Coronakrise in Brandenburg: Schüler können ab sofort zu Hause bleiben
Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) hat die Präsenzpflicht an Brandenburgs Schulen ausgesetzt. Jetzt müssen die Eltern entscheiden. Einige fordern den Rücktritt der Ministerin.
Potsdam - In Brandenburg müssen Schülerinnen und Schüler ab Montag (22.3.) bis zu den Osterferien, die am Ende der Woche beginnen, nicht mehr in die Schulen. Das Bildungsministerium hat die Präsenzpflicht ab sofort ausgesetzt. Ausnahmen gelten nur für die Abschlussklassen, die zum Unterricht müssen. Das teilte das Ministerium unter Führung von Ministerin Britta Ernst (SPD) am Sonntagnachmittag mit. Zuvor soll das Kabinett der rot-grün-schwarzen Kenia-Regierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dazu beraten haben.
Hintergrund der Entscheidung sind die im Land stetig steigenden Infektionszahlen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt landesweit aktuell bei 111,5. Allerdings hatte die Landesregierung noch am Freitag betont, die Schulen und Kitas sollten auch bei einer Inzidenz über 100 geöffnet bleiben. Bildungsministerin Ernst, die auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder ist, hatte noch am Freitag nach der Beratung der KMK gesagt, offene Schulen hätten "weiterhin erste Priorität".
Schnelltests nicht bei Schulen angekommen
Doch die Bildungsministerin steht unter politischem Druck, die Infektionsgefahr an Brandenburgs Schulen unter Kontrolle zu halten - was nur mit Schnelltests möglich wäre.
Bei der Beschaffung der Tests gab es jedoch erst eine Panne - die Tests waren nicht für den Gebrauch durch Kinder und Jugendliche geeignet - und jetzt können die neu bestellten Tests wegen Knappheit auf dem Weltmarkt nicht geliefert werden. Daher blieb bis zuletzt unklar, wann wie viele Schnelltests an welchen Schulen im Land ankommen. Ursprünglich wollte das Ministerium jedem Schüler zwei Tests pro Woche zur Verfügung stellen. Die Tests sollten zuhause durchgeführt werden, nachdem Lehrer:innen es abgelehnt hatten, die Tests in den Schulen durchzuführen.
Potsdam drohte, Schulen wieder zu schließen
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte bereits am vergangenen Donnerstag gedroht, er werde die weiterführenden Schulen in der Landeshauptstadt wieder schließen, wenn keine oder nicht genügend Tests vorlägen. Die Gesamt- und Oberschulen sowie die Gymnasien hatten erst am 15. März wieder geöffnet. Schüler- und Lehrervertreter hatten mangelnde Vorbereitung kritisiert. Es hatte teils chaotische Zustände gegeben.
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Nun bleiben Brandenburgs Schulen geöffnet - und die Verantwortung wird wiederum an die Eltern weitergegeben. Sie müssen jetzt entscheiden, ob sie ihre Kinder in die Schulen schicken oder komplett im Homeschooling behalten.
Die Schulen sollten am Sonntag per Brief von der neuen Regelung erfahren. Sie sollen das jeweilige Wechselmodell aufrechterhalten. Das dürfte jedoch für Probleme sorgen, denn die Lehrer:innen müssen sich nun täglich gleichzeitig um präsenz- und distanzlernende Schüler kümmern. Zudem ist mit einer Entscheidung am Sonntagnachmittag die Vorbereitungszeit wieder äußerst kurz.
Zahl der infizierten Kinder und Jugendlichen steigt
Allerdings ist das Infektionsgeschehen an den Schulen offenbar ein starker Faktor. Jüngsten Angaben der KMK nach geht die Zahl der Corona-Fälle mit einer deutschlandweit steigenden Zahl von infizierten Kindern und Jugendlichen einher. In der vergangenen Woche wurden der KMK den Angaben nach knapp 4000 Corona-Infektionen unter Schülerinnen und Schülern aus ganz Deutschland bekannt (Vorwoche: knapp 3000), darüber hinaus waren rund 28.000 Kinder und Jugendliche in Quarantäne (Vorwoche 16.300).
Kreiselternrat fordert Rücktritt von Ministerin Ernst
Eltern in Brandenburg fühlen sich dennoch von Bildungsministerin Ernst im Stich gelassen: Der Kreiselternrat Cottbus fordert in einem Schreiben vom 18. März an Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den Rücktritt von Ernst. Die Eltern werfen der Ministerin vor, nicht ausreichend und rechtzeitig Konzepte für den Fall erneuter Schulschließungen vorgelegt zu haben.
Interessenvertreter und Gremien hätten bereits vor den Sommerferien Konzepte eingefordert, "die für den Fall erneuter Schulschließungen Orientierung und Planbarkeit hätten geben können". Doch bis Mitte Dezember sei nichts dergleichen geschehen. Es habe "Kommunikationschaos" gegeben. Zudem fehlten weiter "praktikable Antworten auf drängende Probleme". Vor allem wolle man wissen, wann die Eltern mit einem "Mindestmaß an Planbarkeit" rechnen könnten - und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssten.
"Schlichtweg inakzeptabel"
Bezüglich der nunmehr vorerst gescheiterten Teststrategie wirft der Kreiselternrat der Ministerin mangelnde Kommunikation im Vorfeld und unzureichende Organisation vor. "Das Bild, was das Bildungsministerium seit einem Jahr abgibt, ist schlichtweg inakzeptabel", so der Kreiselternrat. Und weiter: "Das Verhalten der Bildungsministerin ist derart lebensfremd und absurd, dass es einem die Sprache verschlägt."