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Die Interims-Geschäftsführer des Klinikums "Ernst von Bergmann" Tim Steckel und Hans-Ulrich Schmidt (v.l.).
© Andreas Klaer

Nach dem Corona-Ausbruch: Schubert beurlaubt Potsdams Klinik-Chefs

Jetzt soll eine Untersuchungskommission klären, wie es zu dem schweren Virusausbruch kommen konnte. Bis das Krankenhaus wieder im Regelbetrieb läuft, könnte es noch ein halbes Jahr dauern. 

Potsdam - Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) beurlaubt die Geschäftsführer des kommunalen Bergmann-Klinikums Steffen Grebner und Dorothea Fischer. Damit zieht Schubert personelle Konsequenzen aus dem schweren Corona-Ausbruch am Klinikum „Ernst von Bergmann“, in dem seit 26. März bereits 39 Patienten mit Covid-19-Erkrankung gestorben sind. Schubert verkündete seine Entscheidung am Donnerstag in Potsdam, zuvor hatte der Aufsichtsrat den Beurlaubungen mehrheitlich zugestimmt. Auch eine Mehrheit der Stadtverordneten unterstützt das Vorgehen Schuberts. Als alleinigem Gesellschafter obliegt dem Oberbürgermeister die Entscheidung.

Haben Mängel den Ausbruch begünstigt?

Grebners und Fischers Beurlaubung gelte ab Samstag (25.4.) bis zur abschließenden Bewertung, ob jenseits der von Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) genannten Mängel auch solche in der grundsätzlichen Organisation und Hygiene den Ausbruch des gefährlichen Virus begünstigt hätten, sagte Schubert. Dafür soll schnellstmöglich eine unabhängige, mit Experten besetzte Kommission beginnen, die Hintergründe des Ausbruchs aufzuklären. Geleitet wird die Kommission von Brandenburgs ehemaliger Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) gemeinsam mit einem noch nicht benannten Mediziner. Sie soll in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat mit Experten aus den Bereichen Krankenhausführung, Hygiene, Infektiologie, Organisation von Krankenhäusern, des Krankenhausbaus, des Medizinrechts sowie Patientenvertretern besetzt werden.

Klinikum-Geschäftsführer Steffen Grebner (r.) und die medizinische Geschäftsführerin Dorothea Fischer in der Sitzung des Hauptausschusses am 18. April.
Klinikum-Geschäftsführer Steffen Grebner (r.) und die medizinische Geschäftsführerin Dorothea Fischer in der Sitzung des Hauptausschusses am 18. April.
© Andreas Klaer

Die Kommission soll laut Schubert auch untersuchen, ob es im Klinikum Fehleinschätzungen im Umgang mit der Coronakrise gegeben hat und ebenso die langjährige Zusammenarbeit zwischen dem Klinikum, seinem Gesellschafter Stadt und den Fraktionen des Stadtparlaments hinterfragen. Gesundheitsdezernentin Brigitte Meier (SPD) sagte, es solle auch die Unternehmenskultur aufgearbeitet werden, es gehe um Fragen der Compliance und des Risikomanagements. Der Untersuchungsbericht soll spätestens in sechs Monaten dem Aufsichtsrat vorgelegt werden. Geschäftsführerin Fischer bleibe trotz Beurlaubung Chefärztin der Frauenklinik.

Doppelspitze als Interims-Geschäftsführung

Es müsse alles getan werden, damit das Klinikum „wieder ans Netz gehen kann“, sagte Schubert. Dazu ist eine Doppelspitze als Interims-Geschäftsführung eingesetzt worden: Ab Samstag (25.4.) führen Hans-Ulrich Schmidt, bislang unter anderem Geschäftsführer der Lausitz Klinik in Forst, und der bisherige kaufmännische Direktor am Bergmann, Tim Steckel, das Klinikum. Sie haben vor allem die Aufgabe, das Krankenhaus so umzubauen, dass Patienten mit und ohne Covid-19 sicher behandelt werden können und sich das Virus nicht verbreiteten kann. Dazu soll das Haus dreigeteilt werden.

