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Michael Stübgen (CDU).
© Fabian Sommer/ dpa

Interview | Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen: "Verfassungsschutz wird die Beobachtung der AfD fortführen"

Die Abwahl von Andreas Kalbitz als AfD-Fraktionschef ändert nichts an der Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz, sagt Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU).

Minister Stübgen, Andreas Kalbitz ist nicht mehr Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion. Wie reagieren Innenministerium und Verfassungsschutz darauf?
Michael Stübgen: Wir wissen ja alle, was für ein Mensch Andreas Kalbitz ist. Deswegen überrascht dieser Vorgang ja nicht. Für mich als Innenminister und für uns als Innenministerium ist der Boxschlag gegen seinen Fraktionskollegen aber unerheblich: Darum kümmern sich die Staatsanwaltschaft. Entscheidend ist für uns etwas Anderes: Die AfD steht nicht nur wegen Herrn Kalbitz im Verdacht des Rechtsextremismus. Auch ohne ihn ist der Verdacht da. Und deswegen wird der Verfassungsschutz die Beobachtung der Partei fortführen.

Welche Bedeutung hat der Abgeordnete Hans-Christoph Berndt dabei?
Michael Stübgen: Dieser Abgeordnete ist Vorsitzender des Vereins „Zukunft Heimat“. Dieser Verein wird seit Januar wegen erwiesener rechtsextremistischer Aktivitäten beobachtet. Und genau solche Leute meine ich, wenn ich sage, dass es in der AfD auch ohne Andreas Kalbitz genügend Verdachtsfälle für rechtsextremistische Bestrebungen gibt, die eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtfertigen. Und Eines dürfen Sie nicht vergessen: Keiner von denen, die sich jetzt von Kalbitz distanzieren, hat sich von seiner rechten Gesinnung distanziert. Man distanziert sich doch nur von dem rechten Haken, den er seinem Kollegen verpasst hat.

In der Vergangenheit gab es auf der Ebene der Kommunalpolitik immer wieder Kooperationen mit der AfD, zuletzt durch Abgeordnete der Linken in Forst. Wie sehen Sie das vor dem Hintergrund der neuen Entwicklungen?
Michael Stübgen: Aus meiner Zeit im Bundestag weiß ich, dass man über bestimmte Dinge mit allen Fraktionen reden muss, etwa über die Geschäftsordnung. Das ist dann aber keine inhaltliche Zusammenarbeit. Und hier in Brandenburg beobachte ich, dass auch auf kommunaler Ebene kaum noch inhaltliche Kooperationen mit der AfD stattfinden. Das war – das haben Sie ganz richtig festgestellt – vor ein paar Jahren noch anders. Und das liegt heute einfach daran, dass die Brandenburger AfD einen strikt verfassungsfeindlichen Kurs fährt. Mit solchen Leuten arbeitet man nicht zusammen. 

Kooperationen mit der AfD gibt es bei uns keine. 

Michael Stübgen (CDU)

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Wie ist es in ihrer eigenen Partei? Auch da haben ja schon Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitiker in der Vergangenheit rechts geblinkt...
Michael Stübgen: Diese Diskussion kenne ich sehr gut. Aber noch mal: Kooperationen mit der AfD gibt es bei uns keine. 

Symbolbild. 
Symbolbild. 
© dpa

Sie treffen sich in diesen Tagen mit Finanzministerin Katrin Lange (SPD) zu den Ministergesprächen, wo es um die Aufstellung des Haushalts geht. In den letzten Wochen gab es Verwirrung um die Zielzahl von 8.500 Polizisten...
Michael Stübgen: Es ist in der Tat so, dass sowohl die CDU als auch die SPD die Stärkung der Polizei im Wahlprogramm hatten. Im Koalitionsvertrag steht die Zahl von mindestens 8540 Beamten. Das umzusetzen, ist meine Aufgabe als Innenminister. Aufgrund der Einnahmeeinbrüche durch die Covid19-Pandemie weiß derzeit aber niemand, wie sich die Haushaltslage entwickeln wird. Deswegen stehen alle Gespräche, die wir zur Haushaltsaufstellung führen, unter dem Vorbehalt, dass wir die Ansprüche eher reduzieren müssen. 

