Entschieden von Stadtpolitik und Rathaus: Potsdams hausgemachtes Schulchaos
Die Rathausspitze hält an der Aufteilung des Oberstufenzentrums I auf mehrere Standorte fest. Wie kam es zu diesem Beschluss? Und welche Folgeprobleme sind entstanden?
Potsdam - Ein solches Kreuzfeuer der Kritik haben die Verantwortlichen in der Potsdamer Bildungspolitik lange nicht mehr erlebt: Nach der Ankündigung von Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos), dass das Oberstufenzentrum (OSZ) I für Technikberufe in der Jägerallee ab dem nächsten Jahr nach und nach auf drei verschiedene Standorte in der Stadt verlegt wird, ist der Widerstand groß.
Für Unverständnis sorgt vor allem der Umstand, dass ein Teil des OSZ zeitweise in die als Brennpunkteinrichtung geltende Fontane-Oberschule verlegt werden soll. Dort sieht man deswegen die Arbeitsfähigkeit beim Umgang mit Kindern aus sozial prekären Verhältnissen in Gefahr. Die Frage ist nun: Lässt sich die Kontroverse noch auflösen – und wie konnte es überhaupt soweit kommen? Eine Rekonstruktion des Geschehens.
Warum soll das Oberstufenzentrum I überhaupt aufgeteilt werden?
Die Teilung ist eine Folge des von den Stadtverordneten am 23. Juni beschlossenen Schulentwicklungsplans. Darin enthalten sind zum Teil kurz vor dem Beschluss veränderte Punkte, mit denen die Aufteilung des in der Jägerallee angesiedelten OSZ I vorweggenommen worden ist. Denn in dessen Räume soll die seit 2019 aufwachsende Gesamtschule Am Schloss mit derzeit knapp 200 Schülern einziehen – schon nächsten Sommer.
Die Schlossschüler werden bisher in einer provisorischen Containeranlage an der Esplanade unterrichtet. Dort soll wiederum im Sommer ein neues Gymnasium öffnen. Zum OSZ hieß es in dem Beschluss ohne weitere Details, dessen Bildungsgänge würden „im Rahmen einer Neustrukturierung der Potsdamer Oberstufenzentren verlagert“. Zugleich ist im Beschluss festgehalten, dass „das Standortnetz und die Organisationsstrukturen“ der drei OSZ so zu prüfen seien, „dass ein langfristiger Bestand“ erzielt wird. Nichts darf also ins Umland ziehen.
Warum wurde die Aufteilung des OSZ I beschlossen?
Um einen langen Streit in der rot-grün-roten Rathauskooperation um ein neues Gymnasium zu befrieden. Die Lage war noch im Mai wie folgt: SPD, CDU und andere Fraktionen hatten sich für ein neues Gymnasium an der Pappelallee ausgesprochen. Dagegen aber sperrten sich Bildungspolitiker der Linken und der Grünen – auch unter Verweis auf den Kooperationsvertrag, der den Neubau von Gymnasien ausschließt.
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Allerdings: Das Schulamt hatte schon mehrfach angemahnt, dass Potsdam aufgrund der hohen Nachfrage dringend mehr Gymnasialplätze benötigt. Der beschlossene Kompromiss: Das Gymnasium bekommt einen Neubau an der Pappelallee und wird an der Esplanade vorgegründet, den OSZ-Standort aber erhält die Schloss-Gesamtschule. Dieser Schule hatte man in den Jahren zuvor eigentlich den nun gymnasialen Standort an der Pappelallee versprochen – dann aber hatte Dezernentin Aubel den Plan entwickelt, die Schloss-Schule in Krampnitz mit einem Neubau zu bedenken. Dagegen gab es großen Widerstand von der Schloss-Schule. Mit der OSZ-Lösung konnte diese Kritik aufgelöst werden. Allerdings sorgt das nun eben für neue Probleme an gleich mehreren Stellen.
Gibt es andere Lösungsmöglichkeiten?
Zumindest gibt es Ideen. Möglich wäre etwa die Verlagerung von OSZ-Bildungsgängen in angrenzende Landkreise – das hatte der besagte Beschluss der Stadtverordneten auch ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Dazu sagte Rathaussprecherin Christine Homann den PNN, auch das Schulamt habe für die Verlegung von Bildungsgängen des OSZ I nach Teltow und Brandenburg votiert – auch jenem Bereich, der an die Fontane-Schule umziehen sollen. Doch die Arbeitsgruppe zur Schulplanung mit den Fraktionen habe gegen die Verlagerung in andere Landkreise gestimmt. Das heißt: Dezernentin Aubel ist gezwungen, in Potsdam eine Lösung zu finden – ob Räume zur Verfügung stehen oder nicht.
Auch hatte die Stadtverordneten im Juni die „Planung zur Errichtung einer zusätzlichen Modulanlage“ im Potsdamer Süden beschlossen – als Ausweichobjekt bei Schulsanierungsprojekten. Doch so schnell wird das nichts. Stadtsprecherin Homann sagte, hier würden noch Standorte geprüft. Erfahrungsgemäß würde die Errichtung einer solchen Anlage 15 Monate dauern. Sie könnte also frühestens Mitte 2023 fertig sein.
