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Ruhigen Blickes in die Zukunft: Kai Havertz spielt jetzt nicht nur bei Leverkusen, sondern darf sich bald auch das Trikot der Nationalmannschaft überstreifen.
© Katrin Binner

Nationalmannschaft: Neuester Nationalspieler Havertz will zur EM

Am Mittwoch ist Kai Havertz erstmals ins A-Nationalteam berufen worden. Ein Gespräch über WG-Partys, Weggefährten und wer wann die Rechnung zahlt.

Kai Havertz, fiel Ihnen der Schritt schwer, mit 15 Jahren für Ihre Fußballlaufbahn von daheim wegzuziehen?

Es war nicht einfach, meine Mutter war anfangs total dagegen. Doch letzten Endes haben meine Eltern mir die Entscheidung überlassen. Der Kompromiss war, dass sie sich meine Gastfamilie aussuchen konnten. Es wurde zufällig der Stadionsprecher von Bayer Leverkusen, und wir verstanden uns direkt prächtig. Ich zog dann in seinem Altbau in eine Art WG mit zwei anderen Spielern.

Durften Sie WG-Partys feiern?

Nein, das war nicht erlaubt. Wir wohnten im Dachgeschoss, die Familie im zweiten Stock und im Erdgeschoss. Da durften wir nicht zu laut sein, weil der Sound durch das ganze Haus geschallt hätte.

Wie lebt es sich als Teenager mit der Doppelbelastung von Schule und Fußball-Internat?

Da bleibt nicht viel Zeit für anderes. Doch ich habe auch nicht so viel vermisst, weil ich mit 16 wenig Lust hatte, am Wochenende in die Disco zu gehen. Die Schulzeit war aber hart, das gebe ich zu. Ich musste viel Stoff nacharbeiten, den ich wegen des Trainings und der Spiele inklusive Reisen verpasst hatte. Da bin auch mal abends auf den Büchern eingeschlafen. Ich erinnere mich an unser Pokalspiel mit den Profis in Lotte. Das Spiel ging in die Verlängerung, dann ins Elfmeterschießen. Ich habe meinen Versuch verwandelt, aber wir schieden aus. Da war ich um vier Uhr nachts zu Hause, und um acht Uhr morgens musste ich eine Englischklausur schreiben. Die ist dann dementsprechend nicht so gut ausgefallen – ähnlich wie das Spiel in Lotte. Aber ich habe mich durchgekämpft und mein Abitur geschafft.

Sie spielten schon als Teenager in der Champions League. Wie hat Sie das verändert?

Gar nicht. Ich bin derselbe Mensch. Darauf legt auch meine Familie viel Wert. Aber für sie ist es auch eine neue Situation. Plötzlich stehen bei ihnen Leute vor der Tür, von denen sie jahrelang nichts gehört haben. Wir müssen alle unseren Weg finden, wem wir vertrauen.

Sie haben angefangen, Klavier zu spielen. Warum?

Zur Ablenkung, ich muss den Kopf freibekommen. Momentan lerne ich ein klassisches Stück und versuche mich an den Songs aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“. Ich will nicht jede Tonart lernen, sondern einzelne Lieder. Ich habe Unterricht, wenn es gerade passt. Eine Zeitlang traf ich mich ein Mal pro Woche mit einer Lehrerin, aber das ist bei den „Englischen Wochen“ natürlich schwer.

Machen Sie noch etwas anderes, um den Kopf freizubekommen?

Julian Brandt und ich haben angefangen, Golf zu spielen. Im letzten Jahr hat unser damaliger Teamkollege Niklas Lomb uns damit angesteckt. Also sind wir drei nach dem Training auf den Golfplatz gegangen. Gerade ist es eingeschlafen, aber in den nächsten Wochen fangen wir wieder an. Mein Handicap verrate ich besser nicht.

Dann verraten Sie uns Ihre Stärken und Ihre Handicaps auf dem Fußballplatz.

Ich habe eine gute Spielübersicht und Technik. Zu den Schwächen: Ich will an meinem rechten Fuß arbeiten und an meiner Aggressivität. Im Defensivverhalten bin ich manchmal noch nicht diszipliniert genug, wenn die Beine schwer werden.

Sie gelten als große Nachwuchshoffnung, ähnlich wie Ihre Alterskollegen Arne Maier und Gian-Luca Itter. Wie kommen Sie miteinander zurecht?

Wir kennen uns aus den Jugendmannschaften und sind eng miteinander befreundet. Bei der U-17-EM in Aserbaidschan 2016 sind wir nach den Spielen ins Meer gesprungen oder in die Stadt gegangen. Wir haben seither viel Zeit miteinander verbracht und sind im vergangenen Jahr sogar zusammen in den Urlaub gefahren. Wir halten während der Saison über WhatsApp Kontakt, vor kurzem hat mich Arne in Köln besucht.

Haben Sie auch Freunde außerhalb des Fußballs?

Früher war mein Freundeskreis in Aachen größer, heute habe ich außerhalb des Fußballs eigentlich nur noch zwei echte Freunde. Der Kreis sollte auch nicht zu groß sein. Ich merke nämlich schon, dass sich nun mehr Leute bei mir melden, mit denen ich früher nicht viel zu tun hatte. Sie fragen mich dann nach Trikots oder Eintrittskarten. Ihnen geht es dann mehr um den Profi-Fußballer Kai Havertz als um den Menschen. Da muss ich aufpassen, nicht ausgenutzt zu werden.

Muss in einem Freundeskreis von 19-Jährigen der Fußballprofi immer bezahlen?

(lacht) Nein, das lasse ich nicht so mit mir machen. Bei meinen langjährigen Freunden bin ich natürlich spendabel. Aber generell haben wir es so geregelt, dass jeder so viel bezahlt, wie es eben für ihn passt. Das heißt, dass ich die Rechnung übernehme, wenn wir zusammen in einem guten Restaurant essen gehen. Bei McDonald’s bezahlen die anderen dann.

Trotz Ihnen und Maier scheiterte die deutsche U 19 an der EM-Qualifikation. Auch andere U-Mannschaften stagnieren. Hat der deutsche Nachwuchsfußball ein Problem?

Andere Länder wie Frankreich oder England sind in der Jugendarbeit weiter, gerade beim Thema Athletik. Viele Spieler aus diesen Ländern waren in der U 17 schon richtige Büffel und ganz andere Kaliber; sie waren größer, schwerer und athletischer als wir. Der deutsche Fußball hat immer noch einen sehr guten Ruf, wenn man sich all die Talente anschaut, aber klar: Andere Länder schlafen nicht.

Haben Sie einen Zukunftsplan, vielleicht auch in puncto A-Nationalelf?

Das kann man schwer vorhersagen. Ich möchte vielmehr alles für Bayer geben. Wir haben ehrgeizige Ziele. Und in Bezug auf die Nationalmannschaft: Ich möchte in zwei Jahren bei der EM dabei sein, da bin ich 21 und in einem guten Alter. Ich muss noch viel dafür arbeiten, aber es ist nicht unmöglich.

- Das Gespräch führte Ron Ulrich.

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