Potsdamer Bergmann-Klinikum: Ein Besuch auf der Corona-Intensivstation
Auf der Covid-Intensivstation im Bergmann-Klinikum werden Schwerstkranke behandelt. Es ist ein Hochsicherheitstrakt, ein Job an vorderster Front, der die Mitarbeiter beruflich und privat vor Herausforderungen stellt.
Potsdam - Der Weg in die Covid-Intensivstation des kommunalen Klinikums „Ernst von Bergmann“ führt an vielen Desinfektionsmittelspendern vorbei. An sehr vielen. Wer über die Außentreppe oben ankommt in der Schleuse, bedient den ersten Spender – am besten mit dem Ellenbogen – und erhält einen Satz Schutzkleidung. Blaue Bluse und Hose, Mundschutz, Haube, für Besucher noch Überzieher für die Schuhe. Außer diesen und der Unterwäsche wird alles ausgetauscht. Ein zweites Mal Hände desinfizieren, dann die Treppe nach unten ins Erdgeschoss, dort steht am Eingang der Station ein weiterer Spender.
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Bei der Oberärztin der Station, Susanne Röber, ist der Handgriff längst ins Unterbewusstsein übergegangen, zum Reflex geworden. Sobald sie etwas angefasst hat, eine Türklinke, ein Gerät, werden die Hände sofort desinfiziert. Wie oft pro Schicht bei voller Belegung? „Bis zu 100 Mal.“
Inzwischen hat sich eine gewisse Routine eingestellt in der Station, in der viele Patienten mit den schwersten Covid-19-Verläufen behandelt wurden. Mittlerweile ist es ruhig geworden, bis zur vergangenen Woche wurden nur noch zwei Patienten behandelt. Jeder in einem eigenen Zimmer, umgeben von Maschinen, die alle wichtigen Körperfunktionen überwachen und nötigenfalls unterstützen können.
Station wurde innerhalb einer Woche geschaffen
Eine wichtige Rolle spielen bei vielen die Beatmungsgeräte. In einem Schulungszimmer können die Mitarbeiter das Intubieren an einer Simulationspuppe trainieren. Seit Montag muss nur noch ein Patient auf der Covid-Intensivstation des Klinikums versorgt werden.
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Bei mir haben schon Mütter zu Hause angerufen, die nicht wollen, dass ihre Kinder mit meiner Tochter spielen, weil ich im Bergmann arbeite.
Robert Kenzler, pflegerischer Stationsleiter
Einer der zuletzt behandelten zwei Patienten liegt bereits seit Anfang April hier, eine Patientin wurde – in Abstimmung mit Stadt und Land, wie Röber versichert – aus einem anderen Brandenburger Krankenhaus herverlegt. Wahrscheinlich können, so ihre Einschätzung, beide Patienten bald in eine spezialisierte Reha verlegt werden, in der sie von der Beatmung langsam entwöhnt werden.
Die Intensivstation für Coronapatienten wurde innerhalb etwa einer Woche geschaffen, dafür wurde aus dem ganzen Bergmann-Klinikum Personal zusammengezogen. Etwa 50 Pflegekräfte und 22 Ärzte arbeiteten in der Anfangszeit hier.
Schweißtreibende Arbeit in der Sicherheitsmontur
Die wichtigsten Werte aller Patienten können von einem zentralen Raum aus, dem Stationsstützpunkt, überwacht werden. Auf zwei Bildschirmen sind etwa Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Blutdruck zu sehen. Derzeit flimmern dort nur die Kurven zweier Patienten. Doch vor einigen Wochen waren es noch bis zu 20. „Das war extrem anstrengend“, beschreibt Oberärztin Röber. Wer sich mit einigen Mitarbeitern unterhält, versteht schnell, warum. Im Gang haben sich zwei von ihnen vorbereitet, um zu einer Patientin ins Zimmer zu gehen. Über die blaue Montur kommt ein Einmalkittel, Handschuhe und statt des einfachen Mundschutzes eine FFP2-Maske und darüber noch ein Schutzvisier aus Plexiglas.
