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Ballverteiler. Arne Maier, der im zentralen, defensiven Mittelfeld spielt, kann sich bedingungslos auf die Technik in seinen Füßen verlassen.
© imago/Matthias Koch

Der nächste Nationalspieler von Hertha BSC?: Arne Maier: Schnell im Kopf, sicher mit den Füßen

Arne Maier ist erst 19, aber seit knapp einem Jahr fester Bestandteil der Profi-Mannschaft von Hertha BSC. Trainer Pal Dardai traut ihm noch viel mehr zu.

Neulich im Training hat Arne Maier, wie es so schön heißt, mal richtig einen rausgehauen. Aus gut 18 Metern versuchte er es mit einem Volleyschuss. Der Ball flog genau in den Winkel, die Mitspieler applaudierten. „Wo hast du den denn hergeholt?“, fragte Fabian Lustenberger – und rief dann: „Ronaldinho!“ Arne Maier blickte betreten zu Boden, fast so, als wäre ihm die Lobhudelei einfach nur peinlich. Würde ja passen zu dem 19 Jahre alten Maier, von dem alle erzählen, dass er trotz seines Höhenflugs in den vergangenen Monaten einfach ein bescheidener Bursche geblieben ist. Aber nein, sagt er selbst, war gar nicht so, wie es ausgesehen hat: „Das ist immer lustig gemeint.“ Und der Vergleich mit Ronaldinho, „da lach’ ich drüber“.

Ein paar Tage zuvor hatten sie sich im Amateurstadion von Hertha BSC tatsächlich von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden: Ronaldinho, der frühere Weltfußballer, 38 Jahre alt, und der halb so alte Maier. „War cool, ihn hier zu sehen“, sagt er. Vor allem, weil der Brasilianer seinetwegen gekommen war. Ronaldinho übergab ihm ein Paar neuer Fußballschuhe vom gemeinsamen Ausrüster. Das sagt einiges darüber, wie Maier gesehen wird, vor allem: was ihm noch zugetraut wird. Ob Ronaldinho wusste, mit wem er es zu tun hatte. „Nee“, sagt Maier und lacht. „Der reist andauernd um die Welt, ist immer unterwegs. Was weiß ich, wie viele Gesichter der am Tag sieht?“

Das von Arne Maier, Profi des Berliner Fußball-Bundesligisten Hertha BSC, sollte er sich vielleicht merken.

Als der deutsche Fußball in diesem Sommer mal wieder eine depressive Phase durchlebte, als er nicht wusste, wie es nach dem WM-Desaster in Russland überhaupt weitergehen solle, da hat das Land verschärft nach Lichtblicken im Dunkel gesucht. Arne Maier, Herthas Mittelfeldspieler, tauchte verlässlich auf all den Listen mit den potenziellen Nationalspielern der Zukunft auf. „Das ist schon cool, dass da auch mein Name gefallen ist“, sagt er.

Mit 16 trainierte er erstmals mit den Profis

Sein Kumpel Kai Havertz, der fünf Monate jünger ist und mit dem er seit der U 16 sämtliche DFB-Teams durchlaufen hat, wurde von Bundestrainer Joachim Löw gleich für die ersten beiden Länderspiele nach der WM berufen. Als „vollkommen verdient“, hat Maier das empfunden. „Er ist ein überragender Spieler. Und ein überragender Mensch. Da gibt es keinen Neid“, sagt er. „Ich bin doch nicht auf meinen Kumpel neidisch. Ich bin froh, dass er es geschafft hat.“ Zumal Maier selbst erstmals für die U-21-Nationalmannschaft nominiert wurde und er die U 20 dabei einfach übersprungen hat.

