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Die Fontane-Oberschule in der Waldstadt, hier ein Archiv-Bild
© Andreas Klaer
Update

Kritik an Schuldezernentin und Rathauskooperation: Geplante Aufteilung eines Potsdamer Oberstufenzentrums führt zu Kontroverse

Nach der Vorstellung der Umzugspläne für das Oberstufenzentrum I der Stadt gibt es heftige Kritik - gerade aus der besonders betroffenen Fontane-Schule. Die Handwerkskammer fordert ein Eingreifen der Landesregierung.

Potsdam - Die geplante Aufteilung des Oberstufenzentrums I in der Jägerallee stößt auf viel Kritik. Für besonders viel Unverständnis sorgt dabei die Idee, die Fachoberschule Technik des OSZ schon ab Sommer 2022 an die als Brennpunktschule geltende Fontane-Schule in der Waldstadt zu verlagern.

Diesen Plan für eine Zwischenlösung hatte Schuldezernentin Noosha Aubel (parteilos) am Dienstag im Bildungsausschuss präsentiert und schon da Kritik einstecken müssen.

Am Mittwoch ging es weiter. So erklärte der an der Fontane-Schule seit 2012 tätige Schulsozialarbeiter, Rene Kulke, den PNN auf Anfrage: „Schon jetzt gibt es hier Platzmangel.“ Das würde sich mit dem OSZ-Zuwachs für die Schule verschärfen, zumal dann extra ausgestattete Fachräume nötig seien. Angesichts der besonderen Fontane-Schülerschaft mit vielfältigen Problemlagen sei er irritiert von den Plänen: „Eine hoch belastete Schule kann man doch nicht noch extra belasten.“

Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos)
Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos)
© Ottmar Winter

Schuldezernentin Aubel: „Es geht alles“

Kulke war früher Stadtverordneter der Fraktion Die Andere. Auch der heutige Die-Andere-Fraktionschef Uwe Rühling sagte im Ausschuss, ihm fehle für so eine Lösung die Fantasie. Man würde eine Schule mit komplizierten Problemen durch fachfremde Gruppen und neue Altersgruppen stören. Dem widersprach Aubel in der Sitzung: Auch unterschiedliche Schülergruppen könnten in einem Gebäude unterkommen: „Es geht alles.“

Bereits in der Ausschusssitzung hatte Schulleiterin Janine Soeffner erklärt, mit weniger Räumen als aktuell könnte man „so nicht mehr arbeiten“.

Zu viele leere Räume?

Die neue kommunale Schulbehördenleiterin Annegret Lauffer hatte erklärt, sie könne die Empörung verstehen. So eine Übergangsvariante sei nicht schön, sagte sie. „Das ist eine Notlösung.“ Gleichwohl hätten bei einer Vor-Ort-Begehung in der Fontane-Schule rund zwei Drittel der Räume leergestanden, sagte Lauffer. 

Dem widersprach Sozialarbeiter Kulke deutlich: Die Räume seien für den Teilungsunterricht nötig. Manche Klassen würden wegen des hohen Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund bis zu vier Räume pro Stunden benötigen, um etwa bei Bedarf mit manchen separat Deutsch zu üben. Auch die für die Schule zuständige Schulrätin Carola Gnadt hatte Aubels Pläne deshalb kritisiert: Man dürfe „die Schwächsten nicht noch schwächen“.

Schule ohne Zukunft?

Nach PNN-Informationen ist der vom Aubel-Ressort gewählte Standort aus Sicht von Teilen der Rathauskooperation folgerichtig – schließlich werde die Fontane-Schule ohnehin kaum eine Zukunft haben, wenn in einigen Jahren die sechszügige Gesamtschule in der Waldstadt gebaut wird. Dann könnte der Fontane-Bau perspektivisch für das OSZ zur Verfügung stehen, so eine Überlegung. Diese Sicht aber könne kein Argument für die bald entstehende Situation sein, sagte Schulsozialarbeiter Kulke: „Das fliegt uns hier um die Ohren.“

Das OSZ in der Jägerallee soll Standort für eine neue Gesamtschule werden.
Das OSZ in der Jägerallee soll Standort für eine neue Gesamtschule werden.
© Andreas Klaer

Hintergrund für den Umzug der Gesamtschule an das OSZ I ist ein Stadtverordnetenbeschluss aus dem Frühsommer, der erst nach einem langen Streit in der rot-grün-roten Rathauskooperation zustande gekommen war. Auf diesem Weg hatte die SPD den Bau eines neuen Gymnasiums durchsetzen können, das dringend benötigt wird. 

Linke und Grüne, die das eigentlich nicht wollten, konnten mit dem Kompromiss hingegen auf eine neue Gesamtschule pochen. Ursprünglich wurde diese von Schuldezernentin Aubel in Krampnitz geplant. Doch dagegen hatte es seitens der „Am Schloss“-Gesamtschule Widerstand gegeben, die jetzt zwischenzeitlich an der Esplanade untergebracht ist. So wurde sie kurzerhand ins OSZ I verlegt. Diese Entscheidung hatte auch für viel Kritik aus der Potsdamer Wirtschaft gesorgt.

