Gericht entscheidet am Freitag: Kalbitz kämpft gegen AfD-Rauswurf
Das Berliner Landgericht entscheidet Freitag, ob die Annullierung der AfD-Parteimitgliedschaft von Andreas Kalbitz rechtens war. Wie geht es nach dem Urteil weiter? Könnte der Landesverband aufgelöst werden? Die wichtigsten Fragen im Fall Kalbitz.
Berlin/Potsdam - Andreas Kalbitz will wieder Mitglied der AfD sein. Deshalb hat der frühere Brandenburger AfD-Landesvorsitzende gegen seinen Rauswurf geklagt. Das Berliner Landgericht wird an diesem Freitag in einem Eilverfahren entscheiden, ob die Annullierung der Mitgliedschaft des Partei-Rechtsaußens rechtens war oder nicht. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu der Auseinandersetzung, die durch einen Krankenhausaufenthalt von Ersatzmann Dennis Hohloch noch einmal mehr Brisanz bekommen hat:
Worum geht es in dem Gerichtsverfahren?
Der AfD-Vorstand hatte im Mai auf Antrag von Parteichef Jörg Meuthen mehrheitlich beschlossen, Kalbitz die Mitgliedschaft abzuerkennen. Aus Sicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist Kalbitz ein Rechtsextremist. Hintergrund sind frühere Mitgliedschaften bei den Republikanern und der rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ), die er beim Parteieintritt verschwiegen haben soll. Kalbitz bestreitet die HDJ-Mitgliedschaft. Allerdings gibt es Bildaufnahmen von ihm in einem Zeltlager der inzwischen verbotenen Gruppierung. In beschlagnahmten Unterlagen der HDJ findet sich der Eintrag „Familie Andreas Kalbitz“. In einem ersten Gerichtsverfahren wurde der AfD auferlegt, Kalbitz bis zu einer endgültigen Entscheidung des Parteischiedsgerichts Mitgliedsrechte zu gewähren. Das Bundesschiedsgericht der Partei bestätigte Ende Juli die Entscheidung des Vorstandes. Damit war Kalbitz wieder draußen.
Wie geht es nach dem Urteil weiter?
Dieses Urteil wird nicht das Ende der Auseinandersetzung zwischen Kalbitz und dem AfD-Bundesvorstand sein. Denn hier geht es nur um eine Entscheidung über einen Eilantrag, den Kalbitz gestellt hatte. Bis ein endgültiges Urteil ergeht, dürften noch einige Monate vergehen.
Sollte das Landgericht den Rauswurf des früheren Landeschefs wie im ersten Eilverfahren im Juni für unzulässig erklären, wäre er zunächst wieder in der Partei. Dann würde die Führung des Landesverbands theoretisch wieder auf ihn übergehen. Allerdings gibt es einige AfD-Mitglieder, die das auf keinen Fall hinnehmen wollen. Auch weil Dennis Hohloch, der als Parlamentarischer Geschäftsführer vorübergehend die Aufgaben als Fraktionsvorsitzender übernommen hatte, vergangene Woche wegen einer Verletzung an der Milz ins Krankenhaus musste - nachdem ihn Kalbitz im Landtag berührt hatte. Kalbitz sprach von einem „Missgeschick“ und einer „Verkettung unglücklicher Umstände“.
Bestätigen die Richter hingegen die Entscheidung des Bundesvorstands wird es für Kalbitz eng - auch wenn die endgültige juristische Klärung dann noch aussteht. Denn an wichtigen Entscheidungen der kommenden Monate, in denen auch schon über Listenplätze für die Bundestagswahl gesprochen wird, kann er dann nicht mitwirken.
Wie viel Rückhalt hat Kalbitz noch in der Landtagsfraktion?
Lange stand die Fraktion mehrheitlich zu ihm - auch wenn kritische Stimmen mit der Zeit zugenommen haben. Der stellvertretende Fraktionschef Steffen Kubitzki etwa hat sich offen kritisch gezeigt. Nach der Bestätigung des Rauswurfs von Kalbitz durch das Bundesschiedsgericht forderte er im Juli eine Sondersitzung der Fraktion, um über die Konsequenzen zu beraten, damit die Partei nicht weiter Schaden nehme. „Wir stehen wieder vor einem Scherbenhaufen“, sagte er damals. Nach dem Vorfall mit Hohloch wuchs der Druck dann weiter. Am vergangenen Dienstag erklärte Kalbitz, er werde den Vorsitz komplett aufgeben.
Wie sieht es im Landesverband Brandenburg aus?
Die AfD Brandenburg wird kommissarisch von Kalbitz' Stellvertretern Birgit Bessin und Daniel Freiherr von Lützow geführt. Gegner des früheren Landeschefs sagen hinter vorgehaltener Hand, dass kritische Töne nicht erwünscht seien. Brandenburgs Verfassungsschutz hat den Landesverband im Juni als extremistischen Verdachtsfall eingestuft. Verfassungsschutzchef Jörg Müller ist der Ansicht, die Brandenburger AfD habe sich stark radikalisiert.
Könnte der Landesverband aufgelöst werden?
Zu dieser drastischen Maßnahme hat der Bundesvorstand im Saarland gegriffen, wo es massive Vorwürfe wegen Unregelmäßigkeiten und Vetternwirtschaft gab. In Brandenburg ist das unwahrscheinlich.
Hat der Streit um Kalbitz das Potenzial, die Partei zu sprengen?
Eher nicht. Kalbitz und Thüringens AfD-Landesvorsitzender Björn Höcke hatten zuletzt im Frühjahr in der Auseinandersetzung um den „Flügel“ an ihre Gesinnungsgenossen appelliert, trotz des Streits mit Meuthen und dessen Unterstützern jetzt bloß nicht aus der AfD auszutreten. Denn die wenig erfolgreichen Partei-Neugründungen der ehemaligen AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke und Frauke Petry haben gezeigt, dass es solche AfD-Abspaltungen schwer haben.
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Wer sind die Unterstützer von Kalbitz außerhalb von Brandenburg?
Kalbitz gilt als geschickter Netzwerker. Er war neben Höcke über Jahre die wichtigste Führungsfigur des „Flügels“, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz seit März als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ beobachtet wird. Vor allem im Osten, bei der Parteijugend und bei den Anhängern des inzwischen aufgelösten „Flügels“ hatte er lange großen Rückhalt. Die Sache mit Hohloch, der eigentlich zu seinem Unterstützerkreis zählt, könnte ihn aber Sympathien gekostet haben.
Und in der Parteispitze?
Der Co-Parteivorsitzende Tino Chrupalla und die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, hatten sich bei der Abstimmung zur Causa Kalbitz dafür ausgesprochen, einen möglichen Rauswurf erst einmal juristisch prüfen zu lassen. Der Ehrenvorsitzende der AfD, Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland, hat zwar kein Stimmrecht im Parteivorstand, aber immer noch einigen Einfluss. Auch er hatte versucht, Kalbitz zu helfen, dessen Parteikarriere er einst gefördert hatte. Chrupalla erklärte allerdings diese Woche, es sei „konsequent und richtig“, dass Kalbitz nun den Fraktionsvorsitz aufgegeben habe. (dpa)
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