Garnisonkirche Potsdam: Die doppelte Ruine
Beim Wiederaufbau sind neue Millionen des Bundes ohne personellen Neuanfang in der Stiftung und Offenlegung der Finanzen nicht vorstellbar. Ein Kommentar.
Ein „Wahrzeichen des Friedens und der Versöhnung“ für Deutschland und Europa sollte es werden. Der Bundespräsident ist Schirmherr, die Bundesregierung hatte es zum „Projekt von nationaler Bedeutung“ erklärt. Doch dem Wiederaufbau des Turms der Potsdamer Garnisonkirche, aktuell ein halbfertiger Stumpf in der Stadtsilhouette, droht ein unrühmliches Scheitern.
Mehr als 20 Millionen Euro hat der Bund bereits für das Vorhaben einer Stiftung der Evangelischen Kirche gezahlt – unzulässig, ja rechtswidrig, rügt jetzt der Bundesrechnungshof. Die Prüfer enthüllen Missstände, beschreiben politische Förderwillkür, einen „Bewilligungskreislauf“ unter der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), der immer neue Steuermillionen in die intransparente Kirchen-Stiftung fließen ließ. Und warnen, dass das Geld nicht reichen wird – weder für eine Vollendung des Turms noch für den Betrieb. Wie konnte das passieren?
Es geht um einen Ort, der wie wenige Last und Widersprüchlichkeit der deutschen Geschichte in sich trägt. In dem Barockbau, einst Hofkirche der Preußenkönige, inszenierten die Nationalsozialisten 1933 den „Tag von Potsdam“. Dort reichten Hitler und Hindenburg sich die Hände. 1945 bei der Bombardierung Potsdams teils zerstört, ließ die DDR-Führung 1968 die Ruinen aus ideologischen Gründen sprengen. Ein Schlag gegen Preußen.
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Unter einem schlechten Stern
Der Wiederaufbau stand von Beginn an unter keinem guten Stern: Ausgerechnet Nationalkonservative bemächtigten sich nach 1990 zuerst des symbolhaften Wahrzeichens. Kirche und Politik ließen sie viel zu lange widerspruchslos gewähren, was für Misstrauen sorgt. Auch heute noch, fast 15 Jahre, nachdem mit Altbischof Wolfgang Huber ein Mächtiger der Evangelischen Kirche maßgeblich die Initiative übernahm.
Es ist nie auch nur im Ansatz gelungen, aus dem Eliten- ein Bürgerprojekt zu machen, der viel beschworene Vergleich mit der Dresdner Frauenkirche bleibt eine klaffende Leerstelle. Statt zu versöhnen, spaltet die Garnisonkirche. Der „Ruf aus Potsdam“, der Millionen an Spenden bringen sollte, verhallte weitgehend ungehört. In Kirche und Stadtgesellschaft lässt sich keine Mehrheit hinter dem Turmbau versammeln. Das Versprechen, ihn vor allem aus privaten Spenden zu finanzieren, ist gebrochen worden. Ein überzeugendes Konzept für die Versöhnungsarbeit fehlte lange.
Unselige Allianz von Kirche und Staat
Den erbitterten Protesten begegnete die Kirchen-Stiftung mit Arroganz. Mit jener der Garnisonkirche eigenen, unseligen Allianz von Kirche und Staat wurde der Turmbau vorangetrieben. Was der Bundesrechnungshof rügt, gehörte dabei offenkundig zum Kalkül: auf ständig neues Steuergeld zu setzen.
Und nun, wo sich das brüchige Fundament des Wiederaufbaus offenbart hat? Der bisherige Umgang des Kuratoriums, das alles beiseite zu wischen versucht, ist unsäglich. Es fehlen Vertrauen, Transparenz und Substanz. Ohne personellen Neuanfang in der Stiftung und Offenlegung ihrer Finanzen sind neue Millionenzahlungen des Bundes nicht vorstellbar.
Und wo steht die Evangelische Kirche? Die Stadt Potsdam sollte noch einmal innehalten, ob sie wirklich ein „Haus der Demokratie“, den künftigen Sitz der Stadtverordnetenversammlung, mit dem Turm der Garnisonkirche verknüpft – nur um eine Ruine zu vermeiden. Ein Moratorium ist überfällig.