Nach Rüge des Bundesrechnungshofs: Stiftung Garnisonkirche will sich mit Vorwürfen befassen
Eine Krisensitzung des Kuratoriums bleibt ohne Konsequenzen. Obwohl der Vorstand den Prüfbericht verschwieg, sei jetzt die "vertrauensvolle Zusammenarbeit bestärkt", behauptet die Stiftung.
Potsdam - Nach Veröffentlichung des kritischen Bundesrechnungshof-Prüfberichts zur Finanzierung des Turms der Garnisonkirche zieht die Stiftung für den Wiederaufbau zunächst keine Konsequenzen. Nach einer Krisensitzung des aufsichtführenden Kuratoriums der Stiftung am Freitagabend teilte diese mit, man werde sich "mit den Stellen, an denen der Bericht des Bunderechnungshofs Verbesserungspotenziale oder Korrekturbedarf aufzeigt [...] intensiv beschäftigen und die Ergebnisse auch öffentlich bekannt geben". Die zentrale Frage, ob die Stiftung überhaupt noch finanziell leistungs- und damit arbeitsfähig ist, beantwortete die Organisation in ihrer Mitteilung unter der Überschrift "Vertrauensvolle Zusammenarbeit bestärkt" allerdings nicht. Auch erklärte sie nicht, wessen "vertrauensvolle Zusammenarbeit" wie genau bestärkt wurde.
Die Stiftung steckt wegen des Prüfberichts in ihrer bisher schwersten Krise. Die am 3. Februar veröffentlichte so genannte "Prüfungsmitteilung" des Bundesrechnungshofs (BRH) erhebt unter anderem den Vorwurf, dass unter der ehemaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bei der öffentlichen Förderung in Höhe von insgesamt 20,25 Millionen Euro Zuwendungsrecht verletzt worden sei. Auch stellt der Bundesrechnungshof fest, die Beauftragte für Kultur und Medien (BKM) habe "zu keiner Zeit die Finanzkraft der Stiftung ausreichend geklärt" - und die Stiftung selbst habe widersprüchliche Angaben zu ihrer finanziellen Situation gemacht, ihre monetäre Leistungsfähigkeit sei fraglich. Die Rechnung, wie sie künftig den wiederaufgebauten Turm betreiben will, gehe nicht auf.
Kritisch für die Wiederaufbau-Stiftung ist nicht nur, dass die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne) angesichts des Bundesrechnungshof-Berichts nun prüft, ob die bereits zugesagten weiteren 4,5 Millionen Euro Bundesmittel ausgezahlt werden. Seit Mitte dieser Woche ist zudem bekannt, dass der dreiköpfige Vorstand der Stiftung das brisante Dokument bereits seit Ende November kannte, aber die Mitglieder des Kuratoriums wie Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) nicht darüber informierte - bis diese von dem Bericht aus der Zeitung erfuhren.
Noch im November hatte die Stiftung den am 7. Dezember 2021 verkündeten "Garnisonkirchen-Kompromiss" mit Oberbürgermeister Schubert und dem benachbarten Rechenzentrum ausgehandelt, wonach die Stadt auf dem Grundstück, das einst für das Kirchenschiff gedacht war, nun ein "Haus der Demokratie" errichten kann. Die Verhandlungspartner der Stiftung kannten jedoch zum Zeitpunkt der Einigung die Rüge des Bundesrechnungshofs nicht, ebenso wenig die Stadtverordneten, die Ende Januar in einer turbulenten Sitzung gegen die Stimmen der Opposition eine 500 000-Euro-Machbarkeitsstudie für das Kompromiss-Projekt beschlossen.
Auch Kuratoriumschef Huber kannte Bericht
Nach der Krisensitzung räumte die Stiftung ein, dass der Vorsitzende des Kuratoriums, der ehemalige Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Wolfgang Huber, den Bericht auch vor der Veröffentlichung Anfang Februar kannte. "Der Entwurf des Berichts war dem Vorstand und dem Kuratoriumsvorsitzenden im Blick auf die Einwilligung zur Veröffentlichung vorab im Vertrauen zur Verfügung gestellt worden", hieß es von der Stiftung. Huber hatte den Kompromiss mit der Stadt Potsdam unter Oberbürgermeister Schubert federführend mit verhandelt.
