Drei Corona-Fälle beim 1. FC Köln: König Fußball muss zurückgepfiffen werden
Spätestens jetzt sollte allen klar sein, warum die Bundesliga so schnell nicht wieder starten darf. Das Signal wäre verheerend. Ein Kommentar.
Der römische Dichter Juvenal hat sich bestimmt nicht träumen lasen, dass seine satirische Zuspitzung über das primitive wie perfide Prinzip der Macht auch im dritten Jahrtausend noch angesagt ist. Brot und Spiele - damit lässt sich immer noch viel gewinnen. Das glaubten so einige, die in diesen schweren Zeiten für die leichte Unterhaltung der Menschen gekämpft haben. Dafür, dass möglichst schnell wieder Fußball in der Bundesliga gespielt wird.
Nun sind die Umstände und Probleme der Jetztzeit selbstverständlich andere als im römischen Kaiserreich. Doch erfolgreiche Strategien altern nicht. Oder wie hat es ein Abgeordneter vor kurzem erst in schönster anonymer Offenheit zugegeben: Man wird nicht wiedergewählt, wenn man den Deutschen jetzt auch das noch verbieten würde.
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Auch das noch! Wirklich? Spätestens nachdem der 1. FC Köln am Freitagabend drei positive Coronavirus-Fälle gemeldet hat, sollte auch dem Letzten klar geworden sein, wie falsch dieses Spiel ist. Nach Angaben der „Bild“ sind zwei Kölner Profis und ein Physiotherapeut betroffen.
Damit zeigt die Bundesliga im Kleinen, was die Probleme im großen Ganzen sind – wie unsicher, unwägbar und unplanbar in der jetzigen Lage alles ist. Noch weiß niemand genau, wie sich die Öffnungen der ersten Geschäfte und Schulen auf die weitere Ausbreitung des Coronavirus auswirken werden. Noch haben viele Menschen keine Ahnung, wie es für sie weitergehen soll, beruflich wie privat. Noch mühen sich viele Eltern mit Kind im Homeoffice ab, um überhaupt irgendwie alles gewuppt zu bekommen. Andere fürchten um ihre Existenz.
Aber der Ball soll nach den Wünschen von Politikern wie Markus Söder (CSU), Armin Laschet (CDU) oder Christian Lindner (FDP) endlich wieder rollen. Sie müssen sich völlig zurecht die Frage gefallen lassen, wie es wohl im kleinen Kosmetikstudio, Fitnesscenter oder Amateurverein um die Ecke ankommt, wenn der große Fußball bevorzugt behandelt wird.
Ja, im „Land der Küchenbauer“ (Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet) und Autofahrer ist wohl tatsächlich noch mehr möglich: Da kommt die stärkste Lobby vielleicht aus dem Spiel- und Spaßbetrieb. Doch König Fußball darf das Land nicht regieren. Falls doch, sollte sich bitte keiner wundern, wenn Fans ihr altes Liedgut neu auflegen und „scheiß Millionäre“ singen, sobald sie wieder in die Stadien ziehen dürfen.
Aus Sicht der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ist es ja vielleicht noch verständlich, dass sie sich für ihre Sache einsetzt. Und natürlich hängen auch am System Profifußball viel mehr Menschen als die Männer - und nur um die geht es ja leider wieder einmal zunächst - auf dem Platz. Auch war es von der DFL sicherlich clever, den Ball ins Feld der Politik zu rollen. Soll die doch entscheiden, wann es soweit ist - dann sind wir immerhin nicht die alleinigen Buhmänner. Allerdings könnte es dafür längst zu spät sein.
Alles wird besser nach der Krise? Wer soll das glauben?
Zwar beteuert die DFL in Person von Chef Christian Seifert, aus der Krise jetzt lernen und danach einiges ändern zu wollen. Schluss mit der Protzerei und Überheblichkeit, sogar von Gehaltsobergrenzen ist die Rede. Doch wer soll das glauben? In Wahrheit ist die Liga ihrem Ruf doch genau mit ihrem geplanten Sonderweg wieder gerecht geworden. In Zeiten, in denen sie ihre Demut beweisen und sich bewusst hinten anstellen könnte, nimmt sie sich weiter viel zu wichtig.
Zur Beweisführung reicht ein Satz von Hans-Joachim Watzke. „Der Bundesligastart wäre ein Qualitätszeugnis für die Deutschen“, ließ der Geschäftsführer von Borussia Dortmund verlauten. Als ob in Zeiten einer historischen Ausnahmesituation die Fußballelite irgendein Maßstab für Qualität setzen oder zum Vorbild taugen könnte.
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Die Politik darf den Ball nicht aufnehmen und bei den nächsten Beratungen am Mittwoch das Sicherheits- und Hygienekonzept der Liga abnicken. Das muss nun klar sein, nachdem der Beweis erbracht worden ist, dass sich die Liga und ihr Umfeld nicht einfach so in Quarantäne stecken lassen. Auch die Frage, was passiert, sollten sich während einer laufenden Saison Spieler aus einer Mannschaft der Ersten und Zweiten Liga mit dem Virus infizieren, ist immer noch nicht ausreichend beantwortet worden.
In anderen großen europäischen Ligen wie Frankreich haben sie das längst eingesehen - und den Spielbetrieb für diese Saison beendet. Nun ist die deutsche Politik gefragt. Man möchte ihr zurufen: Vergesst Brot und Spiele! Lasset die Geisterspiele nicht beginnen! Sonst werden die Verantwortlichen die Geister, die sie gerufen haben, später womöglich nicht mehr los.