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Die Cover der Bücher, die für die Longlist des Deutschen Buchpreis 2021 nominiert wurden.
© dpa

Die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2021: Reich und schön

Mit Dilek Güngör, Mithu Sanyal und Heinz Strunk: Die 20 Titel der Longlist für den Deutschen Buchpreis.

In der Regel wird die Longlist für den Deutschen Buchpreis nicht mit allzu viel Spannung erwartet oder gar übermäßig kontrovers diskutiert. Zu viele Titel, nämlich zwanzig, stehen darauf, und bei so vielen Titeln lässt sich bequem dokumentieren, wie vielstimmig die deutschsprachige Literatur ist. Die Ernte erwies sich also als immer reich.

Dieses Jahr war das ein bisschen anders, weil es vor ein paar Monaten nach der Auswahl für den Preis der Leipziger Buchmesse Streit gab, gar Rassismusvorwürfe im Raum standen: Alle fünfzehn Autoren und Autorinnen, die mit ihren Büchern für die Kategorien Belletristik, Sachbuch und Übersetzung nominiert wurden, sind weiß gewesen.

Gerade im Bereich der Belletristik wurde ein ganzer literarischer Bereich ignoriert, der im Frühjahr mit vielen Titeln die Diversität und Pluralität der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur demonstriert hat.

Unterschiedlichste Migrations- und Emanzipationsgeschichten

Wie also würde die Jury für den Deutschen Buchpreis, der am 18.Oktober im Frankfurter Römer vergeben wird, darauf reagieren? Würde sie die in Leipzig ignorierten Bücher von Sharon Dodua Otoo oder Mithu Sanyal nominieren, die von Shida Bazyar oder Hengahmeh Yagoobifarah, damit diese in das Rennen für den Roman des Jahres gehen, den der Deutsche Buchpreis ja auszuzeichnen vorgibt?

Nun, die Frankfurter Jury hat sich in dieser Hinsicht keine Blöße gegeben, sie hatte es bei 20 Titeln allerdings auch leichter. Sie hat Shida Bazyars Roman „Drei Kameradinnen“ nominiert und Mithu Sanyals „Identitti“, dazu Dilek Güngörs dieser Tage erschienenes autofiktionales Buch über ihren Vater, der in den späten sechziger Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland kam, „Vater und ich“, im übrigen neben Monika Helfers Familienromanfortschreibung „Vati“ das zweite Vaterbuch auf dieser Liste.

Auch die Romane von Dana Grigorcea („Die nicht sterben“), Sasha Maria Salzmann („Im Menschen muss alles herrlich sein“), Yulia Marfutova („Der Himmel vor hundert Jahren“) und Antje Rávik Strubel („Blaue Frau“) erzählen unterschiedlichste Migrations- und Emanzipationsgeschichten mit literarischen Mehrwert.

Da freundet man sich dann auch mit Franzobels Historienschmöker „Die Eroberung Amerikas“ an oder mit Heinz Strunks sich etwas ziehenden Roman über eine toxische Beziehung „Es ist immer so schön mit dir.“

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Schön auch, dass Henning Ahrens mit „Mitgift“, Gert Loschütz mit „Besichtigung eines Unglücks“, Thomas Kunst mit „Zandschower Kliniken“, Ferdinand Schmalz mit „Mein Lieblingstier heißt Winter“, Peter Karohsi mit „Zu den Elefanten“ und Dietmar Dath mit „Gentzen oder: Betrunken aufräumen“ nominiert wurden.

All diese Autoren schreiben eine mitunter eigenwillige Prosa jenseits literarischer Moden.

Dazu kommen, nicht weiter überraschend, Christian Kracht mit seinem Roman „Eurotrash“, Norbert Gstrein mit „Der zweite Jakob“, Felicitas Hoppe mit „Die Nibelungen“ und, schon eine Überraschung, ja, eine überfällige Würdigung, der 93 Jahre alte Georges-Arthur Goldschmidt, der als Holocaust-Überlebender sein großartiges autobiografisches Werk mit einem schlanken, intensiven Buch über seinen älteren Bruder Erich fortführt, „Der versperrte Weg“.

Irgendwer fehlt immer, zum Beispiel Emine Sevgi Özdamar

Natürlich lassen sich jetzt wieder ein paar Titel nennen, die unbedingt auch auf diese Liste gehört hätten, zum Beispiel Emine Sevgi Özdamars am 10. Oktober erscheinender Lebensroman „Ein von Schatten begrenzter Raum“. Oder Lukas Rietzschels die Lebensgeschichte des Malers Georg Baselitz streifender Roman „Raumfahrer“. Oder Maxim Billers „Der letzte Gruß“.

Doch irgendwer und irgendwas fehlt immer, das ist nicht nur in der Literatur so.

Diese Longlist ist alles in allem eine gute, interessante und, ganz klar, die Vielfalt der deutschsprachigen Literatur repräsentierende. Mal mehr Midcult, mal weniger. Überdies ist sie eine, die es einem so schwer wie lange nicht macht, eine Voraussage darüber zu treffen, welches Buch ganz sicher auf der sechs Titel umfassenden Shortlist landet. Diese wird am 21. September bekannt gegeben.

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