Wer einmal im Raum ist, kann nicht schnell nochmal raus, um etwas zu holen, dann müsste eine neue Montur her. Wenn doch etwas fehlt, muss ein Kollege aus dem Flur das auf Zuruf hineinreichen – keine einfache Aufgabe, mit der Filtermaske klingt alles vernuschelt, die Mitarbeiter müssen schreien, um sich verständlich zu machen.
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„Wenn man wieder aus dem Zimmer kommt, ist man von oben bis unten durchgeschwitzt“, beschreibt eine von ihnen. „Auch das Atmen ist sehr anstrengend.“ Sie ist Logopädin, übt mit den Patienten, wieder zu schlucken und zu sprechen. Am Anfang der Pandemie, so erzählt sie, habe sie große Angst davor gehabt, sich selbst anzustecken. „Jetzt fühle ich mich hier sicherer, als draußen, wo die Menschen wieder sorglos in den Cafés sitzen und die Abstände nicht einhalten.“
Jetzt fühle ich mich hier sicherer, als draußen, wo die Menschen wieder sorglos in den Cafés sitzen und die Abstände nicht einhalten.
Eine Logopädin auf der Covid-Intensivstation
Schutzkleidung und Tests seien anfangs knapp gewesen
Dieses Gefühl der Angst, gerade in der ersten Zeit, sei verbreitet gewesen in der Belegschaft, sagt Ärztin Röber. „Wir waren hier an vorderster Front.“ Aus Italien habe man die Berichte gehört von infizierten Ärzten, von Todesfällen unter dem Klinikpersonal. „Das Virus war neu. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nicht viel über die Erkrankung. Dazu kam, dass in den ersten Tagen Schutzkleidung und Tests knapp waren“, sagt die 43-Jährige. Und wenn getestet wurde, musste man tagelang auf das Ergebnis vom Labor in Berlin warten.
Das ist mittlerweile anders. Es kann viel mehr getestet werden, die Ergebnisse liegen schneller vor. „Seit 1. Mai hatten wir keine Neuinfektionen in der Belegschaft“, sagt Röber mit Blick auf den Corona-Ausbruch unter Personal und Patienten im März. Allein auf der Geriatrie wurden 64 von 70 Patienten mit dem Coronavirus infiziert, 24 von ihnen starben (Stand Sonntag). Die Geschäftsführung ist beurlaubt worden, eine Untersuchungskommission zur Aufklärung des Ausbruchs und seiner Ursachen wurde eingesetzt. Die Interimschefs des Klinikums räumten jüngst Fehler und Versäumnisse ein, man hätte dem Ausbruch schneller entgegentreten müssen, hieß es. Insgesamt infizierten sich seit Beginn der Pandemie 213 Mitarbeiter und 157 Patienten des Klinikums nachweislich mit Sars-CoV-2.
Soziale Ausgrenzung wohl aus Furcht vor Ansteckung
Bei allen Mitarbeitern wird derzeit alle vier Tage ein Abstrich durchgeführt – in einem leeren Patientenzimmer liegen schon die Röhrchen für den nächsten Test bereit. „Das gibt uns viel Sicherheit“, sagt der pflegerische Stationsleiter Robert Kenzler. „Auch für unsere Familien.“ Doch Personal des Klinikums werde trotzdem sozial ausgegrenzt, offenbar aus Furcht vor Ansteckung. „Bei mir haben schon Mütter zu Hause angerufen, die nicht wollen, dass ihre Kinder mit meiner Tochter spielen, weil ich im Bergmann arbeite.“
Dabei, da sind Kenzler und Röber sicher, sei man inzwischen gut gerüstet. Man habe viel gelernt aus den vergangenen Wochen über das Virus, über nötige Maßnahmen wie die regelmäßigen Tests. Das, davon sind beide überzeugt, werde man noch brauchen. „Ich rechne mit einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen, spätestens im Herbst“, sagt Oberärztin Röber. So sieht das auch Kenzler. „Ich frage mich nicht mehr, ob die zweite Welle kommt, sondern wann.“
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