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Tempo-Schallplatten waren günstiger als die Konkurrenz.
© Ottmar Winter

Serie zur Sonderausstellung im Potsdam Museum: Musik für die Massen

In einer Sonderausstellung beleuchtet das Potsdam Museum die Stadtgeschichte der 1920er bis 1940er Jahre. Die PNN stellen einige Ausstellungsstücke vor. Teil 9 und Abschluss der Serie: Tempo-Schallplatten aus Babelsberg.

Angesagte Musik, bezahlbare Preise: Nur halb so teuer wie die Konkurrenz von Telefunken waren Schellack-Platten aus dem Hause Tempo, vertrieben wurden sie anders als die teureren Marken nicht über den Musikhandel, sondern in Kaufhäusern. Platten aus dem Babelsberger Werk galten in den 1930er und 1940er Jahren als „Schallplatte für das Volk“, wie Mathias Deinert in seinem Aufsatz über den Betrieb schreibt.

Wo heute der Weberpark ist, war die Fabrik

Im Potsdam Museum wird eine Tempo-Plattenhülle gezeigt: denkbar einfach gestaltet, ist darauf neben dem Logo auch das Fabrikgebäude zu sehen. Anders als die Residenzstadt Potsdam hat Babelsberg, früher Nowawes, eine lange Tradition als Industriestandort.

Die Tempofabrik stand zwischen der heutigen Tuchmacherstraße und Alt Nowawes – dort, wo sich jetzt der Weberpark befindet. Laut Deinerts Forschungen war die einstige Schirmstockfabrik 1936 nach der Flucht des jüdischen Eigentümers Bernhard Noa verwaist. So kam der Unternehmer Otto Stahmann, der seit 1931 eine Schallplattenfirma in Berlin-Wilmersdorf betrieb, zum Zuge. Ab 1938 fand die Produktion komplett in Babelsberg statt, auch die Musikaufnahmen wurden dort gemacht.

Etikettenschwindel, um die NS-Zensur zu umgehen

Dabei ging Stahmann laut Deinert trickreich vor, um seinen Käufern Tanzmusik mit Jazz-, Swing- oder Blues-Elementen anbieten zu können – gleichzeitig aber die Reichskulturkammer auszubremsen, für die dergleichen als „artfremd“ und „undeutsch“ galt. Der Geschäftsmann verfiel auf eine Art Etikettenschwindel: Auf den Platten wurden etwa bewusst falsche Rhythmusangaben gemacht – da wurde eine „heiße“ Rumba zum „Foxtrott“ umdeklariert. Auch besonders langweilige Liedtitel wie „Melodie in Moll“ oder „Studie in F“ gehörten zu dieser Strategie. Mitunter sei auch die Intro-Nummer bewusst „lahm“ gehalten, so Deinert.

Bis zum April 1945 sollen bei Tempo noch Platten gepresst worden sein. Die Tradition wurde nach Kriegsende weitergeführt – das Tempo-Werk wurde zum Presswerk der einzigen Schallplattenfirma der DDR. Erst nach dem Mauerfall wurde die Produktion eingestellt.

Weitere Teile der Serie:

Teil 1: Neue Bilder für das Regattahaus

Teil 2: Krieger für die Geldbörse

Teil 3: Die "Raudaubande" aus Nowawes

Teil 4: Eine Trommel mit Geschichte

Teil 5: Kunstwerk eines Unbekannten

Teil 6: "Weihnachten 1941 fällt aus"

Teil 7: Massen auf dem Alten Markt

Teil 8: Hilfspakete über den Atlantik

Die Sonderausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne. Geschichten aus Potsdam und Babelsberg 1914-1945" ist noch bis 23. Juni im Potsdam Museum am Alten Markt zu sehen. Geöffnet dienstags, mittwochs und freitags 10 bis 17 Uhr, donnerstags 10 bis 19 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 5 Euro.

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