zum Hauptinhalt
Lenker. Arne Maier wird von den Experten besonders für sein überragendes Spielverständnis und seine gute Übersicht gelobt.
© imago/Manngold

Das herausragende Talent von Hertha BSC: Arne Maier: So jung und schon so erwachsen

Arne Maier von Hertha BSC erhält am Wochenende die Fritz-Walter-Medaille in Silber. Als er vor zwei Jahren die Medaille in Bronze erhielt, erschien dieser Text.

Arne Maier trägt jetzt wieder eine feste Zahnspange. Das ist nichts, was einen 19-Jährigen in Ekstase versetzt; sieht eben ein bisschen blöd aus und ist so etwas wie das inoffizielle Markenzeichen der Pubertät. Aber Maier weiß die Spange durchaus zu schätzen. Vielleicht wird er in ein paar Jahren sogar sagen, dass er es diesem Stück Metall in seinem Mund zu verdanken hat, es überhaupt in den Profifußball geschafft zu haben.

Maier war lange verletzt, er hatte Probleme mit der Leiste, und niemand konnte ihm sagen, woher diese Probleme kommen. Dieses und jenes wurde probiert, doch nach jedem Comebackversuch kehrten die Schmerzen zurück – bis bei Maier eine Fehlstellung des Kiefers festgestellt wurde, die über den Rücken in die Leistengegend abstrahlte. Fast ein Dreivierteljahr ist der Jugendspieler von Hertha BSC insgesamt ausgefallen, aber seit mehreren Monaten ist er jetzt wieder richtig gut drauf, erzählt Meikel Schönweitz, der Trainer der deutschen U-17-Nationalmannschaft. Anfangs habe Maier in den Zweikämpfen noch ein bisschen Angst gehabt, „aber er wird wieder robuster“.

Der Junge aus Ludwigsfelde hat sich zurückgekämpft, sich nicht unterkriegen lassen. Maier vermutet, dass er auch deshalb in der vergangenen Woche im gebügelten weißen Hemd auf einer Bühne in Mönchengladbach stand. Aber es ist nicht allein seine Willensstärke, die ihn hier hingebracht hatte, weil ihm die Fritz-Walter-Medaille in Bronze verliehen wurde; es sind vor allem seine überragenden fußballerischen Fähigkeiten.

Maier macht im Gespräch einen sehr aufgeräumten Eindruck, ist bescheiden und höflich. Er geht in die 11. Klasse der Poelchau-Schule, will im Frühjahr sein Fachabitur ablegen und lebt noch in Ludwigsfelde bei seinen Eltern, die ihn mit seiner Freundin und seinen Großeltern nach Mönchengladbach begleitet haben. Schon mit acht Jahren ist Maier vom Ludwigsfelder FC zu Hertha gewechselt. Als die Berliner zum ersten Mal bei ihm anfragten, hat er noch abgesagt, weil er Angst hatte, seine Freunde in Ludwigsfelde zu verlieren. Beim zweiten Mal, ein halbes Jahr später, stimmte er zu. Maier hatte damals, noch als Stürmer, in einem Jahr 200 Tore erzielt. Oder waren es 300? So genau weiß er das nicht mehr.

Herausragender Nachwuchsfußballer seines Jahrgangs

Die Fritz-Walter-Medaille weist Maier nun als einen der herausragenden Nachwuchsfußballer seines Jahrgangs aus. Das heißt aber nicht, dass die große internationale Karriere automatisch folgt. Wenn man das irgendwo weiß, dann bei Hertha BSC. Bei den seit 2005 Geehrten ist der Klub zwar mit Kevin-Prince und Jerome Boateng prominent vertreten, aber unter den Medaillengewinnern finden sich eben auch Lennart Hartmann, Shervin Radjabali-Fardi, Anthony Syhre und Damir Bektic. Hartmann, Herthas jüngster Bundesligadebütant und immer noch erst 25, spielt inzwischen für die VSG Altglienicke in der fünften Liga.

