Coronakrise im Bergmann-Klinikum: "Wir werden uns mit allen Strukturen und Abhängigkeiten beschäftigen"
Anita Tack, Leiterin der Untersuchungskommission zum Coronaausbruch im Bergmann-Klinikum, über ihre Aufgaben und Kritik an der Unabhängigkeit des Gremiums.
Frau Tack, Sie sind Vorsitzende einer Untersuchungskommission, die die Vorgänge und Verantwortlichkeiten rund um den Coronaausbruch im Bergmann-Klinikum aufklären soll. Schon bevor Sie Ihre Arbeit aufgenommen haben, gibt es, etwa von der CDU, Zweifel an der Unabhängigkeit des Gremiums. Zu Recht?
Nein, zu Unrecht. An die Kollegen von der CDU gerichtet, sage ich: Lasst uns doch erst einmal mit unserer Arbeit beginnen. Wir werden als unabhängiges Gremium arbeiten, das ist unsere feste Absicht.
Schließlich sind Sie Mitglied der Linken, die gemeinsam mit SPD und Grünen die Rathauskooperation bildet, mit der der Oberbürgermeister die Stadt regiert.
Die Rathauskooperation versucht, für das am Bergmann-Klinikum aufgetretene Problem eine Lösung zu finden, das ist ja auch ihre Aufgabe. Dafür wurde die Kommission gebildet. Im Übrigen bin ich im Ruhestand und als ehemalige Gesundheitsministerin des Landes Brandenburg vom Oberbürgermeister im Auftrag des Klinikum-Aufsichtsrats gebeten worden, mit meinen Erfahrungen für diese Aufgabe zur Verfügung zu stehen. Außerdem: Gerade uns als Linke liegt ein gut funktionierendes kommunales Krankenhaus am Herzen.
Offizieller Auftraggeber ist der unter anderem mit Stadtpolitikern und Bergmann-Mitarbeitern besetzte Aufsichtsrat des Klinikums, dessen vorrangige Aufgabe es ist, die Interessen des kommunalen Unternehmens zu wahren. Auch dies könnte für Ihre Arbeit einen Interessenkonflikt bedeuten.
Das sehe ich nicht so. Wir werden uns unvoreingenommen mit allen Abhängigkeiten und Strukturen beschäftigen. Das gilt sowohl für den Konzern Klinikum als auch den Aufsichtsrat.
Für Ihr Team haben Sie sich eine Reihe von Experten ins Boot geholt. Können Sie schon Namen nennen?
Nein, Namen werden wir erst am 14. Mai nennen, wenn die Kommission offiziell ihre Arbeit aufnimmt. Sie wird zwölf Mitglieder haben, deren Kompetenzen alle für unsere Untersuchung relevanten Bereiche abdecken, also zum Beispiel Krankenhaushygiene und -organisation, Medizinrecht, Risikomanagement und Patienten- und Mitarbeitervertretung.
Wie sind Sie bei der Auswahl vorgegangen?
Ich habe mir den Bericht des Robert Koch-Instituts angesehen, das sich ja vor Ort ein Bild von der Lage gemacht hatte. Dann habe ich meine Erfahrungen und Kontakte als frühere Gesundheitsministerin genutzt, mit Experten gesprochen und mich mit Kollegen abgestimmt. Als Grundlage diente auch der zu meiner Amtszeit erarbeitete Krankenhausplan des Landes, der immer noch gilt und in dem die Aufgaben des Bergmann-Klinikums enthalten sind.
Woher kommen die Experten der Kommission?
Wir haben natürlich versucht, aus dem Expertenpotenzial der Region Berlin-Brandenburg zu schöpfen, haben aber Fachleute aus anderen Teilen Deutschlands gewonnen.
Gab es auch Absagen?
Nur insofern, dass manche Kollegen schon in anderer Weise für das Klinikum tätig waren. Doppelfunktionen wollten wir natürlich vermeiden. Generell war die Auswahl schon deshalb schwierig, weil ja in der Coronakrise Fachleute schon bis an die Grenzen der Belastbarkeit beansprucht sind.
Neben den Vorfällen rund um den Coronaausbruch soll sich die Kommission auch mit möglichen Defiziten in der Zusammenarbeit zwischen dem Klinikum, der Stadt als Gesellschafter und den Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung befassen. Welche könnten das konkret sein?
Das kann man jetzt noch nicht sagen. Fest steht aber, dass wir uns alle Strukturen, alle Formen der bisherigen Zusammenarbeit der Gremien genau ansehen werden. Das gilt übrigens auch für die Landesregierung als oberste Aufsichtsbehörde. Zudem werden wir den Blick öffnen auf die Gesundheitspolitik, zum Beispiel auf die Frage, welchen wirtschaftlichen Zwängen ein Krankenhaus unterworfen ist und ob es nicht notwendig wäre, die Finanzierung bundespolitisch anders zu steuern – weg von der Wirtschaftlichkeit und Bettenauslastung und hin zu gesundheitsorientiertem Arbeiten.
Auch die Unternehmenskultur im Klinikum soll hinterfragt werden. An der hatte es auch vor den aktuellen Geschehnissen immer wieder Kritik gegeben.
Auch das wird in der Untersuchung eine große Rolle spielen. Wir wollen nicht vorverurteilen, aber es gibt durchaus unterschiedliche Erfahrungen mit den damals handelnden Personen im Klinikum. Wir werden sicher auch mit Mitarbeitern sprechen, selbstverständlich unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes und bei entsprechender Vertraulichkeit. Aber es geht auch darum, verlorenes Vertrauen in die Arbeit des Klinikums wiederherzustellen, dessen medizinisches Personal sehr engagiert arbeitet, wie mir viele Potsdamerinnen und Potsdamer berichtet haben.
Eine Grundlage für Ihre Arbeit soll der Zwischenbericht der beurlaubten Geschäftsführung sein. Welche Erkenntnisse hat Ihnen die Lektüre dieses Dokuments bereits gebracht?
Den Bericht schauen wir uns in der Kommission erstmal in Ruhe an und werden ihn mit den Fachleuten bewerten.
Dem Vernehmen nach soll der Bericht viele Fragen offen lassen.
Es stimmt, dass viele Fragen noch unbeantwortet sind. Aber die amtierende Geschäftsführung wird dazu auch ihre Bewertung abgeben und Fragen beantworten.
Was werden die ersten Schritte sein, die die Kommission unternimmt?
Am 14. Mai werden wir uns als Kommission konstituieren, eine Geschäftsordnung geben und die anstehenden Fragen besprechen.
Der Bericht der Kommission soll in spätestens sechs Monaten dem Aufsichtsrat vorgelegt werden. Doch auch die Öffentlichkeit hat ein großes Interesse an den Untersuchungsergebnissen. Wird das Papier komplett veröffentlicht?
Das werden wir sehen. Ich bin stets für größtmögliche Transparenz, aber es gilt auch, Persönlichkeitsrechte zu wahren. Zuerst wird der Aufsichtsrat informiert und auch der Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung. Es wird auch einen Zwischenbericht zur Halbzeit geben. Über das Ausmaß dessen, was veröffentlicht wird, muss letztlich aber der Auftraggeber entscheiden, also der Aufsichtsrat.
Ist es denkbar, dass die Kommission nach dem Ende ihrer Arbeit zu der Empfehlung kommt, die beurlaubte Geschäftsführung wieder einzusetzen?
Ich kann den Ergebnissen unserer Untersuchung hier nicht vorgreifen. Unser Bericht wird Argumente und Empfehlungen liefern, die Entscheidung trifft auf dieser Basis dann der Auftraggeber.
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