Warum Huber die Ergebnisse des Berichts komplett für sich behielt, ließ er auf PNN-Anfrage bisher unbeantwortet. Ein Sprecher der BKM hatte den PNN erklärt, der Vorstand der Stiftung hätte den ihr Ende November 2021 von der BKM zur Verfügung gestellten Bericht zwar nicht veröffentlichen dürfen, eine "stiftungsinterne Verwendung" sei jedoch damit nicht ausgeschlossen gewesen.
Schubert hatte bereits erklärt, ihn verärgere der Vorgang. Der Prozess für eine Lösung des Konflikts um die Garnisonkirche sei damit erschwert. Für das nötige Vertrauensverhältnis sei die Situation eine Belastung, so Schubert zuletzt. Gewusst habe das Kuratorium einzig, dass der BRH prüfe – und dass der Stiftungsvorstand seine Mitarbeit zugesichert habe. Dem 15-köpfigen und ehrenamtlich tätigen Kuratorium gehören neben Schubert unter anderem der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Renke Brahms, Friedensbeauftragter der EKD, an.
In seiner 35-seitigen Prüfungsmitteilung zerpflückt der Bundesrechnungshof die Finanzierung für das Wiederaufbauprojekt. Der Bericht bezieht dabei bereits die Stellungnahmen der Kulturstaatsministerin dazu ein.
So habe die Kulturstaatsministerin bei der Bewilligung der zweistelligen Millionenzuschüsse nicht beurteilen können, ob die gesamte Finanzierung für den Wiederaufbau der "Grundvariante" des Turms gesichert war. Die Bundesförderung für den vom Bund zum Projekt von "nationaler Bedeutung" erklärten Wiederaufbau ist laut BRH somit eine rechtlich nicht gestattete Anschubfinanzierung. Der Bericht warnt auch vor einer Förderruine, sollte der Bund nicht Gelder nachschießen.
Die Vermögensverhältnisse der Stiftung müssten aufgeklärt werden, forderten die Prüfer: „Die Angaben der Stiftung zu ihrer finanziellen Situation sind widersprüchlich.“
Die Stiftung machte in ihrer Mitteilung vom Freitagabend dazu keine weiteren Angaben. Auch ein Fragenkatalog dieser Zeitung - etwa zur Frage, wie viel Geld für den Wiederaufbau noch vorhanden ist - blieb bisher unbeantwortet.
Viele offene Fragen
In der Mitteilung heißt es lediglich: "Um das Ziel der Errichtung des Turms zu erreichen, wird der Wiederaufbau durch Bundesmittel und durch Spenden finanziert. Transparenz und Glaubwürdigkeit sind dabei wesentlich." Die Stiftung werde "seit ihrer Gründung durch unabhängige Wirtschaftsprüfer sowie durch die kirchliche und staatliche Stiftungsaufsicht geprüft", hieß es weiter. Und: "Die Rechtmäßigkeit ihres Handelns und die Vollständigkeit ihrer Angaben wurden jedes Jahr bestätigt und der Vorstand wurde regelmäßig entlastet." Die Verwendung von Bundesmitteln werde von der BKM kontrolliert.
Bundesrechnungshof sieht Intransparenz
Doch die BRH-Mitteilung, erstellt von zwei Prüfern, hatte genau diese Kontrolle in Frage gestellt und selbst viel Kritikwürdiges gefunden. Auch noch im vergangenen Jahr sah der Bundesrechnungshof Intransparenz und widersprüchliche Angaben bei der Stiftung.
Im März 2021 habe die BKM bestätigt, dass die Stiftung - mit den inzwischen zusätzlich im Bundeshaushalt veranschlagten Mitteln von 4,5 Millionen Euro - die Finanzlücke von dann noch 3,4 Millionen Euro schließen könne. Die Stiftung habe 3,6 Millionen Euro nachgewiesen.
"Allerdings müsste mit diesem Betrag auch die laufende Stiftungsarbeit finanziert werden", merkt der Rechnungshof an. Was das koste, habe die Stiftung, die zehn Mitarbeitende hat, nicht angegeben. "Die BKM fragte auch nicht nach", heißt es dazu im BRH-Bericht. Auch sei die BKM später der Bitte des Rechnungshofs, sich die Spendeneinnahmen von der Stiftung belegen zu lassen, nicht vollständig nachgekommen.