Auch von Hartmann hat man einmal geschwärmt – so wie nun von Arne Maier, der im Mittelfeld flexibel einsetzbar ist, auf der Sechs, auf der Zehn oder, wie bei der U-17-Europameisterschaft, auf der Halbposition in einer Raute. „Er galt bereits in der U 14 und U 15 als eines der Top-Talente in Deutschland“, sagt U-17-Nationaltrainer Schönweitz. Seit dem Sommer spielt Maier in Herthas U 19, die mit vier Siegen aus vier Spielen und 21:6-Toren die Tabelle der A-Jugend-Bundesliga souverän anführt.

Arne Maier gehört dem jetzt schon sagenumwobenen 99er-Jahrgang an, von dem bei Hertha geraunt wird, dass es so viel geballte Qualität in einem Jugendteam vielleicht noch nie gegeben habe. Ein paar dieser Jungs – neben Maier auch Palko Dardai, Florian Baak, Nikos Zografakis, Julius Kade und Panzu Deangelo Ernesto – sind in diesem Sommer bereits mit den Profis ins Trainingslager gefahren. Maier hat sogar schon vor einem Jahr zum ersten Mal mit dem Bundesligateam trainiert – da war er 16.

Auch in Zukunft soll der Mittelfeldspieler in regelmäßigen Abständen immer mal am Training der ersten Mannschaft teilnehmen, vorige Woche spielte er im Test der Profis gegen den Bezirksligisten Italia (12:0) an der Seite von John Anthony Brooks, Marvin Plattenhardt und Fabian Lustenberger. Wenn solche Ausflüge in die Profiwelt wohl dosiert seien, „können sie sehr hilfreich sein“, sagt U-17-Nationaltrainer Schönweitz. Die U 19 ist die letzte und höchste Hürde zum Männerfußball, da schadet es nicht, wenn die Talente früh erfahren, dass Athletik und Dynamik bei den Profis um ein Vielfaches schärfer sind.

Bis die Jungen auflaufen, muss Hertha irgendwie überleben

Trotzdem wird von den 99ern bei Hertha im Grunde schon jetzt nicht weniger erwartet, als dass sie irgendwann einmal den Klub retten. Die gerade zu Ende gegangene Transferperiode hat gezeigt, dass die Berliner selbst bei den mittelgroßen Geschäften zurzeit nur stille Beobachter sind. Cheftrainer Pal Dardai hat daher noch einmal auf die Bedeutung der Akademie hingewiesen. In einem Interview mit der "Berliner Morgenpost" hat er gesagt, dass die Jungs aus der aktuellen U 19 schon in ein, zwei Jahren „viele Leute in Berlin sehr glücklich machen können“. Bis dahin aber müsse Hertha irgendwie überleben.

An großen Worten über den eigenen Nachwuchs hat es bei Hertha nie gemangelt. Gemessen daran und an den durchaus üppigen Investitionen ist der Ertrag, sowohl sportlich als auch finanziell, bisher eher dürftig ausgefallen. Beim 99er- Jahrgang aber scheinen die Berliner nicht viel falsch machen zu können.

Unter den herausragenden Talenten ragt Arne Maier sogar noch mal ein Stück heraus. Als Sechser lässt er sich in Herthas U 19 oft zwischen die Innenverteidiger fallen, um von dort das Spiel aufzubauen. „Ich muss einfach am Ball sein, sonst habe ich für mich kein gutes Spiel gemacht“, sagt er. Maier hat ein gutes Spielverständnis, einen treffenden Blick und eine saubere Passtechnik, sein Spiel wirkt insgesamt schon sehr erwachsen. „Er ist ein dominanter Spieler, unheimlich ballsicher, der das Spiel lenken kann“, sagt U-17-Nationaltrainer Schönweitz. „Trotzdem tritt er total bescheiden auf. Er ist einer, dem man es gönnt, dass er durchkommt.“

Zur Startseite