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Hillary Clinton und ihr Vize Tim Kaine mit begeisterten Anhängern in Florida - vor der Email-Affäre.
© Gaston De Cardenas / AFP
Update

Vor dem Parteitag der Demokraten: Wikileaks stellt Hillary Clinton bloß

Laut Email-Leaks hat die Parteiführung Bernie Sanders benachteiligt. Wasserman Schultz gibt Parteivorsitz ab. Russland soll bei der Affäre die Hände im Spiel haben.

Kurz vor dem heute beginnenden Parteitag, auf dem die US-Demokraten Hillary Clinton als Spitzenkandidatin nominieren wollen, hat das Internetportal Wikileaks am Wochenende rund 20.000 Emails aus der Parteiführung veröffentlicht und Zweifel an deren Unparteilichkeit bei Clintons Kür in den Vorwahlen geweckt. Die Emails legen nahe, dass es koordinierte Versuche gab, die Erfolgsaussichten des Parteilinken Bernie Sanders, der ebenfalls die Kandidatur anstrebte, zu unterminieren. Die Veröffentlichung überschattet das positive Echo, nachdem Clinton am Freitagabend Tim Kaine als ihren Vizepräsidentschaftskandidaten vorgestellt hatte.

Russische Hacker drangen ins Computersystem ein

Die „Washington Post“ verdächtigt Russland, die Hände im Spiel zu haben. Russische Hacker seien vor etwa einem Monat in das Computersystem des Democratic National Committee (DNC) eingedrungen und hätten zahlreiche Dateien entwendet, darunter das Material über Angriffspunkte der politischen Gegner. Der Hinweis erklärt womöglich, warum die US-Medien bisher zurückhaltend über die Wikileaks-Emails berichten.

Nach deren Veröffentlichung gab das DNC bekannt, dass die DNC-Vorsitzende Debbie Wasserman Schultz nicht beim Parteitag sprechen werde – „um den Frieden zu wahren“, wie ein Insider CNN sagte. Geleakte Emails zeigen sie als Clinton-Anhängerin, die Sanders verhindern wollte. Wasserman Schultz solle aber den Vorsitz während des viertägigen Treffens behalten, hieß es zunächst. Am Sonntagabend kündigte Wasserman Schultz an, dass sie den Parteivorsitz niederlegen würde. Und es war fraglich, ob sie überhaupt eine sichtbare Rolle bei der Convention in Philadelphia übernehmen würde.

Den Vorsitz während des Parteitags soll nun Donna Brazile übernehmen, ein langjähriges Mitglied der Parteiführung, die den Bürgern als Sprachrohr der Demokraten im Sender CNN bekannt ist. Ben Jealous, ein Vertrauter von Bernie Sanders, sagte, diese Reaktionen "erlauben es, die Wunden zu heilen und nach vorne zu schauen".

Clinton fällt in den Umfragen zurück

Hillary Clinton stand bereits zuvor unter dem doppelten Druck, sich mit den Sanders-Anhängern nach einem harten Vorwahlkampf auszusöhnen und ihren negativen Umfragetrend bei der Convention in Philadelphia wieder ins Positive zu drehen. Während des republikanischen Parteitags in der vergangenen Woche hat Donald Trump seinen Rückstand auf sie im Schnitt der Umfragen von 3,2 auf 2 Prozentpunkte verringert.

Das Phänomen des „Convention Bounce“ kennt man aus früheren Wahljahren. In der Regel gleicht das Gegenlager den Effekt in seiner Parteitagswoche aus. Wenn nicht, lässt das auf größere Probleme in der öffentlichen Wahrnehmung schließen.

Führende Demokraten fürchten, dass die Emails die Debatte um Clintons Charakter neu entfachen. Gegner werfen ihr vor, sie führe die Auseinandersetzung nicht offen und ehrlich und greife zu fragwürdigen Tricks, um sich durchzusetzen. In Umfragen bezeichnen 50 bis 60 Prozent der Wähler sie als „nicht vertrauenswürdig“. Trump hat ähnlich schlechte Werte. In einer jüngsten Erhebung in wahlentscheidenden „Swing States“ hielten 50 Prozent Trump sogar für vertrauenswürdiger als sie; nur 37 Prozent haben mehr Vertrauen zu Clinton.

Eine Email rät: Fragt nach Sanders' Religion

Die geleakten Emails stammen aus dem Zeitraum Januar 2015 bis Mai 2016. Kurz vor den Vorwahlen in Kentucky und West Virginia Mitte Mai enthält eine Email den Rat, Sanders Glauben zum Thema zu machen. Er ist säkularer Jude. Für Baptisten im Süden sei Atheist negativer als Jude, suggeriert die Email, das würde „ein paar Prozent Unterschied“ machen. Viele andere Emails befassen sich mit organisatorischen Fragen.
Trump nannte die Emails einen „Beleg, wie manipuliert das System der Demokraten ist“. Er versucht, Sanders-Anhänger für sich zu gewinnen. Der bittere Ton mancher Emails lasse die Emotionen zwischen dem Clinton- und dem Sanders-Lager wieder aufleben, fürchten Demokraten. Die Geschichte konterkariere die gute Resonanz nach dem ersten gemeinsamen Wahlkampfauftritt Clintons mit ihrem Vize Tim Kaine in Florida. Er hielt seine Rede vor begeisterten Latinos zum Teil auf Spanisch.

Hauptredner am Montag: Bernie Sanders und Michelle Obama

Die prominentesten Redner am Montag, dem Eröffnungsabend des Parteitreffens in Philadelphia, sind Bernie Sanders und Michelle Obama. Am Dienstag wird Bill Clinton sprechen, am Mittwoch Vizepräsidentschaftskandidat Tim Kaine. Am Donnerstagabend endet die Convention mit der Rede, in der Hillary Clinton die Nominierung annimmt.

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