zum Hauptinhalt
Auf dem Sprung in die Geschichte. Svetislav Pesic trieb sein Team in der Deutschlandhalle zum 85:79-Finalsieg gegen Mailand.
© dpa

Vor 20 Jahren gewann Alba den Korac-Cup: Der Urknall

Vor 20 Jahren gewann Alba Berlin als erstes deutsches Basketballteam einen Europapokal. Hier blicken vier Protagonisten von damals auf den Triumph im Korac-Cup zurück – und auf seine Folgen.

Das Team

Alba ist in der Vorsaison im Play-off-Halbfinale der Bundesliga gescheitert. Vor dem Start der Saison 1994/95 kommt Spielmacher Sasa Obradovic von Roter Stern Belgrad nach Berlin.

Obradovic: Alles war klein. Eine gute Familie, gute Spieler, guter Trainerstab, gute Organisation – aber nichts Großes.

Hauert: Wenn ich mir ein altes Foto ansehe, denke ich: Mit dem Team haben wir das gewonnen? Wahnsinn!

Obradovic: Die kleine Sömmeringhalle ... natürlich hatte ich größere Träume. Ich war der beste Spieler in Serbien, ich wollte einen größeren Job. Alba sollte nur eine Station sein. Am Ende war es aber die beste Entscheidung meiner Karriere, nach Berlin zu kommen.

Pesic: Ich hatte ein Dreieck: Henrik Rödl, Sasa Obradovic und Teoman Alibegovic. Unterstützt von den erfahrenen Gunther Behnke und Stephan Baeck, die mit mir 1993 Europameister geworden waren.

Okulaja: Es war meine erste komplette Saison im Profikader, mit 18 Jahren. Nicht alle meine Lehrer waren kooperativ, das war alles neu.

Hauert: Wir sind fast nach jedem Spiel noch irgendwohin gegangen, haben ein Bier getrunken und was gegessen. Das hat uns zusammengeschweißt.

Okulaja: Das Allerschönste waren die Geschichten. Wenn Rödl vom College erzählt hat oder Alibegovic und Obradovic von irgendwelchen internationalen Spielen. Baeck hat immer Witze erzählt ... also eigentlich war’s immer wieder derselbe Witz. Ich habe alles aufgesogen. Jede Sekunde war für mich ein Geschenk.

Der Hotelier und Immobilienunternehmer Dieter Hauert ist seit 1991 Präsident von Alba und hat den Klub stets auch finanziell unterstützt. Das Finale in Berlin erlebte Hauert mit seinem Vater, seinem Sohn und Bürgermeister Eberhard Diepgen.
Der Hotelier und Immobilienunternehmer Dieter Hauert ist seit 1991 Präsident von Alba und hat den Klub stets auch finanziell unterstützt. Das Finale in Berlin erlebte Hauert mit seinem Vater, seinem Sohn und Bürgermeister Eberhard Diepgen.
© Imago/Camera 4

Obradovic: Pesic hat das Team zusammengestellt und es beisammengehalten, eine großartige Atmosphäre geschaffen.

Okulaja: Er war sehr hart, sehr ehrgeizig. Sein Motto: erst rennen, dann fragen.

Pesic: Nur wenn man im Training mehr investiert als alle anderen, kann man Selbstbewusstsein entwickeln.

Obradovic: Ich war während der Saison verletzt, bin eine Weile ausgefallen und habe das ganze Jahr über kämpfen müssen. Ich habe jeden Tag Voltaren geschluckt. Jeden Tag, nur damit ich trainieren konnte, von September bis Mai.

Okulaja: Bei Pesic, „dem Alten“, ist das Training immer „open end“. Zu Hause habe ich gesagt: Mama, bleib nicht wach, ich komme schon irgendwann.

Der Weg ins Finale

Nach zwei Vorrunden erreicht Alba die Gruppenphase, die das Team nur mit Glück übersteht. Auf dem Weg ins Endspiel schalten die Berliner Spitzenteams wie Fortitudo Bologna oder Estudiantes Madrid aus.

Hauert: Natürlich waren wir ein Underdog. Und die Gegner haben gedacht, sie pusten uns weg. Und dass sie ihre Hallen nicht vollbekommen.

