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Seit jeder im Internet publizieren kann, lassen sich falsche Behauptungen und korrekte Nachrichten oft nur schwer unterscheiden.
© Michael Reynolds/dpa, Montage: Thomas Mika

34 Tage nach der US-Wahl: War das Ergebnis manipuliert?: Zweifeln in der Demokratie - so wichtig wie gefährlich

Selektives Publizieren ist keine Gehirnwäsche - es macht die Demokratie angreifbar. Zweifel sind aber auch ihr Lebenselixier. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Es ist der Albtraum einer Demokratie und wäre der höhnische Triumph der Diktatur: Nicht die freien Bürger entscheiden, wer sie regieren soll, sondern eine fremde Macht durch Manipulation von außen. Hollywood hat den Albtraum in „The Manchurian Candidate“ verfilmt. Ein gefangener US-Soldat wird durch Gehirnwäsche zum „Killer“ programmiert. Durch Mord auf Befehl soll er die US-Wahl entscheiden.

Die Realität ist banaler. Sie kommt ohne klandestine „Brainwash“-Lager und Hypnose aus. Moderne Geheimdienste versuchen Mechanismen, die offene Gesellschaften für ihre Stärken halten, in Angriffswaffen zu verwandeln, voran die den Demokratien innewohnende Selbstkritik und Bereitschaft, den eigenen Eliten zu misstrauen.

Technische und inhaltliche Beeinflussung gehen Hand in Hand

Moskau habe die Wahl zu Donald Trumps Gunsten beeinflusst, behauptet der US-Auslandsgeheimdienst CIA. Russische Hacker seien nicht nur in das E-Mail-System der Demokratischen Partei eingedrungen – das war bekannt –, sondern auch in das der Republikaner. Das erbeutete Material wurde selektiv benutzt. Gehackte E-Mails der Demokraten bekam die Internetplattform Wikileaks, um Unfrieden bei den Demokraten zu schüren und Hillary Clinton zu beschädigen. Die gehackten Dokumente der Republikaner, die ebenso brisant sein dürften, hielt Moskau zurück. Warum? Da kann man nur spekulieren. Bevorzugt Wladimir Putin einen Präsidenten Trump? Will er mit dem Material später Druck auf eine Republikaner-Regierung ausüben?

Die westlichen Demokratien reagieren auf den CIA-Vorwurf so, wie es ihrer Natur entspricht. Der Natur des Zweifels. Warum soll man der CIA glauben? Sie hatte Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen angedichtet. Und gehören jene, die jetzt „Manipulation!“ rufen, nicht zu den Eliten, die es ohnehin nicht verwinden konnten, dass der Anti-Establishment-Kandidat die Wahl gewann?

Zweifeln ist ein gesunder Reflex. Gesund ist es aber auch, Gefahren, die zuvor unbeachtet blieben, ernst zu nehmen und Vorkehrungen zu treffen. Die Beeinflussung der Wähler durch selektives Publizieren angeblicher Skandale ist ein Ansatz. Direkter wirkt das Hacken von Wahlcomputern, die die Stimmen auszählen. Auch das ist geschehen. Ob dabei Manipulationssoftware platziert wurde, ist nicht bekannt. Präsident Obamas Anordnung, alle potenziellen Manipulationsversuche zu prüfen, war überfällig.

Zweifeln bleibt wichtig

Latente Zweifel, ob alles mit rechten Dingen zugeht, unterminieren eine Demokratie und können Bürger davon abbringen, ihr Wahlrecht zu nutzen. Dagegen hilft nur öffentliche Aufklärung. Und womöglich eine Kurskorrektur. Der gute alte Stimmzettel auf Papier hat noch nicht ausgedient. Wenn schon Wahlcomputer, dann bitte mit besserem Schutz vor Hackern.

Was die USA erleben, ist eine Warnung für die Bundestagswahl. Auch der Bundestag wurde gehackt. Auch da fällt der Verdacht auf Russland. Auch da wird die Beute selektiv über Wikileaks publiziert, zum Beispiel die Unterlagen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss.

Im „Manchurian Candidate“ gibt es ein Happy Ending: Die „Gehirnwäsche“ wird durch eine Gegendosis unschädlich. Die Gegendosis offener Gesellschaften ist nicht, das Zweifeln aufzugeben. Sondern auch an den Motiven von Putin und Wikileaks zu zweifeln. Und Aufklärung. Damit die Gegner offener Gesellschaften ihr Ziel, den Glauben der Demokraten an ihre Werte zu erschüttern, verfehlen.

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