Corona-Teststrategie in Schulen: Stäbchentest wird Hausaufgabe
Abstrich daheim statt in der Schule: Das Bildungsministerium passt nach dem chaotischen Start die Corona-Teststrategie an. Das Echo auf die Anpassungen ist geteilt.
Potsdam - Nach massiver Kritik und chaotischem Start hat das Bildungsministerium bei der Corona-Teststrategie für Schulen noch einmal nachgebessert. Statt in der Schule sollen sich Schüler:innen zu Hause selbst testen. Zudem sind nun zwei Tests wöchentlich für jeden Lehrer oder Schüler möglich, zunächst war es nur einer gewesen. Das teilte das Ministerium am Dienstag mit.
Am Ende jeder Schulwoche sollen in der Schule zwei Tests an jeden Schüler verteilt werden. Dieser kann in der Folgewoche zu Hause per Abstrich in Nase oder Rachen durchgeführt werden. Das jeweilige Testergebnis können die Eltern – oder bei volljährigen Schülern diese selbst – der Schule mitteilen. Die Tests bleiben freiwillig. Bei einem positiven Test muss ein PCR-Test folgen, erst nach einem negativen Test können die Kinder oder Jugendlichen zurück in die Schule.
Zu kompliziert
Die zunächst gelieferten Schnelltests der Firma Roche sollen nun nicht wie ursprünglich geplant als Selbsttest für Schüler eingesetzt werden, sondern von Lehrkräften verwendet werden. Aus einem Schreiben des Ministeriums an die Schulen geht hervor, dass jeder Lehrer dazu 25 Tests erhält, die dann bis Ende des Schuljahres nach und nach genutzt werden sollen. Die Praxis habe gezeigt, so das Ministerium am Dienstag, dass die am schnellsten verfügbaren und seit Freitag ausgelieferten Selbsttest in der Handhabung zu kompliziert für Schulen und Kinder seien.
Diese Rückmeldung hatte es zum Start des Wechselunterrichts am Montag auch von Seiten der Schulen gegeben. So hatte die Schulleiterin des Potsdamer Einstein-Gymnasiums Irene Krogmann-Weber kritisiert: „Wir haben ja gar keine Einweisung oder Fortbildung dafür erhalten.“ Die beiliegende Gebrauchsanweisung sei zudem nur auf Englisch.
2,3 Millionen Tests
Genutzt werden sollen nun Tests von Beijing Hotgen Biotech. Diese sind nach Angaben des Ministeriums leichter zu handhaben. Die Tests seien einzeln verpackt und würden ab dem heutigen Mittwoch direkt an die Schulen geliefert. Bis zu den Sommerferien stünden landesweit 2,3 Millionen Tests der chinesischen Firma für die Schüler zur Verfügung, heißt es in der Mitteilung.
„Die Durchführung der Tests ist weiterhin freiwillig, aber ich appelliere an Eltern, Schülerinnen und Schüler sie zu nutzen“, sagte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) laut Mitteilung. „Die Selbsttests sind eine wichtige Säule bei der Öffnung von Schulen und werden uns alle sicher noch eine Weile begleiten.“
Lob vom Elternbeirat
Die Nachbesserungen stoßen auf ein geteiltes Echo. Lob gab es vom Landeselternbeirat. Dessen Vorsitzender René Mertens sagte den PNN, das Testen zu Hause sei kindgerechter. „Die Gefahr der sozialen Ausgrenzung bei einem positiven Test in der Klasse wird so gemindert“, so Mertens. „Wir hätten lieber einen Spucktest als einen Nasenbohrer gehabt. Aber wir wollen ja, dass möglichst viel getestet wird, um die Schulen offen zu halten.“
Auch CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann wertete die Änderungen positiv. „Damit sorgen wir dafür, dass Kinder mit einem positiven Testergebnis gar nicht erst in die Schule kommen müssen und auch die Lehrkräfte nicht mit der Durchführung der Tests überlastet werden“, so Hoffmann. Kritisiert worden war auch, dass die Lehrer die Testung beaufsichtigen sollten. Das koste Zeit, bedeute eine zusätzliche Infektionsgefahr und sei eigentlich nicht deren Aufgabe, so die Argumente.
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Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg sieht dagegen kaum Verbesserungen durch die Anpassung. „Das Grundproblem wird nicht gelöst, sondern nur von der Schule in die Familien verlagert“, sagte GEW-Landesvorsitzender Günther Fuchs auf Anfrage. Aus seiner Sicht hätte die Öffnung der Schulen an die Tests geknüpft werden müssen. Doch statt die Teststrategie gründlich vorzubereiten habe es eine „Sturzgeburt“ gegeben – mit der Folge, dass jetzt immer noch nicht getestet werde. Zudem fürchtet er einen Imageverlust für die Tests – und eine möglicherweise sinkende Beteiligung.
Rücktrittsforderungen von der AfD
Die AfD forderte gar den Rücktritt von Britta Ernst. Diese habe in der Coronakrise „als Bildungsministerin vollumfänglich versagt“, sagte der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Dennis Hohloch, laut Mitteilung. „Der jüngste Höhepunkt stellt die katastrophal gescheiterte Teststrategie dar.“ Mit einem Antrag will die AfD bei der nächsten Landtagssitzung Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dazu auffordern, Ernst zu entlassen. Aussicht auf Erfolg dürfte der Antrag im Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse jedoch kaum haben.