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Nun ist guter Rat teuer – zumal die Landesregierung, Handwerk, Industrie, Arbeitsagentur und Gewerkschaften erst jüngst einen brandenburgischen Ausbildungskonsens beschlossen haben, nachdem die Oberstufenzentren erhalten und zeitgemäß ausgestattet werden sollen. Entsprechend sorgt die OSZ-Filetierung bereits seit Wochen für Ärger in der Wirtschaft – auch, weil ausgebildete Fachkräfte schon jetzt fehlen.
Vor allem die CDU drängt auf eine Korrektur des OSZ-Beschlusses. So hatte der CDU-Bildungsexperte Clemens Viehrig zuletzt angeregt, lieber den Umzug der Gesamtschule Am Schloss in das OSZ I zu verschieben und dort zunächst nur das dringender benötigte Gymnasium vorzugründen – gemäß der Schulamtsidee. Dazu erklärte Stadtsprecherin Homann, ein solches ein Vorgehen entspreche nicht dem beschlossenen Schulentwicklungsplan. Und: Es sei „zwingend erforderlich“, allen betroffenen Schüler:innen „schnell Klarheit über den künftigen Schulstandort und damit Sicherheit zu geben“.
Wer hat die OSZ-Aufteilung vorgeschlagen?
Die Idee, das OSZ I mit seinen hunderten Auszubildenden auch anders zu nutzen, kommt aus dem Schulamt in Brandenburg/Havel. Kurz vor der Stadtverordnetenversammlung am 2. Juni, als eigentlich der Schulentwicklungsplan gegen besagte Widerstände bei Linken und Grünen beschlossen werden sollte, wurde ein Brief von Schulamtschefin Janina Kolkmann an Dezernentin Aubel bekannt. Die Schülerzahlen im OSZ I würden sinken, dessen Erhalt sei nicht dauerhaft gesichert, warnte Kolkmann darin. Sinnvoll könnte daher „perspektivisch“ ein neues Gymnasium an diesem Standort sein, so die Landesbehördenchefin.
Danach ging es schnell: Noch am Vortag der Abstimmung überraschte SPD-Fraktionschef Daniel Keller mit einem weitreichenden Vorschlag: Man könne doch nun die Gesamtschule Am Schloss oder ein neues Gymnasium an den Standorten Pappelallee und OSZ unterbringen, ab 2024, wie er sagte – also zwei Jahre später als jetzt geplant. Tags darauf verzichtete dann Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) auf eine Abstimmung zum Schulentwicklungsplan. Das sollte bei einer Sondersitzung drei Wochen später geschehen. Schuberts Begründung: Er wolle auf eine knappe Kampfabstimmung verzichten, „nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen“ – sondern nochmals Varianten prüfen lassen.
Mitte Juni hatten sich dann Aubel, Schubert und die Rathauskooperation auf den jetzt harsch kritisierten Beschluss verständigt, wonach die Gesamtschule schon ab 2022 in das OSZ ziehen soll. Vom Kolkmann-Vorschlag, dass das OSZ perspektivisch ein Gymnasium werden könne, war keine Rede mehr. Auch fragte niemand in der Kooperation, wo die Räume für die nun innerhalb eines Jahres geplante OSZ-Verlegung herkommen sollten – die Lösung dieses Problems überließ man Aubel. Sie versprach vor den Stadtverordneten, sie werde sich auch künftig den Schülern und Auszubildenden verpflichtet sehen und „bestmögliche Lösungen“ für alle finden. Die Fraktionen von CDU, AfD und FDP zeigten sich aber damals schon skeptisch, ob man so die berufliche Bildung wirklich stärken könne, wie dies Politiker der Kooperation zusicherten.
Wer hat den OSZ-Ausweichstandort Fontane-Schule vorgeschlagen?
Das Dezernat der Bildungsbeigeordneten Aubel. Dort wird auch offen kommuniziert es handele sich um eine „Notlösung“ aus Platzmangel. Aubel begründet dies mit dem Umstand, dass an der Schule Räume frei seien – was vor Ort mit Verve bestritten wird. Sowohl Schulleitung als auch Sozialarbeiter haben ausgeführt, dass wegen des hohen Migrantenanteils in der Schülerschaft zum Beispiel Teilungsräume zur Verfügung stehen müssen – damit in den Lerngruppen unabhängig voneinander unterrichtet werden kann. Auch die für die Schule zuständige Schulrätin Carola Gnadt hatte das bestätigt. Sie warnte davor, „die Schwächsten noch weiter zu schwächen“.
Welche Probleme sind durch den OSZ-Beschluss noch entstanden?
Sorgen hat man auch im Oberstufenzentrum III in der Berliner Straße. Das Gebäude soll saniert werden – doch als Ersatz war das jetzt anderweitig verplante OSZ I vorgesehen. Nun wird ein Ersatzstandort für eine Lösung mit Containeranlage gesucht. Die Kosten sind unklar.
Ein weiteres Problem: Trotz des abgesagten Umzugs der Schule Am Schloss nach Krampnitz soll in dem Entwicklungsgebiet weiter eine bis zu fünfzügige Gesamtschule errichtet werden. Damit droht langfristig ein Überangebot an Gesamtschulplätzen, hatte die CDU schon gewarnt. Das könne dafür sorgen, dass in Potsdam eine solche Gesamt- zur Oberschule umgewandelt werde, wenn nicht genug Schüler diese anwählen.
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