Aber was haben die Gespräche denn ergeben?
Michael Stübgen: Nach den Abteilungsleitergesprächen hätte ich nicht genug Stellen bekommen, um die Zielzahl von 8540 Polizisten zu erreichen. Deshalb war es einer der wesentlichen Punkte beim Ministergespräch, diese Zahl wieder zu erreichen. Ich freue mich, dass ich dafür nachhaltige Unterstützung aus dem Landtag bekommen habe. Und ich konnte mich mit der Finanzministerin auch auf einen Weg einigen, diese 8540 Beamtenstellen zu erreichen. Ich freue mich über das Versprechen von Katrin Lange, dass in den Bereichen Staatsanwaltschaft, Sicherheit und Gerichte die notwendigen Mittel auch in den nächsten Jahren zur Verfügung gestellt werden. Es zeigt sich, wie gut es für Brandenburg ist, eine Finanzministerin zu haben, die vorher mal im Innenministerium gearbeitet hat.

Ministerin Lange hat ja im Gespräch mit dieser Zeitung explizit gesagt: „Da wird nicht gespart“. Was heißt das aus Sicht des Innenministeriums konkret? Wo wollen Sie künftig investieren?
Michael Stübgen: Zur Sicherheit gehören ja nicht nur Personalstellen. Polizeireviere müssen endlich saniert werden und wir müssen für moderne Technik und Ausrüstung sorgen. Wichtig ist, dass wir auch mit der Digitalisierung weiter vorankommen. Und ein Schwerpunkt wird dabei das Funklochprogramm. Wir haben in Brandenburg erhebliche Löcher beim Digitalfunk der Polizei. Dort ist die Polizei blind und taub. Sie kann sich nicht melden, sie kann auch nicht angesprochen werden. Um diese Funklöcher zu beseitigen, wollen wir allein 2021 zehn neue Funkmasten aufstellen, und in den Folgejahren noch zwanzig weitere Masten. Unser Ziel muss es sein, in ganz Brandenburg eine komplette Abdeckung mit Digitalfunk zu haben. Für den Bürger hat das übrigens auch einen Nutzen, denn es gibt ein Abkommen mit den Mobilfunkanbietern, dass die da dann auch eine Antenne für den Mobilfunk draufsetzen. Zwei solche Masten sollen in der ersten Phase in der Prignitz und zwei weitere später in der Uckermark errichtet werden.

An einer Brücke über der Autobahn 12 zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) ist das System zur automatischen Kennzeichenfahndung KESY angebracht. 
An einer Brücke über der Autobahn 12 zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) ist das System zur automatischen Kennzeichenfahndung KESY angebracht. 
© Patrick Pleul/dpa

Wo wir schon bei Funkdaten sind – wie ist denn eigentlich der aktuelle Stand bei der Kennzeichenerfassung „Kesy“?
Michael Stübgen: Unsere Zielstellung war ja, dass wir mit der Umstellung der ganzen Software bis zum 30. Juni fertig sind. Corona bedingt hat das nicht geklappt. Wir wollen bis zum 30. September fertig sein, und das werden wir auch schaffen. Die Anfragen der Landesdatenschutzbeauftragten hatten wir ja schon im Frühjahr geklärt und ihre Forderungen erfüllt. Jetzt steht noch ein Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht aus, wo wir im März eine Stellungnahme abgegeben haben. Und natürlich bleibe ich zu dem Thema auch mit der Landesdatenschutzbeauftragten, Frau Hartge, im Gespräch.

Nutzt der Datenschutz denn immer? Ihre Kollegin, Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU), hatte kürzlich robustere Fahndungswerkzeuge gefordert...
Michael Stübgen: Wir haben in der Tat das Problem, dass übertriebener Datenschutz die Bekämpfung der Kriminalität zuweilen behindert. Wenn Sie etwa den ganz unsäglichen Bereich der Kinderpornographie nehmen: Ohne Vorratsdatenspeicherung werden wir das nicht ausreichend bekämpfen können. Da brauchen wir einfach robustere Mittel. Ich hoffe, dass wir da vorankommen. 

Wäre so etwas denn mit der heutigen Kenia-Koalition umsetzbar? Sie regieren ja auch mit den Grünen...
Michael Stübgen: Das ist überwiegend Bundesrecht. Aber wir sind in einer intensiven Diskussion, wie wir uns als Land dazu verhalten. Gerade bei Themen wie der Kinderpornographie und dem Kampf gegen den Rechtsextremismus werden wir uns einigen können – auch wenn wir in der Frage einen sehr sensiblen Koalitionspartner haben.