„Wenn er dran bleibt, gierig bleibt, einen Tick mehr Torgefahr ausstrahlt, kann er weit kommen“, sagt Rainer Widmayer, der Assistent von Herthas Cheftrainer Pal Dardai, über den defensiven Mittelfeldspieler. Schon mit 16 trainierte Maier erstmals bei den Profis, mit 18 debütierte er in der Bundesliga, als er am vorletzten Spieltag der Saison 2016/17 in der Schlussminute gegen Darmstadt 98 eingewechselt wurde. An einen Ballkontakt kann sich Maier nicht erinnern; überhaupt empfindet er dieses Spiel „nur auf dem Zettel“ als sein Profidebüt.

Der eigentliche Beginn seiner Karriere fand fünf Monate später statt, in einem nicht mal halbvollen Stadion im Westen der Ukraine. Im Europa-League-Spiel bei Sorja Luhansk in Lemberg durfte Maier vor knapp einem Jahr zum ersten Mal von Anfang an spielen. „Wenn man ehrlich ist, war das mein erstes richtiges Spiel als Profi“, sagt er. „Es war auch das Spiel, das mir am meisten bedeutet.“

Seitdem ist Maier, der vor elf Jahren aus seiner Heimatstadt Ludwigsfelde in den Nachwuchs von Hertha wechselte, aus der Mannschaft kaum noch wegzudenken. Wenn er fit ist, steht er zumindest im Kader – so wie am Samstag im Olympiastadion gegen Borussia Mönchengladbach (15.30 Uhr, Sky). Routiniers wie Fabian Lustenberger, 30, oder Per Skjelbred, 31, hat er längst hinter sich gelassen. „Was er von Anfang an konnte, war: fast fehlerfrei zu spielen“, sagt Widmayer. Maier kann sich bedingungslos auf die Technik in seinen Füßen verlassen, dazu verfügt er auf dem Feld über ein funktionierendes Navigationssystem. „Vom Kopf ist er extrem schnell“, sagt Widmayer.

Dardai: "Er ist innerlich ein Mann geworden"

Im Frühjahr hat Maier seinen Vertrag bei Hertha bis 2022 verlängert, trotzdem wird immer wieder über das Interesse großer Klubs spekuliert. Überraschend kommt das nicht. „Er macht seinen Job sehr gut“, sagt Trainer Dardai. Maier hat den Übergang von der Jugend zu den Profis erstaunlich geschmeidig hinbekommen. „In der Kabine hat er jetzt einen anderen Charakter. Er ist nicht mehr so ängstlich“, findet Herthas Trainer.

Maier selbst hält sich für selbstbewusster. „Am Anfang war man noch der Neue, der Jugendspieler“, sagt er. „Aber die Kollegen merken auch, wenn du der Mannschaft helfen kannst. Sie reden mehr mit dir. Das Standing ist jetzt ein ganz anderes.“ Auch sein Aussehen. „Wenn man sich Bilder von vor einem Jahr anschaut, erkennt man schon den Unterschied“, erzählt Maier. Gut dreieinhalb Kilogramm hat er an Muskelmasse zugelegt, vor allem am Oberkörper.

„Innerlich ist er ein Mann geworden“, sagt Trainer Dardai. „Aber für mich ist er immer noch ein Rohdiamant. Fußballerisch hat er noch Luft nach oben. Er kann die Bälle noch mehr nach vorne spielen und selber Tore machen.“ Maier wartet immer noch auf sein erstes Tor als Profi. Ein einziger Assist ist ihm in nun 26 Einsätzen gelungen. In der Jugend hat Maier eigentlich immer getroffen oder zumindest Tore vorbereitet. Im Dezember, beim Auswärtsspiel in Leipzig, war er ganz nah dran. Bei einem Konter scheiterte Davie Selke an Leipzigs Torhüter Gulasci. Der Ball schien Maier genau vor die Füße zu prallen. Doch er war schon einen Schritt zu weit vorne, stoppte ab – und rutschte auf dem nassen Rasen aus.

Maier hat sich die Szene am Abend noch 40 Mal angeschaut. Aber selbst bei eingehender Betrachtung war ihm kein schuldhaftes Verhalten nachzuweisen; es war einfach nur Pech. Trotzdem hat Arne Maier sich geärgert: „Es wäre mein erstes Tor gewesen.“

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