Pesic: Der Korac-Cup war damals der zweitwichtigste Europapokal. Die Europaliga war aber ein reiner Landesmeister-Wettbewerb. Das heißt, im Korac-Cup gab es viele exzellente Mannschaften.

Hauert: Pesic war überzeugt, dass er die alle schlagen kann. Ich persönlich nicht so.

Obradovic: Wenn man sich die Namen anschaut, war es ein harter Weg zum Titel.

Pesic: Wir waren die erste Mannschaft in Deutschland mit einem europäischen Gedanken. Keiner wollte in Europa spielen. Nur wir und Leverkusen – aber Leverkusen war Meister, die mussten.

Hauert: Durch die überraschenden Siege kamen wir erstmals richtig in die Medien. Da fing die Stimmung an: Mein Gott, wir spielen ja wirklich gut.

Svetislav Pesic war von 1993 bis 2000 Trainer bei Alba und führte den Verein neben dem Korac-Cup auch zur ersten Meisterschaft. Mit dem FC Barcelona gewann der Serbe die Euroleague, seit 2012 ist er Coach des FC Bayern.
Svetislav Pesic war von 1993 bis 2000 Trainer bei Alba und führte den Verein neben dem Korac-Cup auch zur ersten Meisterschaft. Mit dem FC Barcelona gewann der Serbe die Euroleague, seit 2012 ist er Coach des FC Bayern.
© dpa

Okulaja: Ich wurde in der Schule plötzlich angesprochen: Ey, Alba steht in der Zeitung.

Pesic: Vor unserem Spiel bei Estudiantes Madrid hat die spanische Sportzeitung „As“ geschrieben, dass „die deutschen Handballer“ kommen. Ich habe den Artikel ausgeschnitten und in der Kabine aufgehängt und gesagt: Seht her, wie sehr sie uns respektieren.

Okulaja: Ein Highlight für mich war mein Dunking bei Estudiantes über deren Center Orenga, eine lebende Legende, wurde später spanischer Nationaltrainer. Der war 2,10 Meter groß, 200, 300 Kilo schwer, Riesenschultern, komplett behaart alles. Hab ich rübergedunkt.

Obradovic: Ich erinnere mich an die wahnsinnige Atmosphäre im Halbfinal-Rückspiel in Caceres. Nach dem Spiel war ich wie taub.

Okulaja: Wenn man drinsteckt, merkt man das nicht so. Aber wir haben uns in eine riesige Euphorie reingespielt.

Das Endspiel

Im Finale trifft Alba auf Stefanel Mailand. Das Hinspiel bei den Italienern endet 87:87.

Okulaja: Für Mailand spielte Gregor Fucka. Ich bin hochgegangen und wollte ihn blocken – und plötzlich switcht der den Ball auf die linke Hand und trifft den Wurf. Ich dachte nur: what the F...? So was hatte ich noch nie gesehen.

Obradovic: Ich habe kaum einmal so gut gespielt wie im Hinspiel in Mailand. Ich habe 34 Punkte gemacht. Alles, was ich an dem Tag gemacht habe, hatte eine andere Geschwindigkeit, eine andere Überzeugung, eine andere Stärke.

Pesic: Vor dem Rückflug nach Berlin hat Dieter Hauert zu mir gesagt: Coach, pass auf, Diepgen hat mich angerufen. Er hat gratuliert, schönen Gruß. Er hat uns die Deutschlandhalle angeboten.

Hauert: Pesic war ein Typ, der auch sofort in eine doppelt so große Halle wie die Deutschlandhalle gegangen wäre.

Pesic: Es gab nichts nachzudenken. Wenn wir ein großer Verein werden wollen, müssen wir in die große Halle.

Sasa Obradovic ist seit 2012 Trainer bei Alba und gewann zuletzt zwei Mal den deutschen Pokal mit den Berlinern. Als Spieler stand der Serbe von 1994 bis 1997 bei Alba unter Vertrag.
Sasa Obradovic ist seit 2012 Trainer bei Alba und gewann zuletzt zwei Mal den deutschen Pokal mit den Berlinern. Als Spieler stand der Serbe von 1994 bis 1997 bei Alba unter Vertrag.
© picture alliance / dpa

Hauert: Wie viel Zuschauer hatten wir denn in der Sömmeringhalle? Tausend vielleicht? Und dann war die Deutschlandhalle in zwei Stunden ausverkauft. Das war für mich sehr emotional. Was? Wir können 10 000 Leute in dieser Stadt für Basketball begeistern? Wieso auf einmal?