Es ist Bundesrecht, dass vollziehbar Ausreisepflichtige dieses Land verlassen. Dabei haben wir in Brandenburg erhebliche Vollzugsdefizite.

Michael Stübgen (CDU)

Sensibel war der Koalitionspartner ja auch bei Ihrer Abschiebe-Taskforce. Da hatten Sie ja auch die Abschiebung von Störern angekündigt. Was meinen Sie denn damit?
Michael Stübgen: Ich bin als Innenminister verpflichtet, Bundesrecht umzusetzen. Und es ist Bundesrecht, dass vollziehbar Ausreisepflichtige dieses Land verlassen. Dabei haben wir in Brandenburg erhebliche Vollzugsdefizite. Mit unserer Taskforce wollen wir die Landkreise unterstützen, diese Vollzugsdefizite zu beheben. 

Aber wie sieht das jetzt praktisch aus? Wer soll abgeschoben werden?
Michael Stübgen: Wir haben eine Priorisierung vorgenommen. Erstens soll sich die Taskforce um ausreisepflichtige inhaftierte Straftäter kümmern. Das sind nach derzeitigem Stand etwa 30 Personen – allerdings erfassen wir da noch Daten, es werden wohl noch mehr. Dazu kommen etwa 60 Intensivtäter, deren Abschiebung wir beschleunigen wollen. Und dann spricht der Koalitionsvertrag auch von ausreisepflichtigen Asylbewerbern, die  die  öffentliche  Sicherheit  und  Ordnung  in Brandenburg  nachhaltig  gefährden. Um diese Gruppen soll sich die Taskforce kümmern. Ich freue mich, dass die Koalitionsfraktionen das nun ihrerseits mit einem Antrag im Landtag unterstützen wollen.

Michael Stübgen spricht auf dem Landesparteitag der CDU. 
Michael Stübgen spricht auf dem Landesparteitag der CDU. 
© dpa

In dem Papier der Koalition tauchen die Störer aber nicht mehr auf...
Michael Stübgen: Das betrübt mich nicht all zu sehr. Das, was wir mit Störern meinen, ist dort hinreichend definiert. 

Bei den Abschiebungen gibt es ja oft auch Unverständnis, wenn besonders gut integrierte Menschen abgeschoben werden sollen. Wie gehen Sie damit um?
Michael Stübgen: Wir hatten in der Vergangenheit oft das Problem, dass die Ausländerämter der Kreise etwa bei der Beschaffung von Pässen überfordert waren. Deswegen haben die Kreise bei Abschiebungen in der Regel auf die zugegriffen, die eigentlich gar nicht als erste abgeschoben werden mussten. Gut integrierte Familien, die bei ihrer Identität nie betrogen haben und mit dem Staat kooperieren. Deswegen sind wir besser und richtiger unterwegs, wenn wir mit inhaftierten Straftätern und Intensivtätern anfangen.

Sehen Sie denn Möglichkeiten, Menschen, die gut integriert sind und von Abschiebung bedroht sind, doch noch irgendwie einen Aufenthaltstitel zukommen zu lassen?
Michael Stübgen: Wir haben ja in Brandenburg die Härtefallkommission, wo Vertreter von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden genau solche Fälle vorbringen. Das ist der Punkt, wo viele solcher Fälle auf meinen Tisch kommen. Überwiegend stimme ich den Vorschlägen der Härtefallkommission auch zu, wenn es darum geht, Menschen einen Aufenthaltstitel zu geben. 

Aber geht das nur auf dem Gnadenweg?
Michael Stübgen: Nein – im Gegenteil: Ich ziehe rechtliche Regelungen immer einem Gnadenakt vor. Deswegen habe ich meine Abteilung II beauftragt, zu analysieren, welche Möglichkeiten das neue Fachkräftezuwanderungsrecht gibt. Menschen, die kein Asylrecht genießen, aber gut integriert sind, sich selbst versorgen können und einen Arbeitsplatz haben, können dort einen so genannten „Kleinen Spurwechsel“ unternehmen und eine Beschäftigungsduldung erhalten. 

Und als Land Brandenburg haben wir auch auf meine Initiative hin den Bundesratsantrag von Baden-Württemberg unterstützt, eine Stichtagsregelung bis zum Februar 2017 einzuführen, um mittlerweile gut integrierte Migranten, die arbeiten und sogar Steuern zahlen, im Land halten zu können.

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