Auf Nachfrage teilte die Stiftung laut dem Bericht dann mit, dass sie zwar über Stiftungsmittel von nunmehr 4,2 Millionen Euro verfüge. Diese stünden wegen anderer Zweckbindungen jedoch nicht für den Turmbau zur Verfügung. Allein für die Stiftungsarbeit benötige sie aus diesen Spenden insgesamt 2,4 Millionen Euro. Demnach stünden "zurzeit keine eigenen Mittel zur Verfügung", um den Turm vollenden zu können. "Wie die Stiftung den gesamten Turm fertigstellen will, erläuterte sie nicht." Auch über die Jahre sehr unterschiedliche Antworten zum Spendenstand listete der Prüfbericht des Rechnungshofs auf.
"Riesiger Finanzierungs- und Handlungsbedarf"
Hierzu teilte die Stiftung nach der Krisensitzung am Freitag nichts mit - außer der Ankündigung, sich mit der Kritik befassen zu wollen. In der Mitteilung schrieb die Stiftung allerdings noch einmal das eigene Ziel fest und bekannte sich zum Kompromiss mit der Stadt und Schubert: "Das Ziel des Wiederaufbaus des Turms der Garnisonkirche ist es, einen eindrücklichen und nachhaltigen Lernort für Frieden und Versöhnung zu schaffen und mit dem Projekt Forum an der Plantage zu verbinden."
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Im vergangenen Herbst noch hatte der derzeit gesundheitlich verhinderte Sprecher des Stiftungsvorstands, Wieland Eschenburg, im Interview mit der Bürgerinitiative "Mitteschön" erklärt: "Wir müssen aus privaten Geldern noch rund 4 Mio. Euro sammeln, für Läuteglocken, Glockenspiel und bauliche Schmuckelemente." Man habe "noch riesigen Handlungs- und Spendenbedarf".
Fraglich ist laut den Prüfern auch die Finanzierung des künftigen Turmbetriebs. Laut dem Zuwendungsbescheid des Bundes von 2017 müsse die Stiftung den Betrieb des Turms nach der Errichtung "für mindestens 30 Jahre sicherstellen". Der damalige Wirtschaftsplan sei von jährlichen Ausgaben in Höhe von 460.000 Euro für die Bewirtschaftung ausgegangen - plus 150.000 Euro für die Tilgung kirchlicher Darlehen. Diese insgesamt 610.000 Euro wollte die Stiftung durch Eintrittsgelder, Merchandise und Spenden finanzieren.
Allerdings seien in dem Zuwendungsantrag keine Angaben enthalten gewesen zu den laufenden Ausgaben der Stiftung mit ihren zehn Mitarbeitenden, zum Betrieb der Ausstellung im Turm, zu Mitteln für die nötige Instandhaltungsrücklage und zu nötigen finanziellen Reserven für unvorhergesehene Mehrausgaben, so der Rechnungshof.
Keine Varianten zur Bauausführung untersucht
Problematisiert wird in dem Bericht auch der Umstand, dass die Stiftung keine Varianten zur Bauausführung untersucht habe. Angewandt wird bekanntlich eine durchgehend traditionelle Maurertechnik. Ein Vergleich mit anderen Ausführungsarten - etwa mit Stahlbeton - sei nicht dokumentiert, stellt der Prüfbericht fest.
Dabei seien andere bedeutende Wiederaufbauprojekte, wie beispielsweise das Humboldt-Forum in Berlin, auch nicht in traditioneller Maurertechnik errichtet worden. Eine solche vergleichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung "hätte auch im Interesse der Stiftung gelegen, insbesondere weil erwartete Spenden ausblieben", konstatiert der Rechnungshof.
Ursprünglich sollten nur Spenden fließen
In der ersten Zeit hatte die Stiftung stets öffentlich erklärt, der Wiederaufbau der Garnisonkirche werde überwiegend aus Spenden finanzieren. Die Bundesförderung sollte als Initialzündung dienen, resümiert der BRH-Bericht. Allerdings: Spenden in erwarteter Höhe seien nicht eingegangen. Daher habe die Stiftung sich zunächst nur auf den Turm konzentrieren wollen, damals ging man von rund 40 Millionen Euro Kosten dafür aus.
Am Mittwoch (16.2.) steht das Thema Garnisonkirche auf Antrag der Fraktion Die Linke auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses des Bundestags. Der Bundesrechnungshof hat zudem einen zweiten Teil der Prüfungsmitteilung angekündigt, Inhalt und Veröffentlichung sind noch unbekannt. Jahrelange Gegner des Wiederaufbaus haben sich nach der Rüge des Bundesrechnungshofs in ihrer Kritik bestätigt gesehen, sie erwägen Strafanzeige.
Den Bericht des Bundesrechnungshofs finden Sie hier.