Aubel: „Wer A sagt, muss auch B sagen – oder sagen: A war falsch.“

Die neuerliche Debatte hatte Dezernentin Aubel im Ausschuss mit Blick auf den Umzugsbeschluss und die Folgen so kommentiert: „Wer A sagt, muss auch B sagen – oder sagen: A war falsch.“ Sie habe nun von der Politik den Auftrag, alle OSZ-Bildungsgänge in Potsdam zu erhalten. Dem komme sie nun nach. Einmal beschlossene Pakete dürften nicht immer neu aufgeknüpft werden, schon wegen der damit verbundenen Zeitverluste.

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Kathrin Finke-Jetschmanegg betreut die in Potsdam tätigen Schulsozialarbeiter der Stiftung SPI. Aus ihrer Sicht müsse der Beschluss angesichts zahlreicher, „bisher zu wenig bedachter Konsequenzen qualifiziert werden“ -  also verändert. Mit dem Rückgriff auf die Fontane-Oberschule würde dort weniger Raum für die Jugendhilfe zur Verfügung stehen – obwohl die Herausforderungen in der Arbeit mit Kindern aus prekären Familien dort größer seien als anderswo. 

Dabei gehe es zum Beispiel neben der Schulsozial- auch um die Integrationsarbeit und um ein Projekt, um Schulabbrüche zu vermeiden. Auch die sonst hervorragende Kommunikation mit dem Bildungsdezernat laufe zu diesem Thema derzeit nicht optimal, fügte die SPI-Vertreterin hinzu.

Auch Probleme für das OSZ III

Sorgen hat man angesichts der Entscheidung aus dem Frühsommer auch im Oberstufenzentrum III in der Berliner Straße. Das Gebäude soll eigentlich saniert werden – doch als Ersatz war das OSZ I vorgesehen, das nun aber nicht mehr zur Verfügung steht. Wie berichtet, wird derzeit ein Ersatzstandort für eine entsprechend große Containeranlage gesucht. Die Kosten sind noch unklar. 

OSZ-III-Leiter Jörg Georgi sagte, angesichts der unklaren Lage werde man wohl erst 2023 die Sanierung starten können, ein Jahr später als gedacht. Zugleich glaubt er nicht, dass sich aktuell in Potsdam alle Ausbildungsgänge, die nun das OSZ I verlassen müssen, in ihrer Komplexität zusammenbringen lassen. „Dafür hat die Politik die Verantwortung.“ 

Im Ausschuss wiederum kritisierte bereits Clemens Viehrig von der CDU „eine Filetierung des OSZ I“. Dies sei nicht die von der Rathauskooperation angekündigte Stärkung der beruflichen Bildung in Potsdam, sagte er. Stattdessen schlug er vor, lieber den Umzug der Gesamtschule „Am Schloss“ in das OSZ I zu verschieben und dort zunächst nur das dringender benötigte Gymnasium vorzugründen. Doch die Idee fand bei den Beratungen keinen Widerhall. In der Sitzung hatte außerdem Larsen Hähle als Direktor des OSZ I gefordert, man müsse den Zeitdruck für alle Beteiligten herausnehmen. Mit den Plänen würden ein gewachsenes Lehrerteam zerrissen und Schulen gegeneinander ausgespielt werden, hieß es von der OSZ-Seite weiter.

Erneute Kritik aus der Handwerkskammer

Auch regionale Wirtschaftsverbände hatten bereits gegen eine Zerschlagung des OSZ I ihre Stimme erhoben. Am Mittwoch erneuerte Ralph Bührig als Präsident der Handwerkskammer (HWK) diese Kritik. Es verstärke sich der Eindruck, dass die berufliche Bildung in Potsdam nicht mit dem nötigen Weitblick angegangen werde, sagte er den PNN. Dabei würden Fachkräfte dringend benötigt. 

Erst im September hatten die Landesregierung, Handwerk, Industrie, Arbeitsagentur und Gewerkschaften einen brandenburgischen Ausbildungskonsens beschlossen, wonach gerade die OSZ erhalten und zeitgemäß ausgestattet werden sollen. Doch bei den Umzugsplänen für die OSZ-Ausbildungsgänge gewinne Bühring den Eindruck, dass so kaum eine hohe Qualität bei der Ausbildung möglich sei. Daher bedürfe es nun auch Ansagen aus der Landesregierung, dass Potsdam die berufliche Bildung nicht schwächen dürfe, sagte der HWK-Chef.

Der Brandenburgischer Lehrerverband beruflicher Schulen ist entrüstet

Auch der Brandenburgische Lehrerverband beruflicher Schulen wandte sich am Mittwoch an die Landesregierung und die Fraktionen im Landtag - mit einem offenen Brief. Von dem Beschluss der Rathauskooperation seien immer mehr Schulen betroffen, schimpfte Landeschef Thomas Pehle. "Absurdistan in Reinkultur: Nun sollen erwachsene Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Erstklässlern in einem Schulgebäude einer Oberschule unterrichtet werden. Das ist unter pädagogischen und organisatorischen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar", so Pehle in einer Mitteilung. Unter diesen Bedingungen sei es nachvollziehbar, dass Brandenburg noch mehr Ausbildungsplätze verlieren wird. "Wer will unter diesen unsicheren Bedingungen noch weiter ausbilden?"

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