peyton Siva (links) und Alba Berlin greifen nach dem ersten Titel der Saison.
© Andreas Gora/dpa

Vor dem entscheidenden Finalspiel gegen Valencia: Warum für Alba Berlin der Eurocup-Sieg möglich ist

Auch wenn Alba am Montag auswärts in Valencia antreten muss, hat das Team keine schlechten Chancen auf den Titel. Dafür sprechen in dieser Saison fünf Faktoren.

Mit dem Sieg am Freitagabend in der Arena am Ostbahnhof gegen Valencia hat sich Alba Berlin ein drittes und entscheidendes Finalspiel um den Eurocup gesichert. Ein weiterer Sieg am Montag (20.30 Uhr/Magentasport) würde den größten Triumph des Vereins seit dem Gewinn des Korac-Cups 1995 bedeuten. Fünf Faktoren, warum das in dieser Saison möglich ist:

Der Trainer

Wann immer das Gespräch auf Albas Chefcoach Aito Garcia Reneses kommt, fällt schnell das Wort „Legende“. Seit Jahrzehnten prägt der Spanier den europäischen Basketball und hat dabei eine Vielzahl von Titeln gewonnen sowie etliche Spieler entwickelt. Der erste Titel mit den Berlinern steht noch aus, seine Nachwuchsarbeit funktioniert jedoch bereits: Talente aus dem Alba-Jugendprogramm wie Franz Wagner, Tim Schneider, Jonas Mattisseck oder Bennet Hundt erhalten bereits früh Verantwortung und haben sich als wichtige Puzzlestücke des Teams etabliert. Aber auch ältere Spieler wie Joshiko Saibou, Johannes Thiemann oder Peyton Siva haben unter Reneses noch einmal einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der Ruf des Coaches lockt Spieler nach Berlin, die auch für andere Topklubs spielen könnten. Gleichzeitig zeigt der 72-jährige Reneses, wie moderner Basketball aussieht: Albas Spiel basiert auf Intelligenz und Eigenverantwortung, die Spieler sollen das Spiel lesen und selbst Entscheidungen treffen, anstatt stur Systeme zu laufen. Mit dieser Philosophie eines schnellen, offensiven Team-Basketballs ist Alba für Gegner kaum ausrechenbar – und kommen die Berliner einmal ins Rollen, kann kaum ein anderes Team mithalten.

Die Ausgewogenheit des Kaders

Getragen wird das Team vom unlängst zum wertvollsten Spieler (MVP) des Eurocups gekürten Luke Sikma, Kapitän Niels Giffey und Spielmacher Siva, doch nahezu jeder Spieler im Kader kann heiß laufen und ein Spiel entscheiden. Besonders die Zugänge Martin Hermannsson und Rokas Giedraitis haben die Optionen der Berliner vergrößert und das Team flexibler gemacht. Auch die Athletik von Thiemann, Landry Nnoko und Kenneth Ogbe tut dem Team gut. Da sich auch die Nachwuchsspieler nahtlos ins Spiel einfügen, verfügt Alba über einen tiefen Kader und kann viele unterschiedliche Formationen aufbieten. Nach Verletzungspech in der ersten Saisonhälfte hat Alba nun zudem über einen längeren Zeitraum das ganze Team beisammen, abgesehen vom langzeitverletzten Stefan Peno. Trainer Reneses kann die Spielzeit also ausgeglichen verteilen, was angesichts der vielen Spiele in dieser Saison sehr wichtig für die Fitness des Teams ist.

Der Teamgeist

Wenn sich die Berliner vor dem Spiel im Kabinengang mit viel Gebrüll heißmachen, erhält man eine Ahnung davon, welcher Spirit das Team so auszeichnet. Wer das Team auf und neben dem Feld beobachtet, den lockeren Umgang miteinander im Training sieht oder auch das Gefrotzel und die Blödeleien in den sozialen Medien verfolgt, merkt schnell, dass das Team kein gewöhnliches Kollegenverhältnis pflegt. Die Spieler betonen selbst, welch spezielle Chemie das Team verbindet. Das macht sich durch eine harmonische Mischung aus Anspannung und Lockerheit bemerkbar, bei der der Respekt füreinander spürbar ist. Bestes Beispiel: Das emotionale Zentrum des Teams ist nach wie vor Center Dennis Clifford, obwohl der in dieser Saison mit einer kleineren Rolle zurechtkommen muss.

Der Standort

Das ruhige und seriöse Umfeld des Klubs macht die volle Konzentration auf das sportliche Geschehen möglich. Marco Baldi führt die Geschäfte des Vereins mit einem Blick für langfristige Strukturen und verfolgt durch die tiefgreifende Jugendarbeit des Klubs sowie ein Basketballprogramm in China einen ganzheitlichen Ansatz, der jetzt erste Früchte trägt und den Verein auch in Zukunft gut dastehen lassen soll. „Wir wollten uns immer auch zu einer Institution entwickeln, zu etwas Bleibendem“, sagt Baldi. Als größter Basketballverein des Landes investiert Alba dafür knapp ein Drittel des Budgets, beschäftigt etwa 70 Jugendcoaches und ist Deutscher Meister in allen Jugendklassen. Und mit der näher rückenden Teilnahme an der Euroleague, dem höchsten europäischen Wettbewerb, stimmt auch die Perspektive. Gleichzeitig stehen die Fans der Berliner voll hinter dem Team: Sie sind auch nach allen Enttäuschungen mit bitteren Finalniederlagen positiv geblieben und unterstützen Alba mit vollem Einsatz.

Die Nervenstärke im Eurocup

Die engen Spiele der Berliner im Eurocup sind inzwischen fast schon zur Gewohnheit geworden. Auch beim Heimsieg gegen Valencia musste erst die Verlängerung her. Obwohl Alba das jüngste Team im Eurocup stellt, sind den Berlinern dort einige beeindruckende Siege gelungen: In der Zwischenrunde schaffte Alba etwa ein starkes Comeback gegen Vilnius oder sicherte sich mit einem Schlussspurt gegen Belgrad den Heimvorteil fürs Halbfinale. In der K.o.-Runde gelangen knappe Siege gegen Malaga und Andorra, bei denen Alba zwar teilweise große Vorsprünge aus der Hand gab, am Ende aber cool blieb. Gegen Malaga siegten die Berliner im entscheidenden dritten Spiel sogar in fremder Halle. Das ist nun auch gegen Valencia nötig. Das Team kennt die Situation also bereits und dürfte weniger Druck haben als Valencia, das bereits vor zwei Jahren in der Eurocup-Finalserie das erste Spiel gewann, aber am Ende mit ansehen musste, wie Malaga den Titel in der eigenen Halle gewann. Acht Spieler aus dem heutigen Team standen auch damals schon im Kader von Valencia. Das weiß auch Geschäftsführer Baldi: „Ich glaube, die haben da echt ein Trauma“, sagt er. „Wenn wir in den Kopf von Valencia reinkommen, dann werden wir eine Chance haben.“ Die Chance auf den größten Erfolg seit fast 25 Jahren.

Leonard Brandbeck

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