Der neue Klinikchef Schmidt sagte, man habe das Ausbruchsgeschehen mit großer Sorge erlebt. Mit den Kenntnissen des Hauses wolle man in den nächsten sechs Monaten das Klinikum wieder in den Regelbetrieb führen. Steckel sagte, das Hochfahren des Krankenhaus werde jedoch „nicht so schnell gehen“.

Das Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.
Das Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.
© Andreas Klaer

Im Potsdamer Klinikum hatten sich im März Corona-Infektionen gehäuft. Mindestens 70 Patienten und 200 Mitarbeiter infizierten sich. Die Landeshauptstadt wurde so zum Corona-Hotspot in der Hauptstadtregion. Die Stadt rief angesichts des Corona-Ausbruchs gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium das Interventionsteam des Robert Koch-Instituts zur Hilfe. Der RKI-Bericht deckte Missstände und Mängel im Umgang des Klinikums mit dem Virus auf und gab Empfehlungen zum Weiterbetrieb. Dazu gehörte die Überlegung, aus dem Klinikum eine reine Covid-Klinik zu machen. Das lehnten Stadt und Land jedoch ab. Seit 1. April gilt am Bergmann-Klinikum ein Aufnahmestopp für neue Patienten außer für Notfälle.

Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen

Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft, ob sich drei leitende Ärzte und die beiden Geschäftsführer strafbar gemacht haben – dabei geht es um Meldepflichten nach Infektionsschutzgesetz. Hintergrund sind Ordnungswidrigkeitenverfahren der Stadt wegen fehlender Daten zu dem Ausbruch. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft untersucht auch eine Strafanzeige der Deutschen Stiftung Patientenschutz gegen Geschäftsführung und Ärzte des Klinikums. Es geht laut Stiftung um den Verdacht des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz und der fahrlässigen Tötung. Ob Ermittlungen aufgenommen werden, ist offen. Am vergangenen Wochenende räumte die Klinikum-Geschäftsführung erstmals Fehler ein. Der Coronaausbruch sei zu spät erkannt worden, somit habe das Klinikum nicht adäquat handeln können.

Eine Mitarbeiterin des Bergmann-Klinikums blickt aus dem Fenster.
Eine Mitarbeiterin des Bergmann-Klinikums blickt aus dem Fenster.
© Andreas Klaer

Erst am Freitag (24.4.) will die noch amtierende Klinikum-Geschäftsführung einen „Zwischenbericht“ zum Coronaausbruch wie vorgeschrieben beim städtischen Gesundheitsamt vorlegen – fast einen Monat, nachdem das Virus sich unkontrolliert im Krankenhaus ausbreitete, und drei Wochen nach der gesetzlichen Frist.

Der Bericht ist nach Angaben von Oberbürgermeister Schubert Voraussetzung dafür, dass das Klinikum dreigeteilt und wieder eröffnet werden kann. Ein Plan für den Umbau samt Zeitschiene sollen die Interims-Chefs Ende der nächsten Woche vorlegen und eng mit dem Gesundheitsministerium abstimmen.

Unterdessen hat die Potsdamer Rathauskooperation aus SPD, Grünen und Linken entschieden, dass alle Klinikum-Mitarbeiter sowie die Beschäftigten der hundertprozentigen Tochterunternehmen ab Juni wieder nach Tarif bezahlt werden sollen. Das Klinikum beschäftigt in Potsdam rund 2300 Mitarbeiter und ist damit einer der größten Arbeitgeber der Region, die Gruppe insgesamt gibt 4500 Beschäftigte an. Oberbürgermeister Schubert sagte, das Klinikum werde die Tarifrückkehr nicht allein stemmen können – was die Mehrkosten von 13,7 Millionen Euro für den städtischen Haushalt bedeuteten, sei noch nicht absehbar. Angesichts der Coronakrise fahre man „auf Sicht“.

Schubert bat die Potsdamer Bevölkerung um Solidarität. Inzwischen würden Mitarbeiter des Klinikums offen angefeindet. Im Sinne der gesundheitlichen Versorgung in Potsdam sei Vertrauen in das Klinikum sehr wichtig, ergänzte Kommissionschefin Tack. Sie wolle Vorschläge erarbeiten, wie sich das Klinikum zukunftsfähig aufstellen könne.

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