Okulaja: Mir war es in dem Alter egal, ob ich in einer leeren Halle spiele oder vor 1000 Leuten. Vor 10 000 Leuten ist es dann aber schon ein gigantischer Unterschied. Da denkst du nur: nicht verkacken. Nicht auf den Fuß dribbeln.

Obradovic: Natürlich war Mailand auf dem Papier stärker. Aber mit jeder Minute wurde klarer: Ja, wir können sie kriegen. Das ist auch heute noch für mich die entscheidende Antwort: Es geht nicht darum, was vorher ist. Nicht um das Papier.

Hauert: Nach dem 85:79-Sieg haben wir fürchterlich Zigarren geraucht. Ich weiß gar nicht, wo wir die hergezaubert haben. Später, als wir uns daran gewöhnt hatten, dass wir wahrscheinlich Meister werden, hatte ich immer schon vorher eine Kiste gekauft.

Okulaja: Vor dem Vip-Raum standen Hostessen mit Champagner. Dieter Hauert stand da und hat gesagt: Du musst den trinken, sonst kommst du nicht rein. Ich trinke keinen Alkohol, er hat aber darauf bestanden. Ich habe einen halben Fingerhut getrunken, mir war total schwindlig, noch voll mit Adrenalin.

Die Folgen des Titels

Alba scheitert 1995 im Finale an Leverkusen, wird dann aber sieben Mal in Serie Deutscher Meister.

Hauert: Wir haben Basketball in Berlin etabliert – und dabei war der Korac-Cup ganz, ganz wichtig.

Okulaja: Wir wurden danach ganz anders wahrgenommen. Vorher war Basketball Randsportart.

Hauert: Alles, was später kam, war eine Folge daraus. Wir haben gemerkt: Wenn wir diesen Weg weitergehen, machen wir Berlin zu einer Basketball-Hochburg.

Obradovic: Ich sehe das Team immer noch als ein Modell dafür, wie es funktionieren soll. Und wie ich heute meine eigenen Mannschaften zusammenstelle.

Hauert: Auch die Sponsoren haben sich leichter getan. Auch die Kleinen mit 20 000, 50 000, 80 000 D-Mark. Die haben gesehen: Oh, da entwickelt sich was. Das Ding ist wirklich Gold wert gewesen.

Ademola Okulaja wechselte nach dem Gewinn des Korac-Cups in die USA ans College von North Carolina. Nach einer weiteren Saison im Alba-Trikot spielte er unter anderem in Girona, Barcelona, Malaga, Moskau, Köln und Bamberg. Heute betreut der 39-Jährige als Agent Nationalspieler wie Daniel Theis, Elias Harris oder Dennis Schröder.
Ademola Okulaja wechselte nach dem Gewinn des Korac-Cups in die USA ans College von North Carolina. Nach einer weiteren Saison im Alba-Trikot spielte er unter anderem in Girona, Barcelona, Malaga, Moskau, Köln und Bamberg. Heute betreut der 39-Jährige als Agent Nationalspieler wie Daniel Theis, Elias Harris oder Dennis Schröder.
© Imago

Pesic: Obradovic ist Trainer bei Alba, Rödl in Trier, Machowski in Oldenburg, Freyer in Trier, Baeck ist im Basketball geblieben, Okulaja auch. Vorher gab es kaum Ex-Spieler im deutschen Basketball. Diese Alba-Generation ist aber dabeigeblieben.

Obradovic: Gewinnen macht süchtig. Wenn du das einmal erlebt hast, verlässt dich dieses Gefühl nicht.

Hauert: Eigentlich hat unsere Entwicklung verkehrt herum angefangen. Eigentlich hätten wir fünf Mal Meister werden sollen – und dann den Europapokal gewinnen. Korac kam viel zu früh. Aber er kam dann doch genau richtig